Kapitel 2.

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"BIEP BIEP BIEP", ertönte es. Ich öffnete die Augen und schlug genervt auf den Wecker. Blödes Scheissteil, denk ich mir. 6:30 Uhr, Freitagmorgen. Ich stand auf und lief zum Kleiderschrank und kramte meine schwarze Jeans und einen dunkelgrauen Hoodie hervor und zog mich um. Im Bad schminkte ich mich rasch, putze meine Zähne und kämmte mir die Haare, dann lief ich die Treppe runter und schnappte meine Tasche. "Guten Morgen", ertönte eine fröhliche Stimme aus der Küche. "Oh, guten Morgen Oma, ich dachte du schläfst noch", sagte ich.
"Nein nein, ich habe dir Müsli gemacht und frische Beeren reingemischt, brauchst du mehr Milch?"
Ich lächelte, "Danke Oma, es ist gut so."
Ich aß, während meine Oma bereits anfing das Haus zu putzen.
Ich stellte das Geschirr in die Spüle und verabschiedete mich, bevor ich mich auf dem Weg zur Uni machte.

Zu früh war ich bereits im Gang. 7:47 Uhr... Meine erste Lesung fängt erst um zwanzig nach 8 an. Ich stöhnte auf und machte mich auf den Weg zum Aufenthaltsraum und setzte mich in die hinterste Ecke und holte mein Buch raus und fing an ein wenig zu lesen. Am anderen Ende des Raumes, sah ich Marie und ein paar ihrer Freundinnen. Sie schaute kurz zu mir herüber, wendete aber gleich darauf ihren Blick wieder ab und vertiefte sich erneut in das Gespräch mit den Mädchen. Immerhin.

Ich versank in mein Buch, und lehnte mich zurück. Ich mochte dieses Buch sehr, eine tragische aber auch selbstironische, dunkle Geschichte aus der Welt eines Goth.
"Na, was liest du?"
Ich erschrak leicht und schaute hoch. Vor mir stand Jonathan.
"Ehm.... Das Buch heisst Retrum", ich hielt es ihm hin und er musterte das Cover.
Was macht der denn bitte bei mir???, schoss es mir durch den Kopf. Jonathan ist Maries Freund. WAR Maries Freund. Den Gerüchten zufolge hat er sich von ihr am vergangenen Wochenende getrennt, weil Marie ihm zu langweilig wurde. Vermutlich schiebt sie deswegen im Moment ein Riesendrama, wie gebrochen ihr Herz doch sei, da ich jedoch weiss das sie kein Herz besitzt, vermute ich, dass das einzige, was gebrochen wurde, Maries Ego war.

Jonathan lächelte. "Du stehst auf Gothic und son Zeug oder? Bist du auch so ne Teufelsanbeterin?"
"Schwachsinn, in jedem von uns steckt etwas böses. Trotzdem beten wir einander nicht an. Für mich persönlich sind Gott und Satan Figuren auf denen wir unsere Gefühle ablegen. Trotzdem ist Religion und ein Gott eher etwas um Angst zu schüren und als Ausrede und Entschuldigung zu benutzen indem man sich blind unterwirft. Satan hingegen hält die lediglich einen Spiegel vor. Du siehst also, dass ich nichts von einem sogenannten Gott halte. Dafür sehe ich in Satan etwas, moralisch gesehen, positives. Er macht uns nicht zu Sklaven, so wie ein "Gott" es tut. Er öffnet uns lediglich die Augen und wir sehen Dinge vor denen wir Angst haben, die wir nicht sehen wollen. Nur weil wir schlecht sind, nicht solche Heiligen wie wir vermuten, sehen wir die brutale Wahrheit und diese sorgt für die Angst vor Satan. Obwohl wir im Prinzip vor uns selbst Angst haben."
Ich schaute ihn trocken an und packte das Buch in meine Tasche.
"Wow, diese Sichtweise ist interessant. Ich find deine Meinung wirklich gut, ehrlich. Wenn du magst, kannst du mir mal mehr über das Thema erzählen. Würde mich freuen."
"Mal sehen."
Er lächelt und fragt: "du musst auch gleich in die Lesung über Medizin oder?"
"Ja"
"Cool, wir sehen und dort, bis gleich."
"Bis gleich."

Ich schaute ihm nach, bevor ich meine Tasche über die Schulter warf und den Raum verließ. Ich drückte die Tür ins Schloß als mich jemand von hinten gegen die Wand schubste. "Du kleine Hure", Marie funkelte mich an und kam einen Schritt näher, "für wen hältst du dich."
Ich schaute sie kühl an und schlug ihre Hand von meiner Schulter und wollte an ihr vorbei, doch sie stellte sich in meinen Weg. "Ich sage es dir nur ein Mal, ein einziges Mal, also hör mir besser genau zu: Halt. Dich. Von. Ihm. Fern."
Ich habe sie noch nie so aggressiv gesehen. Normalerweise ist sie dominant und bösartig, im Moment hat sie jedoch ihre Fassung verloren und mein Geduldsfaden mit ihr war auch nicht grade lang.
"Sonst was, Marie, hm? Was willst du tun?"
Sie schaute mir wütend in die Augen und ihre Stimme wurde drohend. "Bleib weg von ihm, oder ich schwöre bei Gott, du wirst es bereuen. Du wirst dir wünschen nie geboren worden zu sein, dass sag ich dir. Hast du mich verstanden!?"
Mir lief ein Schauer über den Rücken. Das war nicht die hämische, schadenfrohe Diva die ich kannte, sie meinte es Todernst.
Ich drückte sie zur Seite und lief davon, ich hatte genug.
Zügig lief ich zu meinem Saal und setzte mich hinein und sah zu wie er sich füllte. Auch Marie setzte sich auf den gewohnten Platz zu ihren Freundinnen.
Ich holte meine Schreibutensilien heraus und breitete sie auf meinem Tisch aus, als sich der Stuhl neben mir runterklappte und Jonathan sich neben mir niederließ. Ich starrte ihn unschlüssig an und spürte wie Maries Blick sich in meinen Rücken bohrte. Ich nahm meinen Block und meinen Stift und wollte mich grade zu einem anderen Ort bewegen als der Raum totenstill wurde und unser Professor seine Lesung begann. Ich sackte in mich zusammen und stützte meinen Kopf in beide Hände, da ich nun hier sitzen bleiben musste.
Was wird Marie jetzt dazu sagen? Soll ich ihr erklären, dass ich nicht wollte, dass er sich zu mir setzt? Hoffentlich glaubt sie mir, im Moment traue ich ihr alles zu.
Ich schüttelte den Kopf, dreh ich jetzt komplett durch? Was will sie denn bitte tun? Sie macht mir schon seit Jahren das Leben zur Hölle, ich bin ihr nichts schuldig. Sie kann mich doch nicht kontrollieren und einschüchtert, ganz sicher nicht.
Ein leichter Ansturm von Wut machte sich in mir breit und trotzig verschränkte ich die Arme und lehnte mich zurück. Mich haben Maries Probleme nicht zu interessieren.
Als die Lesung um war und ich den Raum mit Jonathan verließ, sah ich das Maries Platz bereits verlassen war. Wann war sie gegangen?
Ich ging mit Jonathan einen Kaffee trinken und redete mit ihm über die Uni, bevor wir uns verabschiedeten und ich mich zu meiner letzten Unterrichtsstunde für diesen Tag begab und mich dann auf den Heimweg machte.

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