Kapitel 2

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Eilig lief ich auf meinen Spind zu. Wie erwartet, war Amber schon weg. Normalerweise trafen wir uns vor der Schule immer an unseren Spinden, doch sie war anscheinend schon zu unserer ersten Klasse aufgebrochen. Sie war meine beste und einzige Freundin. Wahrscheinlich hätten wir uns nie kennengelernt, wenn ich ihr nicht Englisch Nachhilfe gegeben hätte. Sonst hätte sie mich womöglich auch niemals bemerkt. Nicht auszudenken. Dann hätte ich niemanden zum Lachen oder um mich über die dummen Hühner und Idioten aufzuregen, die es zur Genüge auf unserer Schule gab ...

Hastig packte ich meine Sachen zusammen und eilte zum Klassenraum in den ich gerade noch huschen konnte, bevor unser Lehrer in den Raum trat. „Tut mir Leid, dass ich zu spät bin, aber ich wurde von eurer Physiklehrerin aufgehalten", sagte er während ich mich auf den einzigen noch freien Platz neben Amber fallen ließ. Anerkennend grinsend formte sie stumm die Worte „Du siehst bombastisch aus." Dankbar nickte ich ihr zu und wandte mich schnell nach vorne, ehe der Lehrer noch bemerken würde, dass wir reden. Jedoch konnte ich mir dabei nicht das fette Grinsen verkneifen, das Ambers Worte bei mir auslösten. „Sie sagt ich soll euch daran erinnern, dass am Montag eure Physikaufsätze fällig sind.", fuhr er fort und ignorierte gekonnt das einvernehmlich stöhnen, dass durch die Klasse ging.

***

„Wie auch immer du das gemacht hast, mach es mir auch!", staunte Amber, als wir die Klasse verließen. Der kleine Junge der hinter uns lief, sah uns nur verstört an und ging schnellen Schrittes weiter. „Schrei doch nicht so! Du hast den armen Jungen total verstört!", raunte ich ihr vorwurfsvoll zu. Genervt verdrehte sie ihre Augen. „Ich dachte du willst auffallen?!", fragte sie neckisch und boxte mir in die Seite. „Apropos, da ist er!", sagte sie und deute auf Jason der mit seiner Clique an seinem Stammtisch in der Mensa saß und sein Erbsenhirn mal wieder komplett ausschöpfte, indem er einen seiner Freunde mit seinem Essen abwarf. „Wie ein Neandertaler!", sagte ich, während ich versuchte unauffällig zu ihm rüber zu sehen. „Ich frag mich was all die Mädchen von ihm wollen?". „Naja, er sieht schon heiß aus... Und du solltest das doch eigentlich wissen oder nicht?", antwortete Amber. Ich zuckte nur mit den Achseln und versuchte die Röte, die mir ins Gesicht schoss zu überspielen. "Das schon so lange her...", murmelte ich und wandte mich meinem Essen zu, ein klares Zeichen dafür, dass das Gespräch nun beendet war. Meinem Plan mit Jason würde ich mich nach der Schule widmen, immerhin wollte ich nicht auch in seine Essensschlacht geraten.

***

Erschöpft lief ich über den Schulhof, direkt auf die inoffizielle Raucherzone zu. Für gewöhnlich standen Jason und seine Clique dort nach der Schule und rauchten ein oder auch zwei Zigaretten miteinander, ehe sie nach Hause gingen. Heute war auch keine Ausnahme. Wie jeden anderen Tag standen sie an die Mauer eines alten Hauses gelehnt. Ich hatte gehört, dass der Besitzer des Hauses, ein alter Mann, schon öfters versucht hatte sie von seinem Haus zu verscheuchen. Es wurde rumerzählt, dass er einmal sogar die Polizei gerufen hatte. Doch nichts schien Jason und seine Clique vertreiben zu können. Täglich trafen sie sich hier nach der Schule und das würde so schnell auch niemand ändern, schätze ich. Schnell vertrieb ich diesen Gedanken aus meinem Kopf und konzentrierte mich darauf möglichst selbstbewusst und sexy zu wirken. Das war der entscheidende Moment. Wenn Jason jetzt nicht anspringt, war vielleicht mein ganzer Plan im Eimer...

Ich zupfte meinen Ausschnitt zurecht und fuhr mir durch die  Haare. Als ich noch ungefähr 10 Meter entfernt von ihnen war, sah ich wie einer seiner Freunde mit seinem Kopf zu mir nickte und sich darauf alle Köpfe zu mir drehten. Matt war auch da. Ich schluckte. Sie starrten mich alle an.

Jetzt ist nicht der richtige Augenblick um panisch zu werden, Alexandra! Konzentrier dich!

Als ich bei der Gruppe ankam ließ ich meinen Blick einmal über alle Gesichter schweifen und landete am Ende bei Jason, dessen Blick meinen Körper einmal zu scannen schien und anschließend an meinem De­kolle­té hängen blieb. Mir wurde unwohl und ich zog meinen Ausschnitt vorsichtig nach oben. Jason quittierte dies mit einem Grinsen und wandte sich nun meinem Gesicht zu. Ich öffnete meinen Mund, doch ich kriegte keinen Laut aus meinem Mund. Ich räusperte mich und spürte gleichzeitig, wie ich rot anlief. „Hab ich dir die Sprache verschlagen?", fragte Jason, in einem so eingebildeten Ton, dass ich ihn nichtmal dann nachahmen könnte, wenn ich wollte. Er sorgte dafür, dass alle anfingen mich auszulachen. Außer Matt der sah mich nur erwartungsvoll an. Kurz erwiderte ich seinen Blick, bis ich mich wieder daran erinnerte, weshalb ich eigentlich hier war. „Ich wollte fragen, was ihr heute noch so macht, weil ich hab keine Lust mit den Leuten aus meiner Klasse abzuhängen. Ich hab gedacht euer Programm ist vielleicht etwas interessanter?", fragte ich, während mir auffiel wie albern mein einstudierter Satz klang.

Verdammt, das alles war eine Scheiß Idee!

Ps: Sorry, Amber. Natürlich bist du nicht uninteressant!

Jason zog abschätzend seine linke Augenbraue hoch und wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, als Matt im ins Wort fiel: „Wir wollten doch zum See oder?".  Jason warf Matt einen irritierten Blick zu ehe er langsam anfing zu nicken. „Stimmt Matt. Wollten wir. Wie sieht's aus Kleine, kommst du mit?", fragte er, während er mich herausfordernd ansah. Benommen nickte ich.  „Okay, dann sehen wir uns alle um 17 Uhr am See.", meinte Jason. Er schien nicht einmal darauf zu warten, dass die Anderen sagten, was sie davon hielten, sondern packte einfach seine Sachen und ging. Langsam setzte sich auch der Rest in Bewegung und verschwand in verschieden Richtungen. Wie versteinert blieb ich stehen und starrte ihnen hinterher. Erleichtert atmete ich aus. So schlecht war es gar nicht gelaufen. Zumindest treffen wir uns jetzt heute Abend.

„Hast du  mich etwa schon vermisst?", hörte ich eine mir dunkel bekannte Stimme in mein Ohr raunen. Ich verkrampfte mich und spürte den warmen Atem der meine Haut traf und eine Gänsehaut verursachte. Ich drehte mich langsam um und sah anschließend genau in das Gesicht von Matt. Zum ersten Mal sah ich ihn aus der Nähe und ich meine wirklich aus der Nähe. Seine Nasenspitze war nur wenige Zentimeter von meiner entfernt. Mir fielen zum ersten Mal die kleinen Sommersprossen auf, die sich auf seiner Nase tummelten. Langsam entfernte er sich wieder von mir, warf mir einen letzten Blick zu, drehte sich um und rief mir amüsiert noch etwas über seine Schulter zu: „Wir sehen uns dann am See!", ehe er um die nächste Ecke verschwand. Perplex stand ich immer noch an der selben Stelle und ging unser Gespräch im Kopf  durch. Ich schüttelte meinen Kopf, als könnte ich meine wie in Watte gepackten Gedanken so abschütteln und machte mich nun endlich auch auf den Weg nach Hause.

The DecisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt