3. Kapitel

119 7 0
                                    

Ich sehe besorgt zu Leila und frage mich, ob ich nicht hätte absagen sollen. Seit wir in Seattle angekommen sind, ist sie hypernervös. Und das liegt bestimmt nicht nur an der Ausstellung. Sonst ist sie eher ruhig, gelassen und ausgeglichen – aber im Moment passen Adjektive wie schreckhaft, panisch und übersensibel besser. Ich liebe sie und mache mir Sorgen. Sehr viele, wenn ich ehrlich bin. Wovor hat sie nur solche Angst? Ihr kann nichts passieren und ich bin ständig an ihrer Seite. Dieser Kerl – ich weiß nicht mal seinen Namen – muss ein echtes Arschloch sein. Besser, er läuft mir nicht über den Weg.

Für die Ausstellung haben wir nur Bilder gewählt, die Leila als Person nicht erkennen lassen, aber sie ist das zentrale Thema und als wir uns die Arrangements heute angesehen hatten, waren wir beide begeistert. Die farbenfrohen Werke von ihr, zum Teil auch auf meinen Fotos verewigt, dazwischen die Bilder, die mit Kontrast in Schwarzweiß und farbigen Elementen spielen – es ist perfekt.

Das Bild von ihrer Hand, wie sie malt, nur die Farbkleckse auf ihrer Haut in Farbe entwickelt, ist eins meiner liebsten Bilder. Daneben hängt das Bild des Meeres vom Pier und die geschickt farblich abgestimmte Positionierung ergänzen unsere Werke und machen die Ausstellung einzigartig. Zudem scheint es ein Blick auf unsere Beziehung zu sein, so viele Gegensätze, die sich dann doch zu einer riesigen, harmonischen Einheit verbinden. Ich hoffe, der Ring in meiner Hosentasche wird das nach der Ausstellung heute besiegeln und bin auch ein klein wenig aufgeregt deswegen. Okay, mehr als nur ein klein wenig. Ich will sie an meiner Seite – obwohl sie sich immer noch ein wenig unsicher ist, ob ich es ernst mit ihr meine. Sie hat Verlustängste, die ich ihr nicht nehmen kann und in ihrer Vergangenheit begründet sind. Vielleicht hilft eine Hochzeit einige davon zu negieren, ich kann mir zumindest kein Leben mehr ohne sie vorstellen. Und ich will es auch gar nicht.

Jetzt steht sie vor dem Spiegel und ich bewundere ihre langen schlanken Beine und das knallrote Kleid mit den weißen Punkten, das sie für heute gewählt hat. Es passt zu den Bildern und der schwingende Rock mit dem Blusenoberteil wirkt zeitgleich züchtig und erotisch. Ich werde bestimmt aufpassen müssen, dass sie nicht zu sehr bedrängt wird, sie ist einfach eine wahnsinnig attraktive Frau. Allerdings eine, die nur Augen für mich hat.

Sie dreht sich überkritisch hin und her, eine Aphrodite, die selbst nicht sehen kann, was ich und alle Männer wahrnehmen werden.

„Schatz, du siehst super aus. Nicht nervös sein", versuche ich sie zu beruhigen.

Sie dreht sich zu mir um und das erste Mal seit unserer Ankunft hier schenkt sie mir ein halbwegs entspanntes Lächeln.

„Du siehst gut aus, José. Ich werde die Frauen mit einem Stock vertreiben müssen", sagt sie und ich grinse verlegen.

Die schwarze Hose und das weiße Hemd – ebenso wie Leilas rot-weißes Kleid – waren Vorschläge von Greta, um unsere Optik an die Exponate anzupassen. Ich bin gespannt, wie Leilas Bilder ankommen werden, es ist ihre erste Ausstellung, für mich ist es schon ein wenig relaxter.

„Wir müssen los, wir sollten rechtzeitig da sein, sonst schickt Greta die Bluthunde los", sage ich und taste unauffällig nach dem Ring in meiner Hosentasche.

Ich will ihr nach dem heutigen Abend endlich die entscheidende Frage stellen und bin auch deshalb weniger wegen der Ausstellung nervös. Ich wäre froh, der offizielle Teil wäre schon vorbei.

Ein Wagen wartet und bringt uns stilvoll vom Hotel zur Galerie. Noch sind keine Gäste anwesend, die Ausstellung beginnt erst in einer Stunde. Eigentlich wollte ich Leila noch sagen, dass sie heute endlich meine beste Freundin kennen lernt, Ana hat schon seit einigen Wochen gequengelt, dass sie die Frau sehen darf, die mich eingefangen hat. Allerdings wollte Leila da noch nicht mit nach Seattle kommen und Ted ist noch zu klein für eine Reise. Mal abgesehen davon, dass Christian bestimmt seine Frau und sein Kind nicht zu mir gelassen hätte, ohne mitzukommen oder zumindest in der Nähe zu sein. Allerdings war Leila seit gestern so angespannt, dass ich beschlossen habe, dass ein zwangloses Treffen besser ist. Wenn sie sich noch Sorgen machen müsste, dass sie jemanden kennen lernt, der mich mag, wäre Leila wohl noch unruhiger gewesen. So werden sie sich einfach auf der Ausstellung über den Weg laufen.

SchicksalsfarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt