Kapitel 15.

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"Auch wieder da?", hörte ich es böse aus der Küche und brach in lauterem Schluchzen aus. Ich hörte, wie er erschrocken die Luft einsog.
Wenige Sekunden später stand er im Flur. Ich brach zusammen und hockte heulend auf dem kalten Fliesenboden.

"Alles okay?", fragte er besorgt und gleichzeitig entsetzt.
Natürlich ist alles okay. Ich sitze hier ja nur und heule mir die Seele aus dem Leib.
Graysons Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig von besorgt zu wütend.
"Was hat er gemacht?!", fragte er. "Dieser elende Mistkerl!"
"Er...", weinte ich. "Er wollte..." Weiter kam ich nicht, denn da befiel mich schon wieder der nächste Heulkrampf.
Graysons ballte die Fäuste.
"Ich werde ihn...", knurrte er, doch ich unterbrach ihn schluchzend. "Graysons nicht..."

Graysons kam zu mir und hob mich hoch.
"Hat er dir was angetan?", wieder wurde er besorgt. Ich schüttelte den Kopf.
"Lass mich raten: Du hast nein gesagt aber wollte trotzdem...", die letzten Worte waren kaum hörbar, denn ich unterbrach ihn mit einem lauten "Hör auf!", bis ich dann weiterheulte.
"Schon gut", Graysons trug mich hoch in mein Zimmer und legte mich vorsichtig auf mein Bett.

Dann verließ er mein Zimmer schon wieder mit einem kaum hörbaren "Ich werde diesem Mistkerl alles heimzahlen, was er getan hat..."

Ich machte mir Sorgen, was er jetzt machen würde. Hoffentlich geriet er nicht wegen mir in Schwierigkeiten.

Wenige Zeit später rief Jasper an. Ich wollte nicht reden. Nicht mit ihm. Ich drückte ihn weg.

Man Skylar... Dein Ernst?!, schrieb er.

Ich antwortete nicht, sondern legte mein iPad weg und zog meine Bettdecke über mich.

***

Als ich das nächste Mal aufwachte, war es dunkel in meinem Zimmer. Im ganzen Haus war es leise, was bedeutete, dass es mitten in der Nacht war und alle schliefen.

Leise schlich ich mich auf den Dachboden und setzte mich auf die überdachte Schaukel.

Nach einer Weile hörte ich, wie sich die Klappe zum Dachboden erneut öffnete und Grayson zu mir kam.
"Kannst du auch nicht schlafen?", fragte ich.
"Du hast mich geweckt." Wie romantisch. Innerlich verdrehte ich die Augen.

Grayson setzte sich auf die Fensterbank neben der Schaukel.
Als ich den Kopf wieder zum Garten drehte, flog ein Glühwürmchen dicht an mir vorbei.
"Irgendwie sind Glühwürmchen wunderschön...", murmelte ich verträumt und starrte dem kleinen, leuchtenden Tier hinterher.
"Willst du wissen, wo noch mehr davon sind?", fragte Grayson lächelnd.
"Zeig sie mir!"

Wir schlichen uns leise aus dem Haus und ich folgte ihm in den Garten.
Irgendwann kamen wir vor einem großen Busch an.
"Der Gärtner hat es mir einmal gezeigt. Außer mir weiß es niemand...", erzählte er. Dann griff er mit der Hand ins dichte Gestrüpp und schob es beiseite.

Wir schlüpften hinein und mir blieb der Mund offen stehen. Tausende von Glühwürmchen flogen herum. Ich hatte ja etwas erstaunliches erwartet, aber das hier war unglaublich.
"Gefällt es dir?", fragte Grayson lächelnd. Ich schaute zu ihm. Man sah ihm an, dass es ihn an etwas erinnerte. Nickend wendete ich mich ab.

Eine Weile standen wir einfach so da und sahen den Glühwürmchen zu. Ab und zu hatte ich sogar Angst, dass mir eins ins Gesicht flog.

"Woran denkst du?", fragte ich und riss ich offensichtlich aus seinen Gedanken.
"Äh... An gar nichts", sagte er schnell.
"Tust du doch", sagte ich.
"Sieht man mir das an?", fragte er lächelnd und mein Herz machte einen Sprung. Ich nickte grinsend.

"Es tut mir leid...", murmelte Grayson nach einer Weile.
"Nein!", widersprach ich etwas entsetzt. "Mir tut es leid! Ich hätte einfach auf dich hören sollen..."
"Ja das hättest du...", sagte Grayson und für einen Moment blitzte wieder das mir "unsympathische" in seinen Augen auf.
"Aber du konntest es ja nicht wissen", meinte er und zog mich an seine Brust. Ich wusste, dass das, was er mir gesagt hatte, nicht das war, woran er gedacht hatte als ich ihn gefragt hatte.

Es war kalt geworden, deshalb kam mir diese Umarmung sehr gelegen. Grayson strahlte Wärme aus und ich kuschelte mich in seinen Hoodie.

"Ist dir kalt?", fragte er nach einer Weile voller Wärme. Ich nickte. Grayson zog seinen dicken Kaputzenpulli aus und ließ mich ihn überziehen. Ich musste leicht kichern.

"Warum lachst du?", fragte Grayson belustigt.
"Das ist gerade so klischeehaft...", erklärte ich immer noch kichernd.
"Weißt du, was noch klischeehafter wäre?", fragte er.
"Was denn?", wollte ich wissen.
"Wenn ich dich jetzt küssen würde...", meinte er und fügte noch ein: "Ich bin nämlich ein guter Küsser..." Spielerisch boxte ich ihn in die Schulter. Er machte tatsächlich Anstalten, mich zu küssen und mein Herz setzte für einen Moment aus, doch anscheinend hatte ich mich zu sehr hinein gesteigert.

"Lass uns jetzt reingehen." Er hatte Recht. Wir standen jetzt schon länger als eine Stunde hier draußen und die Müdigkeit hing mir in den Knochen.
"Will Madame jetzt auch noch getragen werden?", fragte Grayson lachend, als er meinen müden Gang sah. Kichernd nickte ich.

Die Art und Weise wie er mich trug erinnerte mich an gestern. Als er mir klarmachen wollte, dass Ryan nichts Gutes im Sinn hatte. Nur jetzt fühlte ich mich wohler und sicherer.

Als er mich in meinem Zimmer aufs Bett legte, zog ich meine Decke sofort über mich. Ich war müde und wollte schlafen. Immerhin ging es morgen in die Schule.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Grayson mich noch eine Weile lächelnd ansah, bis er aus meinem Zimmer verschwand und die Tür leise schloss.

Verrückt nach dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt