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In Waycross war einmal pro Jahr eine Jagdveranstaltung. Ich war nie dort, weil aus meiner Familie keiner mitmachte. Aber es würde bedeuten, dass hier viele einen Waffenschein besaßen. Das wiederum würde die Suche schwieriger gestalten. Die Stadt war gerade etwas leerer da Kaffeezeit war. Die meisten waren im Italian - ein Café in der Stadt. Wir waren in unserer Mittagspause oft dort um uns von dem Schulstress zu entspannen.

Ich hielt auf dem Parkplatz am Rathaus und lief geradewegs auf die Eingangstür zu. Doch zu meinem Pech ließ sie sich nicht öffnen. Wie eine blöde starrte ich auf das weiße Schild auf dem stand: Heute erst wieder ab 17 Uhr offen. Gerade wollte ich auf meinem Handy schauen wie viel Uhr es war, als mir einfiel das ich es ja aus Sicherheitsgründen weggeschmissen hatte. Misst. Doch auch ich musste ja mal Glück haben. Meine Armbanduhr zeigte 15:36 Uhr.

Gelangweilt setzte ich mich auf eine Bank und überlegte. Ich könnte zu meinen Eltern und in Ruhe mit ihnen reden. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich in einer Zwangsjacke und in Begleitung von zwei Polizisten wieder aus dem Haus rauskommen würde, war zu groß. Ich könnte zu Kathi und mit ihr über Derek rätseln, oder einfach die Zeit totschlagen.

Aber sie würde Ergebnisse sehen wollen und die hatte ich nicht. Also entschloss ich mich dazu einfach sitzen zu bleiben und Löcher in die Luft zu starren. Wie in der Schule eben. Margret zu treffen, war so ziemlich das beste was mir hätte passieren können. Und dann auch noch der Zufall, dass sie Janas Tante war. Jana.

Mit einem Ruck stolperten meine Gedanken in ein schwarzes Loch. Es war gerade mal fast zwei Wochen her, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Jedoch erinnerte mich die Trauer daran, wie es wirklich war. Am liebsten wäre ich in meinem Zimmer. Einfach Zuhause und bei meinen Eltern. Doch ich hatte keine Wahl. Plötzlich fielen mir Janas Wort wieder ein. >Man hat immer eine Wahl. Es gibt nie nur einen Weg, und wenn doch, dann baut man sich einen zweiten<.

Früher lachten Kathi und ich, Jana immer aus, wenn sie ihre Zitate an uns ausließ, aber jetzt, jetzt kam es mir vor, als hätte sie gewusst, dass sie starb. >Das Leben ist zu kurz um eine Träne an etwas zu vergießen, das es nicht wert ist<. Als sie mir das sagte, fragte ich, woran man merkt, dass es, es Wert ist. Jana lachte und sagte: „Man merkt es ganz einfach." Sie starb, weil sie zufiel wusste, war es das wert?

Auf einmal hörte ich eine Stimme hinter mir worauf ich erschrak. „Wow, ganz ruhig. Ich dachte du bist krank?" Joe sah mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen an. Erwischt. „Ich schwänze nur," log ich gekonnt. Er lachte nur, worauf seine Grübchen zum Vorschein kamen. „Was machst du hier?", fragte ich schließlich. "Ich muss meinen Personalausweis abholen, du?" Mit einem müden Seufzer machte er es sich neben mir bequem.

„Ich... Ähm... Muss ein paar Unterlagen für meine Mutter abholen." Eine bessere Ausrede fiel mir gerade einfach nicht ein. Joe nickte und lehnte sich zurück. „Kommst du zum Gründerfest?", fragte er plötzlich. Das hatte ich total vergessen! Einmal im Jahr, schmiss Waycross ein Fest mit Parade, zu ehren unserer Stadt. Ich zuckte mit den Schultern. „Wann ist das genau nochmal?", fragte ich trocken.

Joe kratze sich am Nacken. „Samstagabend, ich dachte wir könnten zusammen hin." Heute war Donnerstag, meine Eltern würden die Polizei schon informiert haben. Moment! Hatte mich Joe Gartmen gerade um ein Date gebeten? Einer der heißesten Jungs der Schule?! Doch ich hatte im Moment einfach keine Zeit für Jungs... „Ich bin leider an dem Tag bei meiner Cousine in Brunswick. Aber sonst würde ich super gerne!" Mal wieder log ich ihm mitten ins Gesicht, wie in letzter Zeit jedem.

Joe strich sich durch seine Haare. „Okay..." Er schien traurig, was mich irgendwie glücklich machte. Natürlich nur weil das bedeutete, dass er sich gefreut hätte. Neben uns waren Schritte zuhören und ein paar Frauen und Männer betraten das Rathaus. An den Namenschildern erkannte ich dass es Angestellte waren. Joe und ich erhoben uns und liefen in die Eingangshalle. „Also dann, ich muss in den Zweiten Stock, du?", fragte er. „Erdgeschoss", antwortete ich.

Weiß der Geier wohin ich hätte müssen. Aber dieses peinliche Schweigen machte mich irre. Mit einem Nicken verabschiedete Joe sich und trat in den Fahrstuhl. Unwissend wohin ich sollte trottete ich im Erdgeschoss herum. Überglücklich stand ich schließlich vor einer weißen Holztür auf der Archive stand. Doch als auch diese Tür sich von mir nicht öffnen lassen wollte, hätte ich am liebsten geschrien. Das konnte doch einfach nicht wahr sein!

Jetzt musste ich auch noch einen Schlüssel auftreiben. Ich ging die Treppen hoch und suchte nach dem Arbeitsraum der Sekretärinnen. Die hatten hier doch für alles einen Schlüssel. Blöderweise hörte ich Stimmen aus dem Raum. Wie sollte ich sie dazu bringen den Raum, oder noch besser das Gebäude zu verlassen? Bei meinem Gedanken kam das Lachen auf meinem Gesicht ganz von selbst. Der gute alte Feuermelder.

Im Sherlock Holmes Style schlich ich die Gänge entlang und suchte einen roten Kasten an der Wand. Vorsichtig versuchte ich die Glasscheibe zu entfernen. Fehlgeschlagen. Jetzt nahm ich den Blitzanhänger meiner Kette und schlug ihn mit voller Wucht drauf. Ein paar Scheiben flogen auf den Boden.

Doch bevor es jemand hätte hören können drückte ich den Knopf, und eine Sekunde später klingelte es durchs Gebäude. Ich versteckte mich hinter einer Ecke, in der viele Palmen und andere Blumen standen. Türen wurden aufgerissen und Absatzschuhe klapperten durch die Gänge. Leichte Schreie waren ebenfalls zu hören. Meine Chance um den Schlüssel zu besorgen!


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