Als ich am Abend im Bett lag, und an die Decke starrte, fragte ich mich, warum Grayson dann so abwertend mir gegenüber war und zu Kyla so nett war? Möglicherweise war er wütend gewesen, dass ich damals einfach weggehen musste. Oder er mochte mich einfach nicht... Lange dachte ich noch darüber nach, bis ich schließlich zu dem Entschluss kam, dass die einzige Möglichkeit wäre, Grayson selbst zu fragen. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
Am nächsten Morgen weckte mich lautes Klopfen an meiner Tür.
"Was?!", rief ich verschlafen. Mühsam strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und lief zur Tür. Es war schon hell in meinem Zimmer, da ich gestern Abend vergessen hatte, die Jalousien runter zu machen."Deine Mutter hat gesagt ich soll dich holen", murmelte Grayson, der mit seinem Handy beschäftigt war und mich nicht mal anschaute.
"Wo ist sie?", fragte ich seufzend.
"Unten." Er drehte sich um und ging.Ich schloss die Tür und lief durch mein Zimmer ins Bad, um mich zu duschen. Man sagte ja, dass das warme Wasser am frühen Morgen gut tat, doch es war garnicht angenehm. Ständig fielen mir meine Augen wieder zu vor Müdigkeit und ich drohte unter dem beinahe heißen Wasser einzuklappen und einzuschlafen. Wie lange ich wohl gestern wach gewesen war, dass ich heute so müde war? Ich wickelte mein Handtuch und den Körper und lief durchs ganze Zimmer.
Ich öffnete das Fenster und streckte meinen Kopf hinaus. Es war nicht gerade warm, aber auch nicht sonderlich kalt. Also zog ich mir einen Kaputzenpulli über meine schwarze Jeggins. Meine nassen Haare tropften ein wenig auf den hell-rosanen Stoff des Pullovers, weshalb ich sie in ein Handtuch einwickelte. So lief ich nach unten in die Küche, wo meine Mutter auch schon wartete.
"Was ist denn?", fragte ich und lehnte mich gegen den Türrahmen.
"Setz dich doch", erst jetzt bemerkte ich auch Calab, der neben meiner Mutter saß und sich ein Brot schmierte. Ich lies mich auf den Stuhl gegenüber der beiden fallen und schaute sie erwartungsvoll an."Wie du sicherlich weißt, hast du am Montag, am Dienstag und am Mittwoch schulfrei. Denn an diesen Tagen sind bewegliche Ferientage.", begann Calab. "Deine Mutter und ich werden wegfahren. Wegen unseres Jobs."
"Grayson wird auf dich aufpassen und dich überall hin mitnehmen", fügte meine Mutter noch lächelnd hinzu.
"Ich brauch doch keinen Babysitter", platzte es empört aus mir.
"Er soll doch kein Babysitter sein. Lediglich jemand, der dafür sorgt, dass du nicht alleine bist und Spaß hast", versuchte meine Mutter, es mir zu erklären.Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen. "Wie bitte?", das kam aber nicht von mir. Ich drehte mich um und schaute Grayson direkt in seine Augen. "Ich wollte heute Abend feiern gehen", sagte dieser entsetzt.
"Du wirst sie mitnehmen. Keine Widerrede.", meinte Calab verständnislos.
"Wir fahren direkt nach dem Mittagessen", lächelte meine Mutter, als habe sie die kurze Auseinandersetzung von Grayson und Calab überhört.Ich drehte mich um und lief die Treppe nach oben. Ganz oben im Dachboden angekommen, setzte ich mich wieder auf die Schaukel und öffnete das Handtuch, dass ich um meine Haare gewickelt hatte. Die feuchten Strähnen fielen auf meine Schultern und ich seufzte. Wahrscheinlich gab es keinen Ausweg. Ich musste heute Abend mit auf diese Party kommen. Sonst wären Calab und Mum enttäuscht von mir, weil sie sich so viel Mühe geben, damit ich mich integriere. Und das wollte ich nicht.
Das Buch, in dem ich gestern geblättert hatte, lag nun zugeschlagen auf einer Ablage neben der Schaukel. Ich spielte mit den Gedanken, es nocheinmal zu öffnen. Langsam griff ich danach und schlug es auf. Alles war noch wie gestern. Die Seiten etwas vergilbt an den Ränder, doch die Bilder noch wunderschön und gut erhalten.
Grayson und ich mussten gut befreundet gewesen sein, denn auf fast allen Bilder hielten wir entweder unsere Hände und saßen dicht nebeneinander.
Es war schön, diese Bilder zu sehen. Lange war es her, seit ich Grayson das letzte mal gesehen hatte. Und er wusste es noch. Wahrscheinlich in allen Einzelheiten. Ich jedoch konnte mich nicht mal erinnern, dass ich ihn überhaupt kannte. Gleichzeitig aber machten mich diese Bilder traurig. Ich sah so glücklich auf den Fotos aus. Was ein Umzug doch alles verändern konnte.
Hinter mir knarrten die Dielen des Dachbodens. Ich traute gar nicht, mich umzudrehen, weil ich auch den Schritten hörte, dass es nicht Calab war.
"Was machst du hier", fragte Grayson durch die Dunkelheit. Ich sagte nichts, sondern wendete mein Gesicht nur der Sonne draußen zu. Die Sonne warf einen schwachen Lichtstrahl auf Grayson, der zum Fenster trat.
"War es einfach, mich zu vergessen?", fragte ich und mir traten Tränen in die Augen. Ich bemühte mich, mein Gesicht starr auf einen Vogel zu richten der gerade gegenüber von mir auf einem Baum hockte.Es kam keine Antwort.
"Hab ich dir so wenig bedeutet, dass du mich einfach aus deiner Welt verbannen kannst?", fragte ich wieder.
Grayson schien etwas sagen zu wollen, doch es kam nichts. Wieder Stille.
"Sag ruhig was. Du solltest jetzt sogar etwas sagen...", meinte ich, den Kopf immer noch abgewendet."Verdammt merkst du es denn nicht?", schrie er beinah. Ich zuckte zusammen und das Buch, das bis eben auf meinem Schoß gelegen hatte, stürzte frei Stockwerke in die Tiefe.
"Mist...", murmelte ich, was er jedoch überhörte.
"Weißt du, wie lange es gedauert hat, dich zu vergessen. Man hat mir ja keine Wahl gelassen. Oder hätte ich mit ständigen Schmerzen leben sollen?! Und dann...", seine Stimme klang mittlerweile brüchig. "Dann kommt ihr einfach wieder aus dem nichts und wollt hier leben.""Eigentlich könntest du froh sein, dass ich wieder hier bin...", murmelte ich.
"Ich vertraue Menschen nicht... Schon lange nicht mehr. Denn wenn du ihnen Vertrauen schenkst, schenkst du ihnen gleichzeitig die Macht, die zu verletzen oder dich auszunutzen."
Überrascht über diese Worte drehte ich mich um und schaute ihn an.
"Ich lasse dich nicht mehr in mein Herz... Nie wieder." Er drehte sich um und ging.
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Verrückt nach dir
Jugendliteratur"Ich hab Angst davor, dir zu sagen, dass ich dich brauche. Denn du könntest sagen: "Ich dich aber nicht."~ Als Skylar erfährt, dass sie aufgrund des Jobs ihrer Mutter nach London ziehen wird, ändert sich alles schlagartig für sie. Sie muss ihre Freu...