Lost'schen Gegenstände

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Sie war offen, für jeden betretbar, aber es war Nachtruhe, also waren alle Lichter erloschen und nur das Mondlicht erhellte die Regale.

Ich zog Segal weiter mit mir zu dem Regal über Feenmagie und während ich mich von vorne durcharbeitete, begann Segal hinten und nach einiger Zeit trafen wir uns in der Mitte, jeweils mit fünf Büchern unter den Achseln und in den Händen.

„Das sollte vorerst reichen", lachte Segal und wir setzten uns an den riesigen Holztisch.

Segal und ich filzten bestimmt über drei Stunden die Bücher, bis Segal etwas interessantes fand.

Vor über fünfhundert Jahren wurde in Europa eine große Schwarze Materie von Kindern entdeckt, dessen Ursprung sich keiner Erklären konnte.

Alle Feen im nahen Umfeld wurden geschwächt und die schwarze Materie wurde immer größer. Mit bloßem Auge kann man sie nicht sehen, aber mit speziellen Gegenständen, die Argus Losten (1545-1590) damals verwunschen hat, ist es möglich, die Materie als glitzernde schwarze Masse zu sehen.

Die Lost'schen Gegenstände kamen durch eine Reihe an Versuchsexperimenten zu stande. Sie galten als unnütz und wurden weg geschmissen, bis Kinder sie auf einer Deponie fanden und die schwarze Materie zum ersten Mal sahen.

Man vermutet, dass es sich hierbei um dunkele Magie handelte, die bei dunkelen Zaubersprüchen freigesetzt wird und in unabsehbarer Zeit die Kraft ein jeder Fee rauben konnte.

Ohne Kraft sind Feen nicht fähig, zu überleben, daher wird die Materie häufig auch „Feenstaub des Todes" genannt, wobei das Nomen „Feenstaub" nicht auf die dunkele Materie zutrifft.

Ich sah Segal an. „Steht da auch etwas über das Buch?"

Segal überflog mit den Augen die Seite und tippt schließlich mit seinen schmalen Fingern auf einen Textabschnitt.

Die dunkele Materie ist schwer zu stoppen, da sie sich eilig fortbewegt; vor allem an Orten mit vielen Feen schnell wächst, aber es gibt Zaubersprüche, die eine Fee anwenden kann, um sie zu stoppen. Hierbei trifft Gute auf Böse und gute Magie mit den richtigen Zaubersprüchen vereint, kann stärker sein als die dunkele Materie.

In dem goldenen Zauberbuch steht der Spruch auf der letzten Seite. Es gilt aber seit über fünfzig Jahren als verschollen, zuletzt gesehen im Internat Wish High.

Ich quiekte auf. Das war unsere Schule!

„Das Buch muss hier irgendwo sein!", rief Segal aufgeregt.

„Welches Buch?", fragte eine weibliche Stimme laut.

Segal und ich zuckten zusammen und drehten uns zur Stimme hin, die Ms. Kaplin gehörte.

„Was haben sie hier zu suchen? Es ist Nachtruhe! Beeilen sie sich, in ihre Türme zu kommen, oder soll ich sie da erst hin zaubern?", fragte sie streng.

Ich wurde auf der Stelle rot und senkte den Blick.

„Na los, worauf warten sie? Ab in ihre Türme!" Ms. Kaplin's Stimme rutschte eine Oktave nach oben und ihr Gesicht färbte sich langsam rot.

Eilig standen Segal und ich auf, und während Ms. Kaplin sich umwand und die Bibliothek verliess, ließ ich das Buch mit dem Artikel unter Segal's Jacke verschwinden und bedeutete Segal mit einem Blick, das wir morgen noch einmal sprechen würden.

Ich rannte die Treppen hoch, in den Turm.

Am nächsten Morgen wachte ich durch Liz auf, die laut fluchend an meiner Bettdecke zog.

Ich schlug die Augen auf und setzte mich auf.

Liz saß auf dem Boden, eine Hand verkrampft um das Ende meiner Bettdecke, und hielt sich den Fuß. „Man erschuf den großen Zeh, damit der Mensch im Dunkel die Möbel finden konnte.", witzelte ich und Liz warf mir einen wütenden Blick zu.

Sie rappelte sich auf und humpelte ins Badezimmer.

Ich lehnte mich nach hinten, und als mein Kopf gegen die Wand knallte, gab es einen dumpfen Ton.

„Aua!", murmelte ich und rieb mir den Kopf, während ich hinter mich blickte.

Ich hob eine Hand und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Wand.

Schon wieder gab es dieses dumpfe Geräusch. Ich runzelte die Stirn. Der pochende Schädel war vergessen. Ich klopfte die Wand ab und kam auf ein Rechteck, in der Größe zwei nebeneinander gelegter Bücher. Ich stand vom Bett auf und klopfte die übrigen Wände ab, aber dieses Rechteck war der einzige Hohlraum in der Wand.

Eine Frage schwirrte durch meinen Kopf, während ich die Wand begutachtete.

Was ist hinter der Wand?

Ich nahm mir etwas Feenstaub und drückte ihn gegen die Wand.

Kurz darauf war das Rechteck frei gelegt. Ich griff in die Wand und beförderte ein Gemälde zu Tage. Es sah alt aus, hatte einen schweren Rahmen und war ziemlich klein.

Es zeigte das Schloss, im Sonnenschein. Die Farben schienen verblichen und es sah trostlos und ergraut aus. Ich war enttäuscht, ich hatte etwas anderes erwartet.

Vielleicht sogar das goldene Zauberbuch.

Aber es war ein Bild.

Ich lies es unter mein Bett fallen und versiegelte die Wand wieder.

Segal sah ich an dem Tag nicht, aber ich musste wieder Archivarbeit verrichten.

Es waren Bücher aus vergangenen Zeiten. Ich hielt Ausschau nach einem goldenen Einband, sah aber nichts.

Es war kurz vor Ende, als ich ein Quietschen seitens eines Mädchens vernahm.

Es war ein Mädchen mit blauen Haaren. Sie stand nicht weit von mir entfernt und hielt ein Buch in den Händen. Es war nicht größer als die Anderen, die ich einsortiert hatte, aber die Größe war nicht entscheidend. Sondern die Farbe.

Es war golden.


The White fairy #JustWriteItWo Geschichten leben. Entdecke jetzt