Kapitel 7

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Als erstes machte Brynjolf mit mir einen Rundgang, denn die zersplitterte Flasche war nur ein Teil des Verstecks der Diebesgilde. Es gab einen geheimen Durchgang durch einen Vorratsschrank, durch den man in die Zisterne der zersplitterten Flasche gelange konnte. Dies war ein großer Raum an dessen Wänden Regale aufragten und vor denen Betten standen. In kleinen Einbuchtungen gab es Schmiedebedarf und einen Tisch an dem man Alchemistische Tränke brauen konnte. Doch der ausgeleuchtete Innenraum, der von dem Rand des Raumes durch einen Kreisrunden Kanal getrennt war, wirkte am mächtigsten. Am Ende des Raumes, von der Seite aus wie wir sie betrachteten, gab es einen großen Schreibtisch und einige Vitrinen, offensichtlich war dies der wichtigste Ort der Diebesgilde. Der Anführer saß dort sicherlich stundenlang und ordnete Aufträge und Informationen Dabei fiel mir ein, dass ich noch gar nicht wusste, wessen Organisation ich mich hier angeschlossen hatte. „Brynjolf, wenn du nur für die Rekruten zuständig bist, wer ist dann der Anführer dieser Gilde?" fragte ich ihn leise, da in diesen Hallen jedes einzelne Wort so stark widerhallte, dass man sich kaum ungestört unterhalten konnte. „Unser Gildenmeister agiert lieber im geheimen und ist nicht sehr oft bei uns. Ich bin sein Stellvertreter und daher solltest du auch auf mich hören!" sagte er und grinste am Ende seines Satzes. „Wenn du dich gut anstellst, wird er dich sicher bald schon besuchen kommen..." sagte er noch, dann stellte er mir einige Mitglieder vor und zeigte mir die freien Betten, von denen ich eines sofort beschlagnahmte, indem ich meine Tasche darauf platzierte. Es war nah am Ausgang gelegen aber immer noch nah genug an dem kleinen Schießstand, der ebenfalls in dieser unterirdischen Zisterne zu finden war. Ich lernte flüchtig einige Gildenmitglieder kennen: Saphir, eine Nordfrau die gerade ihre Rüstung polierte, ein geheimnisvoll wirkender Bretone namens Cynric Endell, der mir sofort anbot mich im Schlossknacken zu unterrichten wenn ich Zeit hatte und der Dunmer Ravyn Imyan, der selbst geflohen war als der Rote Berg ausgebrochen war. Ich nahm mir fest vor, mich mit ihm noch mal genauer zu unterhalten, aber Brynjolf hielt mich dazu an mir meine Diebesgilden-rüstung von Tonilia zu holen. Dementsprechend ging ich erst zurück in die zersplitterte Flasche, ehe ich mich in meinem neuen Wohnquartier ausbreiten konnte. Tonilia war eine Hehlerin und eine der rothwardonischen Mitglieder der Gilde. Sie war eindeutig eine starke Frau, die mir sofort klar machte, dass ich die Finger von dem Wirt 'Vekel dem Mannhaftem' lassen solle. Ich musste bei seinem Namen ein Grinsen vertuschen, aber ich hatte besseres zu tun als mich auf jemanden einzulassen, den ich erst seit kurzem kannte. Unter anderem interessierte mich Vekel überhaupt nicht, auch wenn er eine freundliche Art an sich hatte. Ansonsten war Tonilia aber wirklich nett, sie gab mir meine neue Lederrüstung und sagte, dass sie sich über den Zuwachs in der Gilde freue. Ihr Ton klang rau und kalt, aber ihre Worte machten das wieder wett. Ich fühlte mich immer noch wie ein Ausstellungsobjekt für die anderen Mitglieder der Gilde, da sie mich pausenlos mit den Augen verfolgten. Die Rüstung schmiegte sich wie eine zweite Haut an meinen Körper und bot mir dennoch guten Schutz. Statt einem Helm hatte ich eine Kapuze bekommen, die ich mir tief ins Gesicht ziehen konnte, damit man mich nicht erkannte. Die Rüstung passte perfekt und ich konnte mich auch noch gut darin bewegen. Das Leinenkleid faltete ich und legte es in eine Schublade des kleinen Schränkchens, das neben meinem Bett stand. Kurz zögerte ich, dann nahm ich allerdings den Ring heraus und steckte ihn in eine der Gürteltaschen. Zufrieden setzte ich mich auf das Bett, hier hatte ich wirklich einen guten Platz gefunden. Ulfric würde mich nie finden.

Es war spät in der Nacht, ich hatte in der zersplitterten Flasche etwas gegessen und mir vom Wirt etwas über die Vergangenheit der Diebesgilde erzählen lassen. Zu meiner Verwunderung wusste er selbst nicht mal genau, wer der Anführer der Diebesgilde war. Er oder Sie habe sich zwar schon ein paar mal in der Zisterne der zersplitterten Flasche gezeigt, aber wirklich Kontakt hatte nur Brynjolf mit ihm oder ihr gehabt. Man munkelte, dass diese Person eine öffentliche Person war, ansonsten würde sie auch hier bei den anderen Dieben leben oder sich zumindest denen zeigen. Aber der Gildenmeister war geheimnisvoll wie die Gilde selbst. Vekel erzählte, dass es vor hunderten von Jahren in Cyrodiil schon mal so einen Gildenmeister gab. Er habe selbst nur davon gehört, aber damals soll es in der Hauptstadt der Kaiserlichen auch eine Diebesgilde gegeben haben, die von einem Anführer geführt wurde, der sich niemals zeigte. Er wurde 'der Graufuchs' genannt, da er eine graue Kutte und eine graue Maske trug. Er sollte angeblich unsterblich sein, aber die meisten glaubten, dass er seine Stellung abgab, wenn er zu alt wurde. Der neue Graufuchs führte die Gilde wieder so lange, bis er selbst zu alt geworden war. So konnte der Graufuchs mehrere hundert Jahre 'leben'. „So in etwa ist das auch bei uns der Fall..." hatte Vekel gesagt, aber Tonilia war dazwischen gegangen und hatte nicht nur dafür gesorgt, dass ich nicht mehr mit Vekel alleine war, sondern auch, dass ich ihre Eifersucht deutlich zu spüren bekam. Ich musste mir ein Kichern verkneifen, doch dankte Vekel schnell für die Geschichten und beschloss mich hinzulegen. Doch dies hielt wirklich nicht lange an, ich hatte gerade mal ein paar Stunden geschlafen, da wurde ich von einer bekannten Stimme geweckt. „Aufwachen, Mädchen!" sagte eine Stimme dicht neben meinem Ohr. Ich erschrak erst, dann grummelte ich nur etwas und stieg aus dem Bett. Brynjolf hatte sich über mich gebeugt und lachte fies. „Als Dieb kannst du nicht immer nur faulenzen, wir haben einen Job für dich!" sagte Brynjolf. „Schließlich ist es Nacht und um diese Zeit verbergen dich die Schatten am besten." sagte er und drehte sich um. Ich war zwar noch nicht ganz wach, aber folgte Brynjolf in die zersplitterte Flasche. „Delvin Mallory und Vex vergeben die kleineren Aufträge, einfach Diebstähle, Raubzüge oder Bilanzfälschungen zum Beispiel." sagte Brynjolf. „Ich würde sagen, beim ersten Mal gehst du noch bei jemandem mit, danach kriegst du das auch alleine hin." er grinste. „Größere Aufträge kriegst du nur dann, wenn ich einen für dich habe." sagte er noch und setzte sich sofort an die Theke. „Vex, nimm Rayna doch heute mal mit!" sagte er in die Richtung der blonden Kaiserlichen. Ich hatte gehört wie Brynjolf und Delvin sie ein paar mal 'unsere kleine Vex' genannt haben und ich war ziemlich froh, dass nicht nur ich einen Spitznamen bekommen hatte.

Brynjolf drehte sich um, ohne auf Vex Antwort zu warten und bestellte bei Vekel einen Met. Ich selbst ging zu Vex hinüber, die schon die Augen verdrehte. „Alles klar, Neuling. Wir haben einen einfachen Auftrag, hier, in Rifton. Wir müssen uns Respekt bei Haelga verdienen, sie leitet eine Herberge. Es ist ein ganz normaler Raubzug: einbrechen, ausräumen und wieder abhauen." sagte sie und sah mich dann schief an. „Du bist nur zum tragen der Taschen da, klar? Ich lasse mir nicht von einem Neuling wie dir den Auftrag vermasseln." sagte sie und verschränkte die Arme. Nettes Arbeitsklima, dachte ich, doch nickte einfach nur. Wenn sie so mit mir redete, war ich ihr keine ausgesprochene Antwort schuldig. „Na dann!" sagte Vex und reichte mir einen großen Rucksack und nahm sich selbst einen. Als wir los gingen, verstand ich langsam, warum sie so genervt war. Sicherlich war sie vom Charakter her nicht die offenste und freundlichste Person, aber ich bemerkte Delvins Blicke, ich wäre selbst genervt gewesen wenn mich so ein alter Mann die ganze Zeit angaffen würde. Ich schüttelte den Kopf um die Gedanken zu vertreiben und folgte Vex wieder in die Zisterne, von dort aus gab es einen Geheimgang nach draußen. Wir kamen in der Nähe der Talos-Statue raus und schlichen sofort hinter den Häusern entlang. Die Wachen sahen uns nicht als wir von Wand zu Wand schlichen oder von Balkon zu Balkon sprangen. Langsam und leise schafften wir es zur Tür von Helgas Herberge. Es war mitten in der Nacht und die Herberge hatte geschlossen, das sah man nicht nur daran, dass alle Lichter aus waren, sondern auch ein Schild wies darauf hin. Vex brauchte nicht länger als einen Wimpernschlag um die Tür mit dem Dietrich zu knacken, schließlich war sie Meistertrainerin im Schlossknacken. Kaum war die Tür geöffneten, schlüpften wir hindurch und fanden uns vor der Rezeption der Herberge wieder. „Ich räume die Kasse aus und du gehst ins Schlafzimmer, wehe Haelga wacht auf!" flüsterte sie und machte sich sofort an den Schubladen des Tresens zu schaffen. Ich öffnete die Tür hinter der Theke und befand mich im Schlafzimmer von Haelga. Es war ruhig darin und ich sah eine Frau mittleren Alters im Bett schlafen. Sie schlief tief und fest, dennoch riskierte ich nichts und setzte langsam und leise einen Fuß vor den anderen. Ich kam an einer Truhe an, in der die Frau eine Rüstung aufbewahrte. Nichts besonderes, eine leichte Lederrüstung, aber zusätzlich fand ich einige Stahldolche, die sicherlich etwas wert waren. Nun bemerkte ich erst, wie seltsam der Raum eingerichtet war. Es stand eine Dibella-Statue auf einer Art Altar, drum herum waren Blumen verstreut. Die Anbetung der Dibella lies einiges auf ihr Liebesleben schließen, aber ich kümmerte mich lieber um die Tränke, die auf einem Regalbrett standen. Die würden sich auch gut verkaufen lassen, oder ich würde einige behalten, man konnte ja nie wissen, wozu man diese gebrauchen konnte. Ich bemerkte Vex, die ebenfalls im Schlafzimmer angekommen war, offensichtlich hatte sie erfolgreich die Einnahmen der letzten paar Tage eingesammelt und war zu mir hinauf gekommen. Sie machte sich selbst an einer anderen Kiste zu schaffen, die anscheinend verschlossen war, während ich versuchte einen Tresor zu knacken. Da in meinem Rucksack kaum noch Platz war, hatte ich die Tränke in die Seitentaschen des Gürtels gepackt. Natürlich hatte sich das Problem gestellt, dass der Ring nun einen anderen Platz brauchte – aber wozu war er ein Ring? Schnell hatte ich mir ihn an den Finger gesteckt und war überrascht gewesen, dass er wie angegossen passte.

Ich nahm einen Dietrich und meinen Dolch aus der Tasche, um das Schloss zu knacken. Es war ein Meisterschloss und das bemerkte auch Vex. „Lass das mal lieber, den kriegst du nie auf... ich komme gleich zu dir." sagte sie und schloss gerade ihre Truhe auf, in der sich wohl ein Haufen teurer Kleidung befand. Ich sah wieder zum Tresor, ich war vielleicht neu in der Diebesgilde, aber man sollte mich auf keinen Fall wie einen Anfänger behandeln. Als ich den Dietrich ins Schloss steckte und das Messer ansetzte, glühte plötzlich der Ring auf. Es war nur ein leichtes flimmern und weder die schlafende Besitzerin der Herberge, noch Vex hatten es bemerkt. Ich konnte zu meiner Überraschung das Schloss ganz leicht öffnen und als es ein Klicken von sich gab, sah sogar Vex erstaunt zu mir herüber. Das Flimmern war verschwunden, der Tresor war jedoch offen. Vex nickte mir anerkennend zu und wartete, bis ich den Tresor voller ziemlich übertriebener und hässlicher Ketten ausgeräumt hatte. Ich musste lächeln, offensichtlich war der Ring verzaubert. Ich würde ihn bald zu einem Schmuckhändler bringen und ihn nach der Verzauberung fragen, vielleicht wusste dieser ja, wobei mir der Ring noch alles helfen konnte. Ich hatte immer noch ein Lächeln auf den Lippen, als wir diesmal mit vollen Taschen durch die Nacht rauschten, vorbei an schlafenden Wachen, auf der Straße sitzenden Bettlern oder Betrunkenen, die auf der Straße herumlungerten. Dieser Ring hatte mir auf seltsame Weise gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg war. Alles was passiert war, hatte einen Grund, und wenn ich auch noch nicht wusste wohin der Weg führen würde, würde ich ihn gehen.

~ suddenly princess of skyrim ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt