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Während alle panisch raus rannten, huschte ich in das Büro des Bürgermeisters. Was wenn er oder sie den Schlüssel mitgenommen hatte? Nein! Einmal, wenigstens einmal Glück! Die Tür stand offen und ich betrat den großen weißen Raum. In der Mitte stand ein schwarzer Schreibtisch und dahinter mehrere Regale voll mit Akten und Büchern. Schlüssel, ich suchte nach Schlüsseln. Plötzlich fiel mir etwas Silbernes in einer Schale auf dem Tisch auf.

Überglücklich schnappte ich ihn mir und rannte runter zum Archive. Dann sah ich es. An dem Ring waren an die 100 Schlüssel! Was sollte der Mist? Hektisch versuchte ich jeden in das Schloss zu drehen. Fehlschlag. Fehlschlag. Fehlschlag. Nach dem X-ten versuch, passte einer. Bei genauerem Hinsehen zweifelte ich kurz an meinem Gehirn und meinen Augen. Da stand in schwarzer Gravur Archive drauf.

Ich öffnete die Tür und kam in einen großen Fensterlosen Raum. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie merkten dass es ein Fehlalarm war oder die Feuerwehr kommen würde. Die Ordner waren nach dem Alphabet angeordnet. W wie Waffenschein. Volltreffer! Ich nahm die Listen und steckte sie unter mein Shirt. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen eine Tasche mit zunehmen. Wie 007 hinterließ ich keine sichtbaren Spuren und schloss die Tür wieder hinter mir.

Auf dem Rathausplatz waren die ganzen Angestellten und warteten, genau wie Joe und ein paar andere unbekannte Leute. Dann sah ich Officer Reiser. Oh Mann! Ich musste hier irgendwie raus, und zwar ohne gesehen zu werden! Dann fiel mir der Hinterausgang der natürlich, wie sollte es auch anders sein, abgeschlossen war, ein. Doch dann wurde mir bewusst, dass sich der Schlüssel noch in meiner Hosentasche befand. Auf einem Roten Schlüssel stand in grüner Schrift Exit und er passte auch.

Doch es würde auffallen wenn er nicht mehr in der Schale liegt. Gerade als ich zurück wollte, hörte ich Schritte und Stimmen in der Eingangshalle. Aus Reflex schmiss ich den Schlüsselbund in den Blumentop, der neben der Tür stand. Wie eine irre rannte ich über den hinteren Hof quer durchs Gebüsch zum Parkplatz. Wie zuvor war mein Wagen der einzige. Ich fuhr so schnell ich konnte und bog gleich Richtung Krankenhaus sb. Kathi sollte mir helfen die ganzen Akten durch zu schauen. Alleine war es langweilig und sie hatte eh nichts zu tun...

Mit gesenktem Kopf betrat ich das Gebäude und ging direkt zu Kathi. „Hey! Na wie lief es?", fragte sie total aufgeregt. „Gut, ich habe die Akte", antwortete ich schnell. Zuerst wollte ich ihr die Sache mit Joe erzählen, aber dann würden wir vom Thema abkommen und im Streit landen. Kathi war der Meinung für Jungs wäre immer Zeit. „Also dann lass uns anfangen. Was schätzt du wie lange wir brauchen?", wollte Kathi wissen.

Ich blätterte einmal durch den Ordner uns seufzte. „Jahre?" Sie zog ihr Gesicht zu einem Grinsen. „Oh, übrigens war Margret nochmal hier und sagte da du kein Handy mehr hast, dass sie schon mal nach Hause gegangen ist." Ich nickte nur und gab Kathi eine Hälfte der Blätter. Es waren verdammt viele Namen. Doch schon bei >A< kam ich zu einem Halt. „Armstrong? So heißt doch Derek!" Es gab mehrere Einträge. „Schau mal, Mr. John Armstrong ist doch unser Lehrer?" Kathi legte einen perfekt manikürten Nagel auf den Namen.

„Ja, aber das hilft uns nicht weiter..." Sie zuckte mit den Schultern. Mein Blick fiel auf die tickende Wanduhr. 19:12 Uhr. Ich war nicht müde, sondern er hellwach. Ich hatte einfach keine Lust mehr hier rum zu sitzen und Akten durch zu stöbern. Seit langem habe ich nicht mehr gefeiert oder getanzt. Wer weiß, wann ich das letzte Mal etwas getrunken hatte? Ein piepen riss mich aus meinen Gedanken. Kathi nahm ihr Handy und ging ran. „Hey, was gibt's?" Sagte sie leicht genervt. Wer war wohl am anderen Ende der Leitung?

„Was?! Okay, danke Mama. Ja... Ja... ich weiß... Bis morgen." Sie legte auf und sah mich ernst an. Plötzlich wusste ich dass ich diese Akten noch heute Abend durch suchen musste, weil mir die Zeit fehlte. „Meine Mutter hat mir Bescheid gegeben, dass du offiziell als Vermisst gemeldet bist." Scheiße! Ich atmete tief ein und wieder aus. >Lass dich nicht aus der Ruhe bringen, sondern folge immer deinem Instinkt. Eine Seele kann nur leben, wenn sie geführt wird, und zwar von dem Besitzer<.

Jana hatte mir mal eine Übung zum Stressabbau gezeigt. Naja, viel brachte es nicht... „Dann Los", flüsterte ich und fühlte mein Herz schneller schlagen. Die anderen Namen die ich kannte, oder mir zu mindestens Bekannt vorkamen, schrieb ich auf einen Zettel:

Armstrong - Dereks Famile, Shay - Maries Familie, King - Joys Familie, Ramirez - Saskias Familie, West - Logans Familie, Gartmen - Joes Familie, Johnson - Leos Familie, Mosbey - Alex Familie, Jenkins - Jasons Familie, Stevenson - Blakes Familie und Miller - Wyatts Familie.

Sie waren alle in meiner Klasse und zählten zu meinen Freunden. Nicht zu irgendwelchen, sondern zu denen mit denen man wirklich was erlebt hatte. Könnte einer von ihnen im Stande sein ihre Klassenkameradin zu erschießen? Sie waren gerade mal zwischen 17 und 18 Jahren, wie ich eben. Auf einmal fiel mir ein, das es mit dem nächsten Tag, nur noch ein Tag dauerte, dann musste ich nicht mehr vor der Polizei weglaufen, sondern konnte für mich selbst reden.

Ich würde meine eigenen Entscheidungen treffen und sie auch durchsetzen. Meine Eltern könnten mich weiterhin für irre halten, aber sie könnten mich nicht in Therapie schicken. „Okay, was jetzt?", fragte ich Kathi die schon im halb Schlaf war. „Keine Ahnung. Wir... Du solltest jetzt direkt mit Derek reden. Zur Polizei können wir nicht, was wenn es nicht wahr ist?" Klar sie hatte Recht, aber da war ein Gefühl in mir das strikt >NEIN< schrie! „Ich habe Angst...", gestand ich leise. Kathi schaute mich an und legte einen Arm um mich.

„Ich weiß, und das ist okay. Aber rede mit ihm auf dem Pausenhof, da kann er dir in der Öffentlichkeit nichts machen", sagte sie, was mir ein wenig Mut machte. „Okay, was mach ich dann Morgen? Wann wirst du entlassen?", fragte ich sie. „Oh, das hab ich vergessen! Meine Werte waren so gut, dass mich meine Mutter morgen früh abholt", quietschte sie los. „Kathi, ich bin so froh dass es dir gut geht! Ich hab dich so lieb... Du bist der einzige Mensch der mir bleibt."

Meine Worte waren mein voller Ernst. Gefühle offenbaren waren noch nie so meine Stärken, weshalb sie eine kleine Träne kullern ließ. „Ich dich auch! Und jetzt verpiss dich bevor ich einen Fluss mit Tränen füllen kann." Auch wenn das nicht gerade liebevoll war, bedeuteten diese Worte mehr, als alles andere. Und keine Worte hätten mir mehr Freude bereiten können.

Ich verließ das Gebäude und hörte nur noch den Verkehr. Mittlerweile war ich doch müde, und setzte mich in mein Auto um los zu fahren. Bei meinen jetzigen Zuhause angekommen, war ich Gott froh hier zu sein. Margret saß auf ihrem Sofa und schaute einen Film. „Oh, da bist du ja, Lucy", lächelte sie mir entgegen. „Habt ihr etwas rausgefunden?", fragte die mir bis vor einem Tag unbekannte Frau. Natürlich erzählte ich ihr alles und sie hörte aufmerksam zu. „Du bist kriminell", sagte sie ein einem belustigten Ton.

Plötzlich hob sie ihren langen Zeigefinger. „Ich habe erfahren, dass du am Samstag Geburtstag hast..." Fing Margret an. „Und, naja. Wir werden auf das Gründerfest gehen und Spaß haben." Ich musste los lachen. "Wie soll das denn gehen? Ich bin offiziell vermisst, dann soll ich auf die Party, auf der ganz Waycross sein wird?" Margret schlug ein Bein übers andere.

„Unser Plan, hängt im Esszimmer vorm Fenster." Sie lächelte und machte keine Anstalt mich aufzuklären. Total neugierig, was dieser Hippie vorhatte ging ich in das Esszimmer. Vor dem Fenster hingen zwei Kleider - eher gesagt Kostüme - die aus dem Mittelalter hätten sein können. Dazu lagen passende Schuhe und Masken auf der Kommode. Mein Blick wurde von dem Silbernen Papier angezogen, das neben den dunkel roten Pumps lag. Darauf stand in einer schrägen Schreibschrift:

Einladung zum Masken - Mittelalter Festival zu Ehren unsere Stadt.

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