Kapitel 12: Totgesagte

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Als Clara erwachte zog ein kühler Wind durch das unscheinbare Haus. Sie fühlte sich desorientiert und unwohl. Luna schnurrte leise auf ihren Bauch und war zusammen gerollt, wie ein kleiner Engel lag sie da, friedlich und ruhig. Clara nahm die Katze hoch und setzte sie auf den Boden. Ein wenig sauer und verständnislos schlich die kleine Katze davon und Clara richtete sich auf der Couch auf. Langsam merkte sie, dass sie in ihrem Wohnzimmer war. In ihrem Mund hatte sich ein pelziger Geschmack auf der Zunge gebildet, welchen sie nur kannte, wenn sie irgendwo einschlief und vergessen hatte ihre Zähne zu putzen. Als sie gerade zur Treppe ging, um ins Bad zu gehen, bemerkte sie, wo der kalte Luftzug herkam. Die Wohnungstür war ein Spalt offen und ein Blatt wurde hindurch geweht in das Haus. Es drehte seine Saltos durch die Luft, wie ein Leichtathlet und blieb schlussendlich an der Holzverkleidung von der Treppe hängen. Ein wenig verwundert über dieses Schauspiel ging Clara zu dem Blatt und spürte einen leichten Luftzug an dem Holz. In ihren Hinterkopf klopfte etwas. Ihre Erinnerung war noch nicht ganz da, sie hob geistesabwesend das Blatt auf und trug es nach draußen, dann schloss sie die Tür und ging in den ersten Stock um endlich diesen Geschmack aus dem Mund zu bekommen. Als sie vor dem Spiegel stand und gerade dabei war, sich der Körperhygiene hinzugeben, schoss es ihr wie tausend Blitze durch den Kopf. Aber natürlich, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen, sagte sie, Spuckte die Zahnpasta aus und eilte die Treppe hinunter. Sie erinnerte sich an den Traum den sie hatte. An die Tür, die sie nicht öffnen konnte, an das Schreiben, welches von einem Raum in diesen Haus sprach. Sie klopfte wieder gegen die Fassade, doch immer noch klang die stumpf. Ohne zu zögern, holte sie ein Messer aus der Küche und versuchte die Holzverkleidung damit abzubrechen oder zumindest irgendwie zu lösen. Unter einen Ächzen und Stöhnen gab das Holz langsam nach und Clara riss mit bloßen Händen, die Holzlatten raus. Eine Tür kam zum Vorschein. Alt, modrig, von der Zeit gezeichnet. Sie fand nur ein kleines Loch, was wohl zum Öffnen der Tür vorgesehen war. Langsam steckte sie den Zeigefinger rein und zog an der Tür, welche mit einen knacken langsam aufging.

Weit entfernt in einem Restaurant saß Mordokai und trank einen Kaffee. Vor sich die Tageszeitung und las einen Artikel. „Bekannter Unternehmer überlebt Katastrophe, war die Überschrift. Der Geschäftsmann James Taylor wurde nach einem schweren Unfall, in dem sein Anwesen zusammenbrach, wieder ins Krankenhaus eingeliefert. Sein Zustand ist Stabil und man erwartet die baldige Genesung des Patienten. Sein Butler, Charles Thomas, überlebte das Unglück leider nicht. Die Beisetzung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.“ Der alte Mann verzog keine Miene, legte die Zeitung weg und trank einen Schluck von seinem Kaffee. Sein Mantel war immer noch leicht staubig vom zusammenbrechenden Haus. Seinen Hut hatte er neben sich auf die Sitzbank gelegt und begutachtete ihn, wie er so schlaff da lag. „Wir haben schon viel zusammen durchgemacht was alter Freund?“, murmelte Lou zu sich selbst und schaute in Richtung Bedienung. Mit einem Lächeln, kam diese auch schon mit der Kaffeekanne geeilt und ohne zu fragen goss sie nach. Als sie gehen wollte, packte Mordokai ihr Handgelenk. „Sagen sie, junge Frau, wollen sie raus aus dieser Stadt? Endlich mal Geld und Zeit haben um sich die Welt anzuschauen? Ja vielleicht sogar Paris?“ Mordokai lächelte und seine Augen blitzten. Die Kellnerin war angeekelt von dem älteren Herren, doch irgendwas hatte er an sich, dass sie bleiben lies. „Wie meinen sie das genau?“ fragte sie zaghaft und setzte sich gegenüber von Mordokai auf die Bank. Die Bedienung war gerade mal Mitte zwanzig, hatte braunes, gelocktes Haar und rehbraune Augen. Ein lächeln zeigte kleine verspielte Grübchen an den Wangen und einen kurzen Augenblick schien es, als ob der ältere Herr Freude daran hätte.

Nach dem Mordokai das Geschäftliche abgeschlossen hatte, verließ er das Restaurant und ging ziellos durch die Straßen. Gedanken jagten durch seinen Kopf und er war sich nicht ganz sicher, ob es richtig war. Er könnte warten, bis James erwacht. Er könnte auch ein wenig nachhelfen, dass er schneller erwacht. Lou hatte nur eine Chance, dass dieser Pakt abgeschlossen wurde. James musste ihn zu Clara führen, irgendwie. Ihre Tochter hatte er bereits, nun fehlte nur noch sie und zu guter letzte nochmal er. Er wusste nicht mal wie James das überlebt hatte, aber er war deswegen ein wenig erleichtert. Immerhin war die Welt groß und wer weiß, wo sich Clara hin verzogen hat, nachdem ihre geliebte Tochter zerschmettert wurde. Entschlossenen Schrittes ging Mordokai zum Krankenhaus. Es war dort nicht sein erster Besuch und kam sowieso ohne Probleme überall hin, wo er wollte, wenn er wusste, wo das ist. Als er die Krankenhaustür passierte, kam der Geruch von Desinfektionsmittel in seine Nase. Menschen die warteten oder aufgeregt auf und ab liefen. Es war ein schöner Anblick für ihn. Normale Menschen in Nöten. Lou war sichtlich erheitert und so lief er ohne zu zögern zum Fahrstuhl. Auf seinen Weg kreuzte er eine Mutter mit einem Kind auf dem Arm, was nicht aufhörte zu schreien, ein verwahrloster junger Mann saß ein paar Stühle weiter und stank nach Straße und Fäkalien. Niemand beachtete den alten Mann mit den schwarzen Mantel und Hut, als wenn er unsichtbar war. Mordokai kam am Fahrstuhl an und wie von Zauberhand öffnete dieser sich in dem Moment und er trat ein. Ohne auf irgendeinen Knopf zu drücken, schlossen sich die Türen und er fuhr direkt auf die Intensivstation. Mit ruhigen Schritten ging er durch den Korridor. Piepende Geräusche, besorgte Ärzte und Schwestern überall. Mordokai atmete tief ein und entspannte sich dabei. Er schloss seine Augen und verweilte kurz an einem Zimmer, wo ein Arzt gerade versuchte mit Hilfe anderer Angestellten einen Patienten zu reanimieren. Das Piepen wurde schneller und es ging über in einen Dauerton. Exitus. Mordokai lächelte und ging weiter. Immer in Richtung zum Zimmer von James.

Mordokai ging in das Zimmer wo James lag. Die Luft war stickig und nicht sehr angenehm. Wie soll man bei so einer Luft nur gesund werden? Fragte sich Lou und ging näher zum Bett. James lag da, verbände zierten seinen Körper, ruhig und friedlich. Der alte Mann holte sich das Krankenblatt und setzte sich auf den Stuhl, welcher neben dem Bett stand. Schwere Verbrennungen, Knochenbrüche und Schnittwunden. Mordokai blickte zu James auf. „Da hast du ja noch richtig Glück gehabt mein Guter, was?“ er lächelte dabei. „Armer James, liegt hier, der Schlauch steckt ihm im Hals und bewusstlos ist er auch noch. Normalerweise würde ich mich nicht mehr mit dir abgeben, wir hatten einen Packt, doch die Umstände zwingen mich gerade dazu dich nun zu besuchen. Du solltest eigentlich verrotten, unter der Erde liegen, aber deine Frau ist verschwunden und sie gehört leider zu unserem Packt dazu. Immerhin hättest du sie nie angesprochen, wenn es mich nicht gegeben hätte.“ Mordokai seufzte legte das Krankenblatt beiseite und ging zum Bett. Er beugte sich über James und musterte ihn. „Du siehst echt schrecklich aus. Nur leider müssen wir dich wieder flicken, damit du mich zu deiner Frau bringen kannst. Ich habe zwar die Gabe, gewisse Gefallen zu erfüllen, kann aber leider nicht hellsehen und habe auch keine Ahnung wo sie sich im Moment befindet.“ Er trat einen Schritt vom Bett weg und atmete durch. „Also James, sei ein braver Ehemann und such deine Frau.“ Sagte er, während er zur Tür raus ging. Mordokai schnippte mit den Fingern und ging entspannt den Korridor zurück, bis er im Fahrstuhl verschwand.

Die Geräte fingen an zu piepen, James schlug die Augen auf. Er röchelte, zerrte an den Schlauch in seinem Hals und riss ihn raus. Schwestern und ein Arzt eilten schon herbei und blieben wie angewurzelt stehen. James zog sich die Verbände ab und riss die Infusion raus. Kein Kratzer, keine Schramme, nicht mal Narben hatte er. „Wissen sie wie sie heißen?“ fragte der Arzt und schaute immer noch verwundert auf James. „Mein Name ist James Taylor. Ich bin in einem verfluchten Krankenhaus, weil ER zu bescheuert ist mich umzubringen.“ fluchte James und ging auf den Arzt zu. Zornig schaute er den Arzt an. „Wo sind meine Sachen? Ich möchte mich entlassen. SOFORT!“ Eine Schwester eilte schon los um die Sachen zu holen. Weder der Arzt, noch die zweite Schwester wussten, was sie davon halten sollten. Sie bekamen keinen Ton heraus. Nachdem James seine Klamotten erhalten hatte, ging er hinaus. Er war sich nicht sicher, warum er lebte, aber er war sich gewiss, bald würde er wissen, welches Spiel Lou noch mit ihm spielen wollte.

Die Mordokai Trilogie: Das DorfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt