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Diese Gravur half mir kein bisschen weiter. Es verwirrte mich nur noch mehr. Insgeheim kam es mir so vor als ob es eine persönliche Nachricht, ja fast schon ein Tipp an mich wäre. Doch bis vor ein paar Tagen, dachte ich noch Jana hatte sich umgebracht, also schloss ich das aus. Der Ring schien außerdem schon etwas älter zu sein.

Es ergab keinen Sinn. Warum hatte sie den Abschiedsbrief geschrieben? Hatte der Mörder Jana gezwungen? Ich legte mich ins Bett und sah in die Dunkelheit. Morgen musste ich unbedingt zu Kathi. Auf dem Zettel stand dass sie ihr Wissen mit ins Grab nehmen würde, doch sie lebte noch. Er dachte sie stirbt bei dem Unfall. Ihre Lebendigkeit war ihm ein Dorn ihm Auge.

Er würde es wieder versuchen... Aber Kathi lag auf der Intensivstation, und dort kam er nicht rein. Mit diesem Gedanken flog ich von meinen Sorgen weg in eine andere Welt. Ohne Schmerzen und Kummer...

Kings and sons of God, travel on their way from home here. Calming restless mobs, easing all of their, all of their fear. Strange Times are here. Strange Times are here.

Der Wecker klingelte und riss mich somit aus meinem Traum. Allerdings konnte ich mich nicht an ihn erinnern. Nach dem ich mich gewaschen und umgezogen hatte ging ich direkt runter. Meine Mutter wartete schon in der Küche und machte Frühstück. „Ich habe keinen Hunger", sagte ich gleich. „Dir auch einen Guten Morgen", sagte sie sarkastisch.

„Ich geh dann auch gleich." Meine Mutter schaute auf die Uhr. „Du bist aber früh dran... Nicht mal ein Apfel?" Ihr war Besorgnis ins Gesicht geschrieben. Mein Kopf schüttelte sich automatisch. „Mäuschen...", fing sie an. "Bis Nachher!", unterbrach ich sie. Ich hatte einfach keine Lust darauf und am Morgen erst recht nicht.

Nach einem tiefen Seufzer sagte sie schließlich: „Viel Spaß in der Schule." Dann knallte ich auch schon die Haustür zu. Auf keinen Fall würde ich in die Schule gehen. Dafür hatte ich zurzeit einfach keine Nerven. Zum Krankenhaus brauchte ich zu Fuß ewig. Als ich kurz vor dem Eingang stand rief plötzlich jemand mein Name.

Ruckartig drehte ich mich um. „Hey Derek", begrüßte ich ihn. „Soll ich dich mitnehmen?", fragte er und zeigte zu einem schwarzen Suzuki der am Straßenrand parkte. „Nein, danke... ich geh heute nicht in die Schule...", gab ich zu. „Keine Panik, ich sag es niemandem." Er nickte nochmal zu Verabschiedung und lief weg. Er dachte ich würde schwänzen. Aber eigentlich tat ich das auch... Doch dann hielt ich ihn noch auf. „Was machst du eigentlich hier?" Meine Augenbrauen verzogen sich automatisch.

Sofort spannten sich seine Muskeln an. Derek beschleunigte sein Atme um das Fünffache. „I-Ich habe... ähm... meinen Bruder besucht..." Stotterte er. Dereks Bruder - Cole - war schon älter und studierte Architektur in Brunswick. Ich hatte ihn schon länger nicht mehr gesehen. Das letzte Mal ist schon ein Jahr her, am Gründerfest. „Oh, was hat er den?", fragte ich besorgt. „Ähm, Mandeln mussten raus." Er log mich doch an? Seine Art gerade verriet ihn.

Trotzdem nickte ich. „Also ich muss los nicht das ich zu spät komme... Bye Lucy." Und schon war Derek weg. Ich blickte auf mein Handy. 6:50 Uhr. Er hatte etwas zu verbergen. Der Unterricht begann um 7:30 Uhr. Mit dem Auto würde er noch genügend Zeit haben um seine morgendliche Zigarette zu rauchen. Doch jetzt musste ich zuerst einmal zu Kathi. Ich lief den Flur entlang und folgte dem Schild zur Information.

Eine Frau in einem weißen Schwesternkleid saß hinter der Theke und lächelte mich freundlich an. "Hallo, ich möchte gern zu Kathi Sanders", sagte ich so freundlich es ging. "Tut mir leid, nur Angehörige dürfen zu ihr." Immer noch zierte ein Lächeln ihre bemalten Lippen. „Ihre Mutter lies mich eintragen. Lucy Hamilton", gab ich ihr Bescheid.

"Moment..." Ihre dünnen Finger huschten über die Tastatur des Computers. „Ah, da sind Sie ja. Verzeihung", entschuldigte sie sich. „Ist schon okay, ist sie immer noch auf der Intensivstation?" Wollte ich wissen. „Nein, da ihre Verletzungen nicht innerlich und auch nicht allzu schwer waren, wurde sie auf ein normales Zimmer verlegt. Nummer 87 im dritten Stock", erklärte die Frau, musste es aber zuerst Nachlesen.

Kathi hatte wirklich verdammtes Glück gehabt. Ich bedankte mich und lief Richtung Fahrstuhl. Überall roch es nach Infektionsspray, denn Geruch konnte ich noch nie leiden. Als ich 8 Jahre alt war, flog ich vom Fahrrad. Der Doktor musste mir Kieselsteine aus dem Knie ziehen und dann nähen. Auch da benutzte der das Zeug. Es brannte höllisch und ich vergrub mein Gesicht in dem Arm meiner Mutter. Aber auch ohne dieses Erlebnis würde ich diesen Geruch hassen.

Bing. Die Tür ging auf und ich war im dritten Stock. Nach ein paar Metern war ich auch schon an der Tür Nummer 87. Ich war noch nie so oft hintereinander hier gewesen und das sollte auch besser nicht zu Gewohnheit werden. Ich klopfte und wartete, bis ich eine Stimme >herein< sagen hörte. Kathi lag auf dem Bett das in der Mitte des Raumes stand.

Sie hatte ein Einzelzimmer mit Fernseher und einem Ausblick in die Stadt rein. „Lucy!", begrüßte sie mich. Schnell zog ich sie in eine Umarmung - so gut es ihre Verletzungen zuließen. Ich erzählte ihr was für Sorgen ich mir gemacht hatte und fragte wie es ihr ging und was die Ärzte sagten. Wir redeten ein bisschen doch dann sagte sie auf einmal nichts mehr.

„Alles okay?" Fragte ich und strich über ihren Arm. Sie sah mich an, als wüsste sie nicht ob sie es mir sagen sollte. „Ich habe eine Nachricht bekommen, während ich gefahren bin... Es war eine Drohung. Ich sollte aufhören zu suchen, aber ich weiß nicht was gemeint war. Und dann war plötzlich alles schwarz." Kathi bekam auch Nachrichten? Aber warum?

Sie dachte doch immer noch dass Jana sich umgebracht hatte. Vielleicht hat der Mörder gedacht, dass ich ihr es erzählt haben könnte. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, also strich ich weiter über ihren Arm. „In der Nachricht stand auch das... Ich umgebracht werden würde, wenn ich ein Wort über Jana verliere." Mein Blut gefror in meinen Adern. „Was soll das heißen?", fragte sie, aber es war eher ein laut ausgesprochener Gedanke. „Jana, hat sich nicht umgebracht", flüsterte ich.

„Was meinst du?", fragte Kathi erschrocken. Jetzt erzählte ich ihr alles was ich wusste und was passiert war - eingeschlossen den Zettel am Unfall Ort und dem Ring. Eine Träne kullerte ihr die Wange entlang. Es dauerte bis sie es verarbeitet hatte. Ihre Lippe zitterte, genau so wie der Rest ihres Körpers. Warum konnte es nicht einfach vorbei sein?

Ich konnte nicht mit trauernden umgehen. Ich konnte nicht mit komplizierten Sachen umgehen. Ich konnte nicht mit weinenden Menschen umgehen. Und das alles war gerade Teil meiner Welt. „Ich glaub das alles nicht! Wie kann ein Mensch so kalt sein?", fragte sie verzweifelt. Wir mussten uns beide beruhigen. Stille brach ein. Draußen war sie Sonne gerade am Aufgehen und es fing an zu nieseln.

„Du hast Mal gesagt, am Ende wird alles gut. Aber nichts ist gut!", brach Kathi das Schweigen. Ich stellte mich vor das Fenster und blickte Waycross an. Eine kleine Stadt, voller unwissenden und Lügnern. Darunter ein Mörder.

„Dann ist es auch noch nicht das Ende..."







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