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Die Einladung war mit der Zeitung gekommen, wie immer wenn in Waycross eine offizielle Feier stattfand. Ich betrachtete die Kleider und strich leicht über den sanften Stoff. Es war ein roter Stoff der mit weißen Fäden an einen weißen Unterrock genäht wurde. Wo konnte man so etwas Antikes überhaupt kaufen? „Du kannst in Ruhe feiern und genießen das du jung bist, ohne dass jemand was bemerkt, da du eine Maske tragen wirst." Margret tauchte hinter mir auf und tätschelte meine Schulter. Vielleicht, war es genau das, was ich brauchte?

Einfach mal die Sorgen vergessen und raus gehen. „Das klingt toll", gab ich zu und seufzte. „Es ist nicht normal dass man in deinem Alter schon so eine Last mit sich herumtragen muss..." Seufzte sie. Doch ich hatte mich noch nie gefragt wie es jetzt wohl wäre, wenn mich Liam damals nicht nach der Beerdigung gefunden hätte. Er wäre tot und ich wäre nie auf die Idee gekommen das Jana keinen Selbstmord begonnen hatte, denn ich wäre nicht zu den Collins gegangen und somit hätte ich auch ihr Tagebuch nie gefunden. Aber ich bereute es nicht!

Jana war meine beste Freundin, und ich musste die Wahrheit raus bekommen, selbst wenn es bedeutete ein - mein - normales Leben aufzugeben. „Ich gehe dann mal duschen", teilte ich Margret mit. „Ja, aber dann ziehe dir bequeme Klamotten an und komm runter, ich habe eine Überraschung." Verwundert ging ich hoch und sprang unter die Dusche. Jetzt mit ihr zu diskutieren und zu fragen, was die Überraschung war, würde den Abend ins Verderben stürzen. Ich war fertig und zog eine Jogginghose und ein graues Shirt an. Unten angekommen, wartete Margret schon mit dem Autoschlüssel auf mich. „Fahren wir wo hin?" Wollte ich wissen.

„Nein, ich habe mich umsonst angezogen und halte den Schlüssel nur zum Spaß in der Hand." Der Sarkasmus war kaum zu überhören... Ohne weitere Worte folgte ich ihr zum Auto. Im Radio lief ein leises Lied und das Display am Armaturenbrett zeigte 21:40 Uhr. Wo wollte sie um diese Uhrzeit denn noch mit mir hin? Meine Frage wurde beantwortet als wir vorm Spa hielten. „Bevor wir aussteigen, schau mal auf den Rücksitz." Ich blickte auf den schwarzen Ledersitz und sah ein Handy. „Es nicht das neuste Modell, aber es funktioniert noch. Kathi hat ihre Nummer schon ein gespeichert und meine ist ebenfalls drinnen.
Die Karte läuft auf mich, niemand weiß dass du es bist."

Das Smartphone war schon mit Kratzern übersäht, doch dies war mir sowas wie von egal. „Wow! Danke, danke, danke!", quietschte ich. Wie benommen stieg ich aus dem Auto. Welcher Mensch hatte Heutzutage so eine reine und gute Seele? Noch dazu hatte sie gerade schlimme Neuigkeiten erfahren...

„Jetzt entspannst du dich erst mal. Ich habe einen Termin für dich gemacht, unter meinem Namen. Ich sage nur Schlammmaske und Massage!" Ich konnte es nicht fassen. Meine bald 18 jährigen Schultern waren ausgeleiert und am Ende. „Margret... Ich-" Sie winkte mit der Hand ab. „Du entspannst dich richtig! Bedanken kannst du dich später. Ich hole dich um 23 Uhr wieder ab. Viel Spaß." Sie strahlte mich an und machte schon kehrt.

Irgendwas sagte mir das diese Frau mir nicht nur half, weil sie mich verstand, sondern es hatte einen viel intensiveren Grund. Doch Margret würde es mir sagen, wenn sie so weit war. Überglücklich betrat ich das Spa. Es war eine große Empfangshalle mit einem leicht orangenen Licht. Die gesamte Atmosphäre war entspannt, wozu auch der kleine Brunnen in der Mitte beitrug. „Guten Abend, ihren Namen bitte." Die Frau an der Theke kam eindeutig aus einem südlichen Land und hatte eine erstaunlich angenehme Stimme. „Collins", antwortete ich und nickte freundlich.

„Bitte folgen sie mir doch." Die Frau kam hinter der Theke hervor und lief in Richtung eines großen Torbogens. In der Luft lag ein Hauch von Chlor und im gesamten kam ich mir wie im Schwimmbad vor. Als ich in einen dunklen beleuchtetem Raum stand freute ich mich auf die Massage. Das war genau das was ich jetzt brauchte. In der Mitte des Raumes stand eine Liege und überall an den gelblichen Wänden standen Bambusbäume. Ein kleiner Salzgeschmack machte sich in der Nase breit, was ich allerdings genoss. Sie deutete mir meine Klamotten auszuziehen und legte ein Handtuch auf ein Beistelltisch. Während ich mich meinen Kleidern erleichterte, wartete sie kurz vor dee Tür und kam wieder rein als ich fertig war.

„In kürze kommt Rose, ihre Massörin", erklärte mir die Frau und verschwand danach auch sofort wieder. Ich legte mich auf den Bauch auf die besagte Liege und ging heute nochmal meinen Tag durch: Zuerst einmal hätte ich fast eine Waffe gekauft, dann wurde ich offiziell als vermisst gemeldet, und als ob das nicht genug wäre versetzte ich viele Menschen in Angst, und klaute nebenher noch Sachen der Stadt Waycross.

Das ich den süßesten Jungen der Welt abblitzen ließ, war nur ein kleiner Pluspunkt. Ein ganz normaler Tag einer fast 18 Jähriger. Plötzlich ging die Tür auf, und eine kleiner dünne Frau kam herein. „Guten Abend, ich bin Rose", begrüßte sie mich. Ich nickte ihr freundlich zu und verreit meinen Namen. In diesem Spa hieß ich ab jetzt wohl Kira. Einst hieß meine Katze so, doch sie wurde nach 3 Tagen in Familie Hamilton überfahren...

Rose begann mich am Rücken zu massieren. Scheiße tat das gut! Ich wurde immer müder und müder und war kurz vorm Einschlafen... Meine Mutter sagte immer, dass dies bei einer guten Massage normal wäre. Bevor ich meinen Augen sagen konnte sie sollen gefälligst offen bleiben, flogen sie schon zu...

Die Luft war angenehm kühl und die Straße war voll mit betrunkenen und lachenden Leuten. Ich war auf dem Gründerfest, mitten in der Stadt. Alle tanzten, die Musik kam aus den Lautsprechern und die Stimmung war einfach spitze. Am liebsten hätte ich mich der feiernden Meute angeschlossen, doch da sah ich eine junge Frau, die mich anstarrte. Sie kam mir unendlich bekannt vor...

Auf einmal machte sie eine Handbewegung, dass ich zu ihr kommen sollte. Warum? Wer war sie? Kannten wir uns? Meine Neugier brachte meine Füße zum Laufen. Je näher ich ihr kam desto mehr Verdacht hatte ich, wer es war. „Jana, was machst du hier?", fragte ich sie verwirrt. Sie zog ihre Maske ab und schaute mich an. „Du bist tot."

Sie lachte einmal auf und schaute mich mitfühlend an. „Denkst du das weiß ich nicht? Aber du, Kathi und ich wissen, dass es nicht meine Entscheidung war, diese Welt zu verlassen." Ihre Augen sahen mich durchdringlich an. „Warum bist du hier?", fragte ich erneut.

Es war schön sie mal wieder zu sehen aber dennoch etwas komisch. >Tote bleiben im Reich der Toten<. „Euch helfen. Also was denkst du-" Sie drehte ihren Körper in Richtung der Leute die entweder tanzten oder noch mehr Sekt in sich schütteten. „- wer war es?" Schockiert sah ich Jana an. „Sag du es mir", konterte ich. „Lucy, das würde aber sonst kein Spaß machen." Ein kleines Lächeln überzog ihr Gesicht. Unsere Klassenkammeraden waren auch anwesend und tanzten in einem Kreis. Ich zeigte auf Derek. Als von Jana keine Reaktion kam, dachte ich dass sie mir damit sagen wollte, dass Derek ihren Tod nicht zu verantworten hatte. Doch sie nahm sich ein Glas Sekt von einem der Stehtische und drehte sich wieder zu mir. „Lucy, mein Mörder ist-„

Little SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt