Neue, alte Zeiten

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«Also, die Reise dauert nicht lange, nur ein paar Minuten, dabei kann gar nichts passieren.» Mit diesen Worten überreicht mir Lia ein Amulett. Ich erkenne es sofort wieder, es ist das Amulett, welches ich hiergelassen habe. Zögernd nehme ich die Kette entgegen und mustere den silberschwarzen Stein, mit einem grossen Riss in der Mitte. «Bereit?» Ich nicke und nehme Nick an der Hand. Dann schliesse ich die Augen und stelle Nick und mich in einem dunklen schwarzen Loch vor. Kälte umringt mich, dringt durch meine Kleidung und ich umfasse die Hand von Nick fester. «Zum Schloss des Königs.» Flüstere ich. Sofort wurde es wieder warm um uns und ich öffne meine Augen. Wir stehen vor einem beeindruckend grossen Schloss. Das dunkle Gemäuer hebt sich zum hellen Himmel hervor und bildet einen Starken Kontrast. «Los geht's.» Nick zuckt erschrocken zusammen, als Lia neben uns auftaucht und ohne Umschweife auf das Schloss zumarschiert. Bei den Wachen bleibt sie stehen und wechselt ein paar Worte mit ihnen. «Kommt! Wir haben nicht ewig Zeit!» Ich folge ihr wortlos und Nickt folgt mir wie ein kleines Hündchen.

«Ach, wie schön sie zu sehen.» Der dickliche Mann stolziert durch den länglichen Raum auf uns zu. «Ich habe die Thronfolgerin meiner Schwester. Sie wird Liliths Reich übernehmen.» Der König lacht und winkt ein paar Diener herbei. «Soso. Nun gut, dann muss ich mir ja keine Sorgen um mein Reich machen.» Lia schüttelt den Kopf. «Nein, und ausserdem gehört Liliths Reich uns und nicht dir.» Er lässt sich Wein einschenken und stampft schwerfällig auf mich zu. «Wirst du denn der Aufgabe gewachsen sein?» Ich schlucke. Sein stinkender Atem nimmt mir fast die Luft und ich nicke schnell. «Gut.» Er tritt zurück und schwingt sein Gewand erstaunlicherweise elegant um sich. «Ich muss dich wohl kaum an die Regeln erinnern Lia oder?» «Nein danke, mir sind die Regeln durchaus bewusst.» Nick hat sich bis jetzt noch nicht zu Wort gemeldet. Was wahrscheinlich auch besser so ist. «Und wer bist du überhaupt? Bist du der Freund von der neuen Prinzessin?» Nick erstarrt. Dann schüttelt er etwas übereilig den Kopf. «Nein Hoheit, ich bin nur ein Reisegefährte.» Er mustert Nick genau. «Wenn du dies behauptest. Und nun geht mir aus den Augen!» «Los, kommt! Wir sehen uns im Schloss.» Damit ist Lia verschwunden. Auch wir machen uns schnellstmöglich auf den Weg nach draussen. «Wie macht sie das bloss?» Murmelt Nick. «Was meinst du?» «Dieses ewige verschwinden. Und auftauchen. Das nervt.» Ich seufze. Er weiss wirklich wenig von der Welt. «Sie ist die Prinzessin. Jede Prinzessin besitzt ein Amulett, mit welchem man sich überall auf der Welt bewegen kann. Man muss nur den Namen nennen.» Nick nickt nachdenklich. «Bist du... bist du auch eine Prinzessin?» Ich schüttle den Kopf. «Wir müssen los.» Packe seine Hand und befühle mein Amulett in der Tasche.

Im nächsten Augenblick stehen wir auch bereits im Beratungsraum in Lias Palast. Zu meiner Überraschung wartet nicht nur Lia auf uns. Am grossen Tisch stehen auch noch Liv und Lucy. Als Liv mich erblickt, rennt sie sofort auf mich zu. «Leonie!» Ruft sie und umarmt mich. «Es ist schön dich wieder zu sehen.» Flüstert sie. Jemand räuspert sich. Liv gesellt sich verlegen wieder zu Lia und Lucy. «Würde es dir etwas ausmachen, deinen... Freund wegzuschicken?» Ich schaue fragend zu Nick. Dieser zuckt nur lächelnd mit den Schultern. «Wenn ich bis morgen nicht dein Zimmer gefunden habe, kommst du mich suchen?» Fragt er. Ich nicke lächelnd. Erleichtert dreht er sich um und verlässt den Saal. «Wer ist das überhaupt? Du kannst doch nicht einfach einen Landstreicher mit in einen Palast nehmen!» Lucy fährt sich aufgebracht durch die Haare. Ich schaue sie wütend an. «Er war wenigstens für mich da, als ich jemanden gebraucht habe, was man von dir nicht behaupten kann.» Lucy schaut mich abschätzig an. «Er hat hier nichts verloren!» «Ach ja? Nur weil er keine Kräfte hat? Habe ich auch nicht, das heisst ich kann auch gehen.» Ich drehe mich um und mache mich auf zur Tür. «Warte! Leonie! Lucy hat es nicht so gemeint?» Ich drehe mich auf dem Absatz um. «Nein? Wie hat sie es denn gemeint?» Lia schaut hilfesuchend zu Liv, diese steht jedoch schweigend und mit verschränkten Armen da. Sie will sich nicht einmischen. «Lucy? Willst du Leonie etwas sagen?» Lucy schnaubt. «Wir werden ihn ja nicht mehr lange sehen. Es tut mir leid und komm bitte wieder her, wir müssen wichtige Sachen besprechen.» In ihrer Stimme schwingt keinerlei Reue mit. Trotzdem schreite ich langsam wieder auf den grossen Tisch zu und starre Lucy wütend an. «Gut, da dies jetzt geklärt ist. Leonie wird in den nächsten Tagen in Liliths Palast ziehen.» Beginnt Lia. «Und den Landstreicher loswerden.» ergänzt Lucy. «Halt die Klappe Lucy.» Ruft Liv genervt rein. «Aber er...» «Verdammt niemand interessiert sich für ihn okay? Also lass es gut sein.» 1:0 für Liv. Lia fährt etwas unsicher fort. «Wir müssen noch eine neue Zofe für Leonie organisieren, sowie Kleider und schmuck in der Passenden Grösse, du brauchst einen Schnellkurs in Benehmen, Tanzen, richtig Essen und allgemein Benimmregeln. Ein Offizier deiner Stadt wird dich in die Regeln und Überwachungen einführen.» «Warte mal, die Stadt wird überwacht?» Unterbreche ich sie. «Nein, nicht direkt. Es gibt einfach Sicherheitskontrollen, du kriegst Königskrieger zur Seite gestellt und wirst jeweils einmal am Tag diese selbst anführen. Habe ich etwas vergessen?» Lia schaut fragend zu Liv und Lucy. Die perfekte Gelegenheit für Lucy, mir nochmals eins auszuwischen. «Wie willst du ihre Kräfte ersetzten? Sie hat keine, schon vergessen?» Liv stöhnt. «Nicht schon wieder.» «Das habe ich doch bereits gesagt. Die Kräfte sind nicht zwingend nötig und sonst kann sie uns um Hilfe bitten.» «Sie wird aber manchmal keine Zeit haben, um zuerst uns aufzusuchen. Ausserdem haben wir auch unsere Pflichten und keine Zeit für sie.» Lucy kommt nun richtig in Fahrt. «Sie wird sich...» «Ich stehe neben euch, falls ihr das vergessen habt.» Unterbreche ich Lia. «Ihr könnt dies ja noch ausdiskutieren, ich gehe jetzt erst essen und dann schlafen. Falls ihr euch bis morgen bereits geeinigt habt, könnt ihr mir bescheid geben.» Mit diesen Worten lasse ich die verdutzen drei Prinzessinnen zurück und marschiere mit einem siegessicheren Lächeln zu meinem Zimmer. Und zu Nick.

«Ich habe dich etwas gefragt.» «Was?» Ich schaue von meinem Buch auf, welches ich nachdenklich in der Hand gedreht habe. «Vorhin. Ich fragte dich, ob du auch eine Prinzessin bist? Du bist doch Lias Schwester oder?» Der Boden hat plötzlich einen ganz interessanten Riss. Den muss ich mir genauer ansehen. «Leo, bitte erzähl mir doch was los ist. Du betrachtest deine Schwester als ob sie dich umbringen wollte. Das ist für gewöhnlich bei Schwestern anders. Und wenn du eine Prinzessin bist, warum lebst du in einem Dorf und schläfst im Wald?» Noch immer betrachte ich den Riss am Boden. Was wohl passiert wenn der Boden bricht? Kann das überhaupt passieren? «Leonie? Den Riss kannst du dir später ansehen.» Ich erstarre. Nick steht ganz nahe bei mir. Ich spüre es. «Bitte, du kannst es mir erzählen. Aber ich mag es nicht, wenn du so traurig bist. Ich habe dich erlebt, wie du glücklich sein kannst. Als ich dich zum ersten mal gesehen habe. Wie du gelächelt hast. Aber seit wir hier sind, bist du... Du bist so anders.» Ich schaue zu ihm auf. Sein Gesicht ist kaum ein paar Zentimeter von meinem entfernt. Seine grünen Augen glitzern. «Also gut, ich werde es dir erzählen.»

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Waldläuferin -Vorläufig abgebrochen-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt