«Leo? Kommst du vielleicht da runter?» Nick blickt ängstlich zu mir hoch. «Warum?» Frage ich, ohne ihn anzuschauen. Schaue weiter geradeaus. Soll ich gehen? «Weil es hoch ist.» «Na und?» Immer noch unbeeindruckt bleibe ich sitzen. Der Weg wird weit sein. «Dann komm ich eben hoch.» Nick ist hartnäckig. Schon beginnt er, auf das Dach zu klettern, auf dem ich sitze. «Nick lass das.» Sage ich, aber sehe, dass es zu spät ist.
Schon ist er oben. Dann halt. «An was denkst du?» Er kann wohl nicht schweigen. «An den Brief. Ob ich gehen sollte.» Warum erzähle ich ihm überhaupt alles? Ich tue es einfach. Irgendetwas sagt mir das ich ihm vertrauen kann. Er mustert mich nachdenklich. Ich wende den Blick ab. Die Reise würde ungefähr drei Wochen gehen. Wenn wir einen fahrbaren Untersatz hätten, nur so um die zwei Wochen. Lia hat mich zwar im Stich gelassen. Aber ich schulde ihr etwas. Schliesslich ist sie meine Schwester. Mein Beschluss steht fest. «Ich werde gehen.» Sage ich entschlossen. Nick beobachtet mich nachdenklich. «Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mitkomme?» Ich schaue ihn prüfend an. «Wieso? Wir kennen uns noch nicht mal einen Tag und du willst mit mir kommen.» Er grinst. «Wir sind beide Landstreicher, haben kein festes Zuhause und ich liebe Abenteuer.» Nachdenklich fixiere ich ihn und versuche etwas an seinen Gesten zu erkennen, was mir verraten würde, das er mir nicht wirklich helfen will. Aber er sieht durch und durch ehrlich aus. Langsam nicke ich. «Na gut. Aber denk immer daran: Ich habe das Messer.» Er grinst. «Klar doch und ich habe ein gutes Gedächtnis.» Ich muss lächeln. «Ehm, können wir vielleicht wieder runter gehen?» Fragt er plötzlich und rutscht unbehaglich hin und her. «Hast du etwa Höhenangst?» Frage ich erstaunt. Er scheint kurz zu überlegen und schüttelt dann den Kopf. «Ich habe nur keine Lust hier Stundenlang herumzusitzen.» Und schon kommt Bewegung in seinen Körper und vorsichtig klettert er wieder herunter. Kurz darauf folge ich ihm. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Höhenangst hat, ganz im Gegensatz zu mir, aber wenn er darauf besteht, es zu verleugnen...
«Los, mach nicht schon schlapp ich kann das Dorf noch sehen.» Genervt schaue ich hinter mich. Ein paar Meter hinter mir trottet Nick. Seinen Rucksack festgeschnallt und mich trotzig anschauend. «Jetzt mach doch nicht so einen Stress. Wenn du dich jetzt beeilst, hast du später keine Kraft mehr.» Dann geht er in seinem, für meinen Geschmack viel zu langsamem, Tempo weiter. So laufen wir ein paar Meter entfernt durch die karge Landschaft. Hinter uns wird das Dorf immer kleiner und rechts erstreckt sich ,,mein,, Wald. Sonst ist ausser der Bergkette am Horizont nichts als feuchte Erde und Morast. Schnell ziehe ich mein Bündel nochmals nach und stampfe dann weiter. Bei jedem meiner Schritte sinken meine Schuhe bis zu den Knöcheln ein. Zum Glück habe ich Stiefel an, welche mir bis zur Mitte meiner Waden gehen. Mein Blick wandert zur Sonne. Ihrem Stand nach zu urteilen, ist es ungefähr halb sechs am Abend. Das ist nicht verwunderlich. Noch länger haben wir uns im Dorf aufgehalten. Nachdem wir unsere Sachen aus dem Hotel geholt hatten, machten wir uns auf den Weg zum normalen Markt, wir legten unsere Goldstücke zusammen und kauften so viel Proviant wie wir tragen konnten. Soviel ich weiss, führt unser Weg an keinem Dorf vorbei, obwohl ich natürlich auch einfach jagen gehen kann. Aber der Herbst kommt immer näher und das Wild verzieht sich in die sicheren Verstecke, welche selbst ich nicht sofort aufspüren kann.
«Ehm Leo?» «Ja?» «Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen.» «Warum?» «Deshalb.» Er deutet auf die dunklen Gewitterwolken, welche sich von Westen nähern. Ich kneife die Augen zusammen und mustere die Wolken. Sie scheinen nicht sehr nahe, aber man weiss nicht, wie schnell sich die Wolken nähern. Trotzdem, mindestens eine Meile werden wir noch schaffen. «Wir gehen einfach mal weiter.» Bestimme ich und marschiere weiter. Seit wir gestern losgezogen sind, hat es das Wetter noch gut mit uns gemeint, doch irgendwann wird auch das Herbstwetter sich bemerkbar machen. Mit den Augen suche ich die gleiche karge Landschaft ab, aber ausser ein paar mickrigen Bäumen, sehe ich keinerlei Unterschlupf. «Ehm Leo?» «Ja?» Frage ich genervt. Vielleicht ist es auch einfach nur seine Art, so viele Fragen zu stellen, aber langsam nervt es mich. «Du hast etwas verloren.» Ich bleibe stehen, drehe mich um und sehe ihn grinsen. In seiner rechten Hand hält er meinen Beutel mit den heimlich aufbewahrten Goldstücken. Woher hat er diese den her? Ohne etwas zu sagen laufe ich weiter. Soll er sie doch behalten, aber wir müssen weiter.
Drei Stunden später jedoch, werden wir regelrecht von den Windböen durchgeschüttelt. Es ist kalt und mein Atem bildet Wölkchen in der Luft. «Wollen wir jetzt einen Unterschlupf suchen?» Ruft Nick mir durch den Wind zu. «Siehst du hier vielleicht einen? Wir sind ja dran einen zu suchen.» Schreie ich zurück. «Was?» Er hat mich nicht verstanden. «Ich sagte, wir sind ja dran.» Diesmal versteht er. Mit fast geschlossenen Augen kämpfe ich mich durch den Wind. Er bläst immer stärker, mir wird es leid, meine Kapuze mit aller Kraft festzuhalten und ich schiebe sie mir in die Innenseite meiner Jacke. Dann gehe ich weiter. Nick scheint die gleichen Probleme wie ich zu haben, auch er kämpft mühsam gegen den Wind. Besorgt blicke ich zum Waldrand. Die Bäume sind geneigt und das Rauschen der Blätter kann ich bis hier hören. Falls ein Ast abbrechen soll, ist es gut möglich, das der Wind ihn zu uns wehen wird. Ich kann nur hoffen, dass es nicht geschehen wird. Damit ich mehr Gleichgewicht habe, konzentriere ich mich nur auf meine Schritte. Rechter Fuss, linker Fuss, rechter Fuss, linker Fuss. Nur das Pfeifen des Windes begleitet mich. Bald darauf folgen noch Regentropfen. Kalt und nass klatschen sie mir gegen mein Gesicht und verschleiern meine Sicht. Aber ich laufe weiter. Schaue auf den Boden und stampfe weiter. Ich rutsche mehrmals aus, schafft es aber, auf mir unerklärliche Weise, nie hinzufallen. Nick läuft neben mir. Seine Haare und Kleidung sind durchnässt, gleich wie meine. Das Wasser läuft mir in kleinen Rinnsalen über mein Gesicht und immer wieder wische ich über mein Gesicht. Wie lange will dieses Wetter noch anhalten? Dann zuckt plötzlich ein Lichtblitz auf. Kurz darauf grollt es laut über mir. Na toll. Ein Gewitter ist genau das, was wir jetzt noch brauchen. Nick tippt mir auf die Schulter und blickt zum Wald. Zwar weiss ich, dass man bei einem Gewitter nicht in den Wald gehen soll, allerdings wären unsere Überlebenschancen grösser, wenn wie Bäume um uns haben. Eilig nickt ich und wir rennen gemeinsam Richtung Wald. Wieder zerreisst ein Lichtblitz den Himmel und ein Donner folgt sogleich. Jedes Mal zucke ich zusammen, denn mit Gewittern ist nicht zu spassen.
Unter den Bäumen regnet es nicht so fest, wie auf der flachen Landschaft, aber immer wieder müssen wir fallenden, kleineren Zweigen ausweichen. Bald finden wir aber eine kleine Höhle, in welcher wir Schutz suchen. Der Eingang ist ziemlich eng, wird aber schnell geräumig und weitet sich weiter aus. Meine Augen haben sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt und so taste ich mich der Wand entlang. Ein wenig entfernt höre ich Nicks Atem und gehe darauf zu, die Hände ausgestreckt. «Leo?» Fragt er in die Leere. «Ja?» Ich bleibe stehen. «Hast du eine Fackel oder so?» Ich überlege. Habe ich etwas eingepackt? «Ich glaube nicht.» Das fahle Licht, welches durch den Eingang scheint, beleuchtete den Raum kaum, jedoch kann ich langsam Nicks Umrisse erkennen und auch die Grösse der Höhle einschätzen. Sie ist ungefähr 25 Fuss breit und 40 Fuss lang. Der Boden, sowie die Wände sind aus Stein. Ich höre ein Seufzen und ein undefinierbares Geräusch. Erst als ich mich in die Richtung des Geräusches gedreht habe, sehe ich, dass Nick sich auf den Boden fallen gelassen hat und nun anfängt, Sachen aus seinem Rucksack heraus zu kramen. Auch ich lasse mich jetzt auf den kalten Boden nieder und suche in meinem Bündel meine Decke. Dann rolle ich sie auf dem Boden aus und kuschle mich hinein. Das sie etwas feucht ist, merke ich nicht richtig. Ob ich Nick einen teil meiner Decke anbieten soll? Als ich wieder einmal zu Nick hinüber sehe, bemerke ich, dass er ebenfalls eine Decke hat, aufrecht draufsitzt und an etwas kaut. «Was isst du da?» Frage ich. «Trockenes Brötchen.» Antwortet er. Erst jetzt merke ich, das ich seit heute Morgen nichts mehr gegessen habe und jetzt ist bestimmt schon fast Abend. Zwischen all meinen Sachen finde ich schliesslich ein paar getrocknete Früchte und verspeise sie. Auch nach dem Essen, Gewittert es stark. Ich bin sehr froh, dass die Höhle, nicht wie die meisten Höhlen, leicht oberhalb des Bodens ist, so konnte garantiert kein Wasser eindringen. «Gute Nacht. Ich schlafe jetzt.» Nick reisst mich aus meinen Gedanken. Wir haben seit das Gewitter angefangen hat, kein Wort miteinander gesprochen, aber trotzdem reden wir, ganz einfach ohne Worte. «Gute Nacht.» Murmle ich und höre seinem Geraschel zu. Bald darauf wird sein Atem gleichmässiger und noch lange lausche ich dem prasselnden Regen und beobachte, wie die Höhle regelmässig von Lichtblitzen erleuchtet wird.
Ich hoffe euch gefällt das neue Kapitel ;))
--> Dieses Kapitel ist überarbeitet!
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Waldläuferin -Vorläufig abgebrochen-
Fantasy,,Ich habe dir vertraut!'' Schreie ich. Er schaut mich schuldbewusst an. ,,Verstehe doch...'' ,,Nein!'' Unterbreche ich ihn. ,,Ich dachte du hilfst mir!'' Er will etwas erwiedern aber ich werde jetzt richtig wütend. Trauer durchfährt mich. ,,Verschw...