Als Clara aus dem Zug stieg, stand die Sonne hoch am Himmel. Es war schon nach Mittag und die Hitze des Sommers ließ die Luft flimmern. Es war ein kleiner Bahnhof, der nicht sehr gepflegt war. Die Fassade des Bahnhofgebäudes blätterte schon ab und die Uhr ging auch nicht mehr. Die Fenster waren stellenweise mit Brettern vernagelt worden und die übrigen Scheiben waren vom Dreck undurchsichtig geworden. Mit ihren Taschen ging sie durch das Gebäude, es war verstaubt und ab und an sah man kleine Pfoten Abdrücke im Staub, wahrscheinlich von Mäusen oder Ratten. Spinnenweben kleideten das Gebäude, wie für eine Halloweenparty und es roch vermodert. Anscheinend waren schon seit Jahren keine Gäste mehr mit dem Zug angereist oder jemand der Dorfbewohner abgereist.
Sie verließ das Gebäude und stand an einer Straße, wahrscheinlich die Hauptstraße. Clara schaute nach links und ein Schild mit der Aufschrift „Willkommen in Sankt Mary“ stand dort. Sie ging die Straße entlang zum Stadtkern. Nach einigen Minuten kam Clara an einen Dinner vorbei, es war direkt neben dem Postamt. „Dies muss es sein.“ Sagte sie sich selbst und ging rein. Die Einrichtung war im Stil der Fünfziger Jahre gehalten und die Bedienungen hatten liebe Kostüme an. Knie lange Röcke in einem Weiß-Roten-Punkte Muster. Das Oberteil war Schwarz und zeigte viel Dekolleté, was die Kaufkraft der männlichen Bevölkerung wohl steigern sollte. Sie setzte auf einen der grünen, weichen Bänke an den Fenstern und schaute auf die Straße hinaus. Ein paar Menschen liefen umher, Autos fuhren gemächlich die Straße entlang und ein paar Jugendliche auf Fahrrädern standen auf der gegenüberliegenden Seite. Clara spürte die Kälte in ihren Nacken und sah, wie die Kinder mit böser Miene zu ihr schauten. Sie redeten und zeigten auf sie, dann fuhren sie davon. „Willkommen in Sankt Mary, Miss. Darf ich ihnen etwas bringen?“ riss die Stimme der Kellnerin sie aus ihren Gedanken. „Ja einen Kaffee bitte. Mit Milch und Zucker.“ Antwortete sie und lächelte freundlich. Die Kellnerin nickte kurz und verschwand dann wieder.
Die kleine Glocke an der Tür des Dinners klingelte und signalisierte, dass ein neuer Kunde herein kam. Der ältere Herr schaute sich kurz im Dinner um und ging dann zum Tisch wo Clara saß, setzte sich gegenüber von ihr hin und lächelte. „Hallo Mrs. Taylor. Ich bin Dean Watson, ihr Makler.“ Die Kellnerin kam zum Tisch und stellte das Tablett, mit dem Kaffee und der Milch darauf, vor Clara. „Für mich bitte ein Kaffee. Schwarz.“ Sagte Dean und lehnte sich zurück. Abermals nickte die Bedienung und ging wieder zum Tresen. Mr. Watson kramte in seiner Aktentasche und zog dann eine Klarsichthülle heraus und legte sie auf den Tisch. „So Mrs. Taylor. Ich habe die Papiere für das Objekt schon fertig gemacht. Es befindet sich in der Lexington, keinen Kilometer von hier entfernt.“ Er schob die Unterlagen zu ihr rüber und Clara schaute sich das Haus an. Es war ein gelbes Haus, mit grünen Fensterläden und einer Veranda davor. Wenn man das Haus betrat, führte eine Treppe in den zweiten Stock, wo es links in die Schlafzimmer ging und rechts zu einem weiteren Zimmer und einem Badezimmer. An der Treppe vorbei, gab es einem kleinen Abstellraum. Vor der Treppe links ging es in das Wohnzimmer und rechts rum in die Küche. Es war klein und bescheide. Sie freute sich so ein Objekt kurzfristig gefunden zu haben. „Und was soll das Haus nun kosten, Mr. Watson?“ sie blickte zu Dean. „Das ist der Witz an der Sache.“ Sagte er lächelnd. „Es ist ziemlich Preiswert. Es soll Fünfundvierzigtausend Dollar kosten.“ Mittlerweile bekam er seinen Kaffee und der Makler bezahlte gleich beide Kaffee. „Schon in Ordnung.“
Nach dem Kaffee gingen beide zusammen aus dem Dinner. Entlang der Straße und dann rechts die Seitenstraße rein. „Lexington St.“ Zeigte das grüne Schild. Die Straße war sehr ordentlich. Gepflegte Vorgärten schienen um die Wette zu blühen und die Häuser sahen aus, als ob sie gerade erst gebaut worden sind. Am Ende der Straße stand ein Haus, der Garten war wildert, die Fassade ausgeblichen von den Sonnenstrahlen und die Veranda sah Morsch und brüchig aus. „Es ist zurzeit in einem schlechten Zustand, aber die Handwerker werden nächste Woche kommen und alles erneuern.“ Sagte Dean, während sie zum Haus gingen. Das kleine, weiße Gartentor knarrte und sie betraten den Vorgarten. Disteln und anderes Unkraut wucherten dort. „Den Garten müssen sie selber wieder herrichten. Es sei denn, sie wollen das ich ihnen einen Gärtner engagiere.“ Clara schaute Dean spöttisch an. „Keine Sorge, ich mach so etwas gerne. Bemühen sie sich bitte nicht.“
Sie traten in das Haus ein und Mr. Watson zeigte ihr alles. Clara war begeistert. Es war schöner auf als auf den Bildern. Natürlich musste einiges Gerichtet werden, aber das war anzunehmen. Ein Gasherd zierte die Küche und der kleine Esstisch in der Nische beim Eckfenster war ein wahrer Blickfänger. Im Wohnzimmer befand sich noch ein Kamin, der auf den Fotos nicht abgelichtet war und Mrs. Taylor verliebte sich in dieses Gebäude. „Nun Mrs. Taylor, ich hoffe, ich habe nicht zu viel versprochen.“ Sagte Dean gelassen, da er spürte wie begeistert sie war. „Aber“, begann er zögerlich, „bitte lassen sie uns in die Küche gehen.“ Ohne ein Wort und voller Staunen folgte sie ihm in die Küche. Nachdem sie Platz genommen hatten, fuhr Dean fort. „Ich möchte ihnen etwas nicht verschweigen, Mrs. Taylor. Die Vorbesitzerin, Mrs. Torres, ist spurlos verschwunden. Nach einer Weile gaben wir das Haus wieder zum Verkauf frei, da die laufenden Kosten, noch nicht abgegolten waren. Da wäre auch noch die Tatsache, dass Mrs. Torres nicht die erste Person ist, die in diesem Haus verschwand.“ Der Makler holte eine Mappe aus seiner Tasche und legte sie auf dem Tisch. „Fünfzehn Personen wohnten seit dem Bau dieses Objektes hier. Alle verschwanden Spurlos und niemand in der Gemeinde hat etwas mitbekommen oder gehört. Das „Haus“ gilt als Verflucht unter den Einheimischen.“ Clara fuhr ein Schauer über den Rücken und ihre Nackenhaare stellten sich auf. „Keine der fünfzehn Personen war verheiratet oder in einer Partnerschaft, darum bitte ich sie, sehr wachsam zu sein. Ich möchte dieses Haus nicht wieder auf meinen Schreibtisch haben.“ Deans Stimme klang kalt und ernst. Clara schmunzelte. „Das sind doch alles nur Zufälle und Aberglaube. Ich denke, es hatte vielleicht seine Gründe. Ich werde es Kaufen. Es ist einfach „Perfekt“.“ Nach diesen Worten schob Dean den Kaufvertrag zu ihr rüber und sie unterzeichnete ohne lange zu überlegen.
Sie begleitete den Makler noch zur Tür und verabschiedete sich von ihm. Dean machte noch ein paar Schritte und drehte sich dann um. „Bitte Mrs. Taylor, passen sie auf sich auf! Irgendwas Stimmt mit diesem Haus nicht.“ Sein Blick war voller Fürsorge und Angst. „Machen sie sich keine Gedanken, Mr. Watson. Ich komm die Woche mit dem Scheck vorbei.“ Gab sie freundlich von sich und schloss die Tür. „Home, sweet Home“, dachte Clara sich und fing an ihre Koffer auszupacken.
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Die Mordokai Trilogie: Das Dorf
HorrorClara Taylor versuchte nach dem Tot ihrer Tochter ein neues Leben zu beginnen. Sie zog in das kleine Dorf Sankt Mary und versucht sich neu zu finden, die Erlebnisse hinter sich zu lassen. Doch die Idyllische Kleinstadt birgt ein dunkles Geheimnis. S...