Kapitel 8

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Als ich Zuhause ankam und bemerkte, dass meine Mutter wohl noch arbeiten war, verzog ich mich in mein Zimmer, pfefferte meine Tasche in eine Ecke und lief schnurstracks auf meine Anlage zu. Ich verband mein Handy per Bluetooth und ging durch meine Playlist. Letzendlich entschied ich mich für Something About You von Majid Jordan. Als ich die Lautstärke aufgedreht hatte und die ersten Töne aus der Anlage schallten, ließ ich mich auf erleichtert auf mein Bett fallen. Ich wusste jetzt schon, dass ich den ganzen Tag nichts anderes tun würde, als Musik zu hören und ich fühlte mich nicht mal schlecht, weil ich so unproduktiv sein würde. Musik entspannte mich ungemein. Andere trieben Sport um runterzukommen und ich hörte Musik. Nach einer Weile bemerkte ich zufällig, dass mein Bildschirm aufleuchtete und ein paar Nachrichten eingingen. Widerwillig stand ich auf. Natürlich hätte ich auch einfach liegen bleiben können, jedoch war ich zu neugierig wer mir geschrieben hatte, denn Amber konnte es nicht sein. Sie hatte heute den ganzen Tag Englisch Nachhilfe, da sie bald wieder ihre erste Arbeit schrieben würde und ihre Eltern nach der vier letzten Jahr auf dem Zeugnis nun mindestens eine drei erwarteten. Ich kniete mich vor die Anlage und überflog meine Nachrichten. Eine war von Mom in der sie schrieb, dass sie erst abends um neun kommen könne und mir einen schönen weiteren Tag wünschte. Die andere war von einer unbekannten Nummer. Verwirrt las ich mir die Nachricht durch. Sie war extrem kurz und unkompliziert, jedoch musste ich sie mir bestimmt dreimal durchlesen, um den Inhalt der Nachricht ganz zu verarbeiten. Ungläubig blickte ich auf die kleinen Buchstaben, die auf dem Display meines Handys aufleuchteten:

Um 4 im Park?

-Matt

Reiß dich zusammen und tipp eine Antwort!

Geht klar.

Benommen lief ich nach unten und zog mir meine Schuhe an. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass ich keine Jacke brauchen würde, also schnappte ich mir den Schlüssel und ging in Richtung Park. Als ich an den Toren des Parks angekommen war, fiel mir auf, dass er gar nicht geschrieben hatte, wo genau im Park er sich mit mir treffen wollte. Immerhin war er dank dieser Umweltorganisation in unserer Stadt mehr als riesig ausgefallen. Ich wollte gerade mein Handy auspacken um ihn zu fragen wo genau er sich denn treffen wolle, als mir einfiel, dass er und seine Freunde sich immer an dem kleinen Pavillon trafen und dort ihre kleinen Drogenparties oder was auch immer veranstalteten. Eigentlich war das Pavillon wunderschön und wirkte fast schon märchenhaft, dennoch hielten die meisten Leute Abstand von ihm, da es überall bekannt war, dass sich hauptsächlich „Asis" dort aufhielten. Zielstrebig lief ich genau in diese Richtung und es wurde immer auffälliger, dass desto näher ich dem Pavillon kam, es auch immer weniger Menschen wurden, denen ich begegnete. Als ich dort ankam, sah ich Matt der mit dem Rücken zu mir an dem Geländer lehnte und gedankenversunken in die Ferne sah. Unsicher ging ich auf ihn zu, natürlich nicht ohne seine breiten Schultern zu registrieren. Ich lehnte mich neben ihn, wobei unsere Schultern sich leicht berührten. Matt drehte seinen Kopf kurz zu mir. „Tut mir Leid. Was ich gesagt habe war dumm. Ich wusste nicht, dass du...", er stockte. Erst jetzt schien ihm aufzufallen, dass er gar nicht genau wusste, was zwischen mir und Jason vorgefallen war. Um genau zu sein wusste es nicht einmal Jason selber. Ich seufzte. „Schon okay. Mir tut's auch Leid, dass ich dich so angezickt habe. Ich war nur so wütend auf Jason.", murmelte ich. Nun stellte Matt sich gerade hin, lief auf die Bank zu und klopfte mit einem kleinen Lächeln im Gesicht neben sich. Ich gehorchte und ließ mich neben ihn fallen. „Warst du... eifersüchtig auf das Mädchen?", fragte er unsicher und sah mich ausdruckslos an. Es schien als hätte er sein Pokerface aufgesetzt, um mir nicht zu zeigen, was er davon halt. Ich lachte trocken auf. „Nein! Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich eifersüchtig darauf bin nicht auf Jasons imaginären Fick-Liste zu stehen?" Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Matt ignorierte meine rhetorisch gemeinte Frage und sah mich nun nachdenklich an. „Wieso warst du dann so...", er schien nach dem richtigen Wort zu suchen, um mich nicht wieder zu verärgern. „Zickig?", fragte ich direkt. Unsicher nickte er. Ich lächelte ihn kurz an als Zeichen, dass ich nicht sauer war und fing an zu erzählen.

Vor drei Jahren:

Aufgeregt rannte ich in die Schule zu meinem undAmbers Spinden, wo wir uns wie jeden Tag vor der Schule trafen. Mit einemGrinsen kam ich ihr entgegen. Sie sah mich vielsagend an. „Hast du ihn?",fragte sie erwartungsvoll und ließ ihren Blick suchend über mich wandern.Triumphierend holte ich einen Zettel aus meiner Jackentasche und hielt in ihrunter die Nase. Aufgeregt klatschte sie in die Hände und sah sich daraufhingeheimnissvoll um, ehe sie sich hastig zu meinem Ohr beugte: „Ich hab die Lagegecheckt. Jason ist weit und breit nirgends zu sehen. Das bedeutet freie Bahnfür uns." Ich nickte und sah sie noch kurz an. Ich hatte Angst. Wie würde erwohl auf meinen Brief reagieren. Zuhause ging es mir noch besser, da hatte ichmir ausgemalt, wie er lächelnd den Brief liest, den Gang nach mir absucht und unsereBlicke sich dann treffen. Er schaut mich geheimnissvoll grinsend an und kommtdann auf mich zu. Er würde meine Hand nehmen und mich fragen, ob ich seineFreundin sein will und dann würde ich meinen ersten Kuss erleben und zwar mitJason! Meine Freundin holte mich aus meinen Gedanken: „Wir müssen uns beeilen,er kann jede Sekunde kommen!" Panisch sah ich mich um. Amber verdrehte dieAugen und schubste mich in Richtung Ziel: Jasons Spind. Mit klopfendem Herzenging ich auf den Spind zu und warf dabei immer mal wieder Blicke nach rechtsund links nur um sicher zu gehen, dass Jason nicht auf wundersame Weise nebenmir auftauchte. Als ich seinen Spind erreichte drehte ich mich zu Amber um, dieimmer noch am Anfang des Ganges stand und mir aufmunternd zunickte. Bestärktdrehte ich mich um, atmete noch einmal tief durch und drückte den Brief hastigdurch den kleinen Schlitz, der sich über seinen blauen Spind zog. Als derkleine Brief durch war, und ich hörte, wie er leise auf den Boden des Spindesaufkam, drehte ich mich blitzschnell um, warf einen prüfenden Blick durch denFlur und rannte so schnell ich konnte zurück zu meiner besten Freundin, diemich grinsend erwartete. „Perfekt!", sagte sie und ließ mich erleichtert inihre Hand einklatschen. Natürlich wussten wir beide, dass das nicht dieperfekte Lösung war, immerhin war es selbst für unser Alter ziemlich alberneinen kleinen Liebesbrief zu schreiben und dann nichteinmal mit seinem Namen zuunterschreiben. Jedoch waren wir alle Alternativen durchgegangen und waren zudem Entschluss gekommen, dass alles andere aufgrund meiner wahrscheinlichangeborenen Schüchternheit nicht möglich wäre. Und so waren wir auf diese Ideegekommen, die war aus einem unserer Lieblingsfilme geklaut hatten. Aufgeregtbeobachteten wir, wie die Gänge sich immer weiter füllten und nach einer Weilestieß Amber mir aufgeregt ihren Ellenbogen in die Seite. Schnell folgte ichihrem Blick und entdeckte Jason mit seinen Freunden, der selbstsicher lächelndauf seinen Spind zuging. Wie gebannt sah ich zu, wie er an dem kleinen Raddrehte und es kam mir so vor, als würde er sich extra viel Zeit dabei lassenseinen verdammten Code einzugeben. Als er seinen Spind dann doch endlichöffnete, hielt ich die Luft an und ich wusste, dass es Amber mittlerweilegenauso ging. Ich beobachtete wie Jason in seinen Spind griff und sein Blickauf meinem Zettel landete. Sein Blick wirkte kurz irritiert, doch dann fing eran zu grinsen. Doch es war nicht das Grinsen, das ich mir erhofft hatte. Es sahspöttisch aus. Ehe ich mich versah, standen all seine Freunde um ihn herum.Durch die vielen Köpfe hindurch konnte ich Jason sehen wie er versuchte meinenBrief zu lesen, sich teilweise vor Lachen nicht mehr einkriegte und immerwieder für einen erneuten Lachkrampf unterbrach. Auch die Umstehenden, diemittlerweile nicht mehr nur aus seinen Freunden bestanden, sondern fast unsereganze Stufe beinhaltete, schienen sich ebenfalls köstlich zu amüsieren.Schützend stellte sich Amber vor mich und versperrte mir somit die Sicht aufJason und die Anderen. „Komm.", sagte sei tröstend legte einen Arm um mich undschob mich Richtung Mädchentoilette, da ihr die Tränen, die meine Wangenrunterliefen natürlich nicht entgangen waren.

The DecisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt