Schattengestalten

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„Das war eben nicht nett, Bia.", ich wand mich stirnrunzelnd zu Liz um, die mich ernst musterte.

„Was meinst du?", fragte ich lauernd.

„Du weißt, was ich meine", erwiderte sie und schulterte ihren pinken Rucksack.

Ich schnaubte. „Ich hab nichts gemacht!", sagte ich heftig und drehte mich um.

Aber Liz folgte mir und sah mich vorwurfsvoll von der Seite an. Stöhnend warf ich meine freie Hand in die Luft, in der ich nicht den Koffer hielt und gab mich geschlagen.

„Gut, ich war im Auto ein bisschen barsch zu ihr.", murmelte ich und Liz lachte.

„Ein Bisschen?", ich grummelte „ein bisschen viel", und beschleunigte meinen Schritt. Liz folgte mir noch immer lachend. Ich stieß die Eingangstür auf und lief prompt fast in Ms.Larche.

„Nicht so hastig, meine Damen! Nur weil sie zu spät sind, heißt das nicht, dass sie jetzt einfach verschwinden können! Kommen sie bitte mit in mein Büro." Ich seufzte innerlich und auch Liz funkelte Ms.Larche böse an. Ms.Larche ignorierte Liz, oder bemerkte nicht ihre Blicke, denn sie drehte sich um und stöckelte vor uns die große Schlosstreppe in den ersten Stock hoch.

Ich mochte das Internat, die Einrichtung, den Stuck an den Decken, die Sitzgelegenheiten in jeder Ecke, in denen sich Schüler zusammensetzten, der große Speisesaal, die Schlafräume in den zwei Türmen für Jungen und Mädchen und den riesigen Schlosspark, das Schlimmste hier waren aber die Treppen. Sie hatten über 40 Stufen pro Etage und nach dem ersten Stockwerk kam ich schon ins Schwitzen. Aber dieses verfluchte Schloss hatte gleich 4 Stockwerk, ohne Türme mitgezählt. Und mit meinem Glück, waren meine Stunden alle im vierten Stockwerk.

Liz tippte mir leicht an die Schulter und ich drehte mich zu ihr um. Sie deutete auf einen Jungen, der sich anscheinend nach Sperrstunde im ersten Stock befand. Er war kaum zu erkennen, nur schemenhaft sah man seine Silhouette und die eines Mädchens.

An sich war das nichts Besonderes, nur Wenige, meist die Neuen Schüler, befolgten der Sperrstunde, und im Schloss gab es genug dunkle Ecken, in denen man sich verstecken konnte, aber das, was Liz traurig zu den Beiden hoch blicken lies, war die Tatsache, dass dieser vermeidliche Junge Liz Ex-Freund war. Sie war mit ihm vor den Ferien zusammen gewesen, und das für drei Monate, ehe er sich von ihr getrennt hatte, mit der Begründung, der Funke wäre erloschen.

Damals hat es Liz das Herz gebrochen, und sie hat lange gebraucht, um darüber hinweg zu kommen. Jetzt Mirko mit einem anderen Mädchen zu sehen, war ein Schock für Liz und löste eine unglaubliche Wut auf diesen Jungen bei mir aus. Wie konnte er es wagen? Sie standen dort in der Ecke und küssten sich. Fast hörte ich Liz Herz in ihrer Brust hämmern und wäre Ms.Larche nicht direkt vor uns, wäre ich hoch zu ihm geflogen und hätte ihm ordentlich meine Meinung gegeigt. Aber Ms.Larche war bei uns und als wir an dem Paar vorbei waren, griff ich nach Liz Hand und drückte sie kurz. Sie lächelte mich traurig durch den dunklen Schleier ihrer dunkelblonden Haare an und ich drückte ihre Hand nochmals. Ms.Larche hatte von alledem nichts mitbekommen und fing ganz belanglos an, uns nochmal die Verhaltensregeln im Internat mit uns durchzugehen.

Ich gähnte zweimal und war froh, als wir an dem Direktorat ankamen.

Sie öffnete die dicke Eichentür und bat uns herein. Die Schreibtischlampe verbreitete Licht im ganzen Raum. Überall im Raum standen Bücherregale an die Wand gelehnt, auf dessen Regalborde Unmengen von Büchern lasteten. Manche hatten einen Zeichnung von einer Fee auf dem Buchrücken. Die Regale endeten kurz vor der Decke und engen den Raum ein, machen ihn kleiner und dunkler. Als ich das erste Gespräch mit Ms.Larche hatte, hatte ich mir vorgestellt, dass Monster hinter und in den Büchern wohnten und ging daher nie zu nah an die Regale.

Heute kann ich meine Fantasie nur noch belächeln.

„Setzt euch.", die großen Sessel sahen mitgenommen aus, ausgesessen von erwartungsvollen Eltern und nervösen, verängstigten Kindern.

Das Polster sank unter meinem Gewicht bedrohlich zusammen und meine Hände krallten sich in die Armlehnen, aus Angst, dass des Sessel unter mir wegbräche.

Ms.Larche setzte sich auf den neu aussehenden Bürostuhl hinter dem wuchtigen Ebenholztisch und suchte unter dem Stapel an Blättern, der sich auf dem Tisch befand, nach dem Richtigen. Es sah so aus, als hätte Ms.Larche, bevor wir vor dem Schloss vorgefahren waren, noch gearbeitet.

„So", murmelte Ms.Larche und zog mit einem „Aha!", ein Blatt hervor.

Sie griff nach einer Lesebrille und setzte sie sich auf die Nase.

„Elizabetha Brass?" Sie blickte uns nacheinander an, als überlege sie, wer von uns noch mal mit Vornamen Elizabetha hieß. Ich deutete unauffällig auf Liz, was diese nicht bemerkte, und Ms. Larche lächelte mich dankend an. „Hier, lies ihn dir sorgfältig durch", sie reichte ihn Liz und die vertiefte sich sofort in das Papier. Kurz darauf erhielt ich auch meinen Stundenplan und las ihn durch.

Alle erwählten Fächer befanden sich auf meinem Plan, aber leider, zu meinem Entsetzen, auch Mathematik und Sport. Ich wollte Ms. Larche schon fragen, warum sich diese Fächer auf meinem Stundenplan befanden, als Liz genau die selbe Frage stellte.

Ms. Larche sah uns belustigt an und räusperte sich: „ Haben sie nicht bei der Fachvorstellung zugehört, letztes Jahr? Es gibt zwei Pflichtfächer die ihnen zugewiesen werden, um aus ihren Schwächen Stärken zu machen. Wirklich, meine Damen, es wurde am Ende ganz deutlich gesagt!"

Ich stöhnte innerlich auf und Liz seufzte hörbar.

Ms. Larche erklärte uns noch das Übliche, gab uns unsere Zimmerschlüssel und wünschte uns eine gute Nacht. Liz und ich bedankten uns höflich und verließen ihr Büro.


The White fairy #JustWriteItWo Geschichten leben. Entdecke jetzt