Kapitel 6.

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"Das war gestern doch sicher dein Exfreund, dieser Jasper, oder?"
"Woher weißt du, dass er mein Exfreund ist?", fragte ich mit Herzklopfen.
"Wenn du so laut mit Dad darüber redest..."
"Und ich dachte, man solle nicht lauschen?", scharf blickte ich ihn an.

Vollbepackt mit Sachen betrat meine Mutter die Küche. Sie hatte ihre blond-roten Haare gelockt und trug sie offen.
"Soll ich dir was abnehmen?", fragte ich sofort hilfsbereit.
"Ja gerne", erleichtert lächelte meine Mutter mich an und drückte mir einnen halbgeöffneten Karton in die Hände. Er war schwerer als ich erwartet hatte und fiel mir deshalb fast aus der Hand. Ich hörte, wie Grayson am Frühstückstisch leise vor sich hinlachte. Ich drehte mich zu ihm um und warf ihm böse Blicke zu.

Dann stand er auf und kam auf mich zu. Ich wollte den Karton schon schützend über mich halten, was sicherlich zu schwer gewesen wäre, aber er griff nur danach und für den Bruchteil einer Sekunde berührten sich unsere Hände. Auf Graysons Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, was jedoch gleich wieder verschwand.
"Lass mich das machen", sagte er und nahm mir den Karton aus der Hand. Leichthändig trug er ihn zu dem Schrank, an dem auch meine Mutter stand und Kochbücher einsortierte.

Ich ließ mich wieder auf den Stuhl fallen und starrte durch das große Glasfenster in den Garten. Für einen Aprilmorgen war das Wetter sehr gut. Die Sonne schien und Vögel flogen durch die Gegend. Verträumt schaute ich ihnen nach. Wie schwungvoll sie ihre Flügel hoben und dann in den Himmel empor stiegen. Wie gerne würde ich auch fliegen können.

"Woran denkst du?", fragte Grayson mich und ich zuckte zusammen. Er saß auch wieder am Tisch und hatte mich die ganze Zeit beobachtet.
"An nichts.", schnell wendete ich den Blick vom Garten ab und richtete ihn auf meine Mutter, die nun einen Karton ausgeräumt hatte und den Rest stehen ließ.

Sie beugte sich runter zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
"Tschüss Sky", meinte sie und lächelte. "Wenn Kyla runterkommt und Hunger hat, dann zeigt ihr, was sie essen kann..." Ich nickte und ehe sie aus der Küche verschwand drehte sie sich nochmal zu Grayson um und sagte: "Tschüss Grayson".

Damit schloss sie die Tür und Stille breitete sich aus. Ich starrte nervös auf meine Hände und Grayson murmelte etwas vor sich her. Bei genauerem Hinhören verstand ich meinen Namen. Und auch Kylas.

"Skylar, Kylar, Kyla, Skyla... Sky, Ky?", murmelte er. "Sag mal, wird Kyla eigentlich Ky genannt?"
Ich schüttelte den Kopf. "Normalerweise nicht", meinte ich.
"Was arbeitet eigentlich deine Mutter?", fragte er nach einer Weile wieder.
"Sie ist Lehrerin", sagte ich trocken. "Pff... Na dann", meinte er, was mich innerlich provozierte. Lehrerin war auch ein normaler Job. Und man konnte davon leben. Zwar nicht mit Luxus, wie Grayson, aber ich war immer glücklich gewesen. Grayson merkte, dass mich seine Reaktion provozierte, weshalb er leicht grinste. Er holte sein Handy heraus und begann, darauf zu tippen. Seine blau-grünen Augen glitten über den Bildschirm und blieben plötzlich an einer Stelle hängen. Ich hätte nur zu gerne gewusst, an welcher. Grundsätzlich besaß ich gar kein Handy. Meine Mutter hatte Kyla und mich vor die Wahl gestellt: Handy oder iPad. Kyla hatte sich für ein Handy entschieden, ich mich für ein iPad.

"Hör zu.", meinte Grayson entschlossen. "Später kommt 'n Kollege von mir. Bitte sei nicht total peinlich oder so. Ich habe nämlich nen Ruf zu verlieren, ok?", sagte er leise und ernst. Ich nickte. Das machte mich noch wütender. Er kannte mich doch gar nicht. Woher wollte er wissen, dass ich peinlich sei? Und Kyla überhaupt nicht... Innerliche kochte ich mittlerweile und war kurz davor, etwas zu sagen.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und ich war ehrlich gesagt froh darüber. Grayson wich sofort zurück und eine verschlafen aussehende Kyla tappte in die Küche. Wir starrten sie an.
"Ist was?", fragte sie und gähnte und als sie keine Antwort bekam, redete sie einfach drauf los. "Weil heute Samstag ist, treffe ich mich übrigens mit mit Alicia. Hat jemand was dagegen?"
"Nicht hier!", platzte es sofort aus Grayson.
"Okay...", wieder gähnend nickte Kyla. "Dann geh ich halt zu ihr." Sie schnappte sich einen Apfel und verließ die Küche. Es entstand wieder diese unangenehme Stille, in der Grayson auf seinem Handy rumtippte und ich mich bemühte, überallhin nur nicht in sein Gesicht zu schauen.

"Du kannst mich auch anschauen", sagte dieser irgendwann mit gerunzelter Stirn. "Das sieht nämlich echt komisch als, wenn du als in der Gegend rumguckst". Schlagartig wurde ich rot. Glücklicherweise klingelte es in diesem Moment an der Haustür und Grayson erhob sich von seinem Stuhl. Ich blieb am Tisch sitzen und lauschte, wer wohl geklingelt hatte.

"Yo", hörte ich es zuerst im Korridor hallen. "Wo ist sie? Ich will sie sehen!"
"Du kannst jetzt nicht einfach in die Küche gehen", erwiderte Grayson mit gedämpfter Stimme. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass ich es nicht hören würde.
"Du meintest, sie wäre hübsch", das war wieder der Junge.

Verdammt. Grayson hatte gesagt, ich wäre hübsch?!

Verrückt nach dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt