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„Der Herr hat gegeben und der Herr hat genommen. Jana Collins ist von uns gegangen." Ich konnte dem Pfarrer nicht richtig zuhören. Der Anblick des offenen Sarges bekam meine volle Aufmerksamkeit. Man konnte meinen sie schlief nur. Jeden Moment würde sie aufstehen, gähnen und lächeln. Doch nichts passierte. Sie blieb einfach liegen. Kichert nicht. Schrie nicht. Lebte nicht. Jana war tot. Unsere Beste Freundin, war einfach nicht mehr hier.

Ich wagte einen Blick zu Kathi, die sich immer wieder mit einem Tuch die Wangen abtupfte. Ihre lange braune Haare waren zu einem festen Zopf gebunden, so fielen ihre roten Augen noch mehr auf. Die sonst so braune Haut wirkte bleich, auch das Funkeln ihrer Ausstrahlung fehlte komplett. Wir drei kannten uns seit dem Kindergarten und waren seither unzertrennlich. Doch jetzt war Jana weg, einfach nicht mehr da... Keine blöden Sprüche mehr, keine lustigen Grimassen und keine Streiche mehr.

Sie hinterließ eine Lücke, die nichts und niemand mehr füllen konnte. Unmöglich. Ich dachte immer, Jana liebte das Leben. Sie schien so glücklich und zufrieden. Jeden Tag lachte sie, strahlte vor Freude, plante ihre Zukunft. Doch es war nur eine Maske. >Lächeln ist leichter, als jedem zu erklären, warum man weint<. Vor einer Woche nahm sie sich das Leben. Einfach so, von heute auf morgen.

In dem Brief an ihre Eltern erklärte sie, dass sie traurig war, und einfach nicht mehr konnte. Mit einem Schuss machte sie, ihrem Leben ein Ende. Aber warum? Was konnte sie nicht mehr? Ein Mensch trifft eine solch schwere Entscheidung doch nicht einfach von heute auf morgen. Es muss in der Seele sitzen. Kathi und ich hatten es nicht bemerkt. Wir waren einfach geblendet von ihrem Auftreten, welches immer tough und selbstbewusst wirkte. Also warum? Was war ihr verdammter Grund?!

Kathi nahm meine Hand und drückte sie leicht. Wir saßen in der ersten Reihe neben Janas Eltern - Jonas und Melissa - und Liam Stweart - Janas Freund. Er zitterte am ganzen Körper, wirkte wie in Trance. Jonas hielt die ganze Zeit über die Hand seiner Frau.

Ihre Augen waren rot, ihre Körper sahen aus, wie Gestelle, die jederzeit umkippen könnten. Keiner von den Anwesenden könnte sich in ihre Lage versetzen. Wir waren eine Familie. Ich konnte es einfach nicht realisieren. Sie war tot! Überall diese schwarze Farbe, dies machte mich völlig verrückt. Jana hasste Schwarz! >Das ist nicht mal eine Farbe<, regte sie sich immer auf, >Farben sind viel schöner... Pink, Rot, Blau, Grün und Gelb... Wie die Sonne. < „Und nun noch ein paar Worte von Lucy Hamilton, einer von Janas besten Freundinnen." Mein Kopf schoss in die Höhe.

Die anderen hatte ihre Reden schon gehalten, ich war dran mich von ihr zu verabschieden. Doch ich war noch lange nicht bereit dazu. Mit zittrigen Beinen, stand ich auf und lief zum Altar. Die Blicke der vollen Kirche lagen auf meinen Schultern und verfolgten mich bei jedem Schritt, bis zum Ziel. Jetzt hatte ich volle Sicht in den Sarg. Jana trug ihr Lieblings Kleid. Es war hellblau mit einem weißen Netz aus Spitze darüber. Ihre Haare waren so frisiert, dass man die Einschusswunde nicht sehen konnte. In ihren Händen hielt sie ihren Schnuffel. Der goldliche Stoff war schon komplett abgekuschelt und ein Auge drohte ihm herauszuspringen.

Als sie kleiner war, konnte sie ohne den Stoffhasen nicht schlafen. Er begleitete sie zum ersten Schultag, in den Urlaub und jetzt in den Sarg. Am liebsten hätte ich ihn rausgenommen und fest gedrückt.

Ich atmete einmal tief ein und wieder aus... Auf meinen Ohren lag ein unangenehmer Druck. Meine Hände wurden nass, das Atmen fiel mir schwer, trotz allem riss ich mich zusammen. Innerlich weinte ich schon längst, denn mein Herz blutete.

„Entschuldige dich niemals dafür wer du bist... Das sagte Jana immer. Das war ihr Motto nach dem sie lebte. Sie war selbstsicher und ließ sich das von niemandem nehmen. Dafür bewunderte ich sie schon immer... Jana war mehr als eine Freundin für uns, sie war unsere Schwester.

Little SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt