Kapitel 5 - Bri

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Bri

Nach Atem ringend falle ich zu Boden.

Ich bin endlich dort angekommen, wo ich hinwollte.

Nach all dem Trubel brauchte ich unbedingt ein bisschen Einsamkeit, um mich zu ordnen. Und dafür ist dieser Ort wie geschaffen.

Meine Unterschenkel schmerzen so sehr, dass ich ein Stöhnen nur schwer unterdrücken kann.

Ich bin lange nicht mehr gelaufen - dafür ist der Winter einfach nicht die richtige Jahreszeit – und daher außer Form. Normelerweise schaffe ich diese Strecke in weniger als fünfzehn Minuten. Heute habe ich bestimmt zehn Minuten mehr gebraucht.

In dieser Gegend von Distrikt 12 lebt keine Menschenseele und es kommt daher in der Regel auch niemand vorbei. Ein paar dichte Sträucher und Bäume verbergen einen trotzdem vor fremden Blicken. Ideale Vorraussetzungen für geheimes Messerwerfen. Natürlich nicht ganz geheim, früher habe ich mit Sam hier trainiert...

Nein, nicht an Sam denken!

Die Entscheidung hierher zu kommen war absolut richtig.

Aber er sah so froh aus, als er mich gesehen hat...

Stopp, Stopp, Stopp! So geht das definitiv nicht weiter!

Um auf andere Gedanken zu kommen, fixiere ich meinen Übungsbaum, der von den Messerwürfen deutlich gezeichnet ist.

Überall auf dem Stamm sieht man die Einkerbungen von meinem Messer. Und da gibt es diese eine bestimmte Stelle, die besonders betroffen ist. Nicht in der Mitte, sondern weiter links auf Schulterhöhe klafft ein tiefes Loch.

Das ist mein Ziel. Das ist das Ziel, dass ich so selten verfehle, dass man sagen könnte, ich würde immer treffen.

Ich bin immer noch so außer Atem, dass ich mich auf den Bauch rolle und meine rechte Wange auf das kalte Gras lege.

Der Schnee ist dieses Jahr erstaunlich früh wieder verschwunden, doch die Kälte ist auch ohne Schnee schon unangenehm.

Der heutige Tag war der erste halbwegs warme - obwohl das jetzt wieder übertrieben ist – Tag und ausgerechnet heute musste das Kapitol das Jubeljubiläum ausrufen.

Es passt ihnen ziemlich gut in den Kram, am ersten Frühlingstag, der allen Hoffnung schenkt, eine solche Nachricht zu verkünden.

Und Haymitch...

Die alte Rapper kann sich vielleicht jetzt schon auf einige hungerfreie Tage freuen. Die Schwarzmarkthändlerin verkauft Schnaps und den kann Haymitch gerade sicher gut gebrauchen.

Es ist sehr verwirrend. Auf der einen Seite kann ich Haymitch wirklich nicht ausstehen, aber auf der anderen leide ich mit ihm. Nicht, dass ich auch nur ansatzweise verstehen könnte, was er gerade durchmacht!

Erschöpft schließe ich die Augen und versuche an nichts zu denken.

Nichts.

Doch ich kann meine Gedanken einfach nicht ausstellen.

Sie prasseln erbarmungslos auf mich ein und wollen nicht aufhören mich zu bedrängen.

Bitte nicht Sissley! Bitte nicht Sissley! Bitte nicht Tricia! Bitte nicht Cathy!

und

Bitte nicht Sam!

Keine Ahnung, woher ich die Kraft nehme, um mich aufzusetzen und meinen rechten Stiefel aufzubinden. Ich weiß nur, dass ich mein Messer so oft in den Baum versenken möchte, wie ich fähig bin.

The Hunger Games - Das dritte Jubeljubiläum *On Hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt