„Noch zwei Kilometer.“ seufzte Clara. Die Autofahrt den Pass entlang war anstrengend und zog sich in die Länge. Die Zeit verhielt sich wie ein Kaugummi, zog sich in die Länge und wollte nicht aufhören. Paul hatte sie vor drei Tagen angerufen, sein Kontakt hatte sich gemeldet und wollte mit Clara reden. Alleine. Unter einem Vorwand, sie müsse zur Verwaltung in die Stadt, lieh sie sich ein Wagen und fuhr los, hoffte dass niemand Verdacht schöpfte. Andrew hatte ihr angeboten, sie zu fahren, aber das lehnte sie dankend ab. Immerhin brauchte sie keine Neugierigen Leute bei sich. Paul gab Clara am Telefon drei Adressen damit, falls das Telefon abgehört wurde, sie nicht verfolgt werden konnte. Sie wusste welche die Richtige war, denn Paul räusperte sich zwei Mal um zu signalisieren, welche es ist. Die Erleichterung kam über Clara, wie warme Sonnenstrahlen, als sie das Ortsschild passierte. „Endlich frei.“ Jubelte sie innerlich und wusste doch, dass sie wieder zurück musste. In die Stadt. In diesen psychischen Terror. Keiner der Bewohner äußerte sich darüber, dass Steve verschwunden war. Die offizielle Aussage war, dass er verlegt wurde. Da hätte man genauso gut sagen können, dass Donner von den Göttern gemacht wurde, die gerade beim Kegeln sind. Die Passstraße war steil und ziemlich eng, was nicht sehr üblich war, aber den Bewohnern von Sankt Mary zu Gute kam. Wenige befuhren die Straße und somit waren auch wenige Außenstehende gewillt, sich die schöne Stadt anzuschauen. Der Wald erblühte und in den schönsten Farben und das ein oder andere Reh konnte man im Wald erhaschen. Plötzlich raste ein Pickup mit getönten Scheiben von Hinten heran. Als Clara in den Rückspiegel schaute, erschrak sie sich, dass sie beinahe das Lenkrad rumriss und in den Graben fuhr. Der Pickup gab die ganze Zeit Lichthupe und fuhr auf. Stoßstange an Stoßstange. Das Fernlicht belendete sie und Angst stieg in ihr auf. Wieder diese Schleimige Schlange im Hals, die hochkroch und ihr die Luft nahm. „Verdammt, fahr doch vorbei.“ Brüllte Clara am Steuer. Der Pickup stieß sie an und ließ sich dann wieder leicht zurückfallen um nochmal Schwung zu holen. Sie hatte alle Mühe den Wagen, den sie von der Werkstatt geliehen hatte auf der Straße zu halten. Immerhin war sie in den frühen Morgenstunden losgefahren und somit lag der Nebel über der Straße wie ein Schleier und verhüllte sie. Wieder krachte es und der Wagen drehte sich. Clara trat auf die Bremse und kam nach einer halben Umdrehung endlich, kurz vor einem Baum, zum Stehen. Das letzte was sie sah waren die Rücklichter des Fahrzeuges, welches sie gerammt hatte, was Richtung Concens fuhr. „Wovor wollen die mich abhalten?“ fragte sie sich, lehnte sich im Sitz zurück und atmete tief durch. Ihre Hände waren Nass vom Angstschweiß und sie zitterten unaufhörlich. „Komm runter, Mädchen. Beruhig dich.“ sprach sie laut zu sich selbst und es dauerte eine Weile, bis sie ihren Weg fortsetzen konnte.
Die imposanten Häuser der Stadt Concens ragten in den Himmel, die Straßen wurden breiter und immer mehr Fahrzeuge bewegten sich auf der Straße. Wie Lachse, die zum Laichplatz zurückkehren, quetschten sie sich auf der Straße umher und die Geräuschkulisse wuchs an. Vom eben noch ruhigem Wald zum ohrenbetäubenden Stadtlärm. Autos hupten, Maschinen arbeiteten und viele Menschen wuselten wie Ameisen umher. Clara freute sich über die vielen Menschen. Normale Menschen. Zumindest bewahrten sie den Anschein, normal zu sein. Frauen in Kostümen und Männer in Anzügen hetzen umher, stiegen in Straßenbahnen und Bussen ein um zu ihren Arbeitsplätzen zu kommen. Kinder und Jugendliche mit Rucksäcken liefen in Kolonen zu den Schulen oder anderen schulischen Veranstaltungen. Clara hatte große Mühe nicht zu weinen, dachte sie doch bei den Bild der Schüler an Elisabeth, wie sie damals aus der Tür raus rannte um den Bus noch zu bekommen. Sie fuhr die Hauptstraße weiter, bog dann in eine Querstraße und schaute sich um. Eine verwahrloste Gegend. Mülltonnen mit Abfall der schon oben rausquoll, Ratten die sich tummelten und Obdachlose die zusammen saßen und Gespräche führten. All dieses Elend nur einen Katzensprung von der belebten Straße mit den teuren Modegeschäften entfernt. Ein trauriges Bild. Auf halber Strecke, bog sie links in einen Hof ein und hielt an. Sie schaute auf ihren Zettel. „Nummer Einhundertdreiundfünfzig“ stand darauf und sie blickte sich um. An einer schäbigen, grünen Tür, die schon bessere Zeiten gesehen hatte, prangerte die Nummer. Clara stellte den Motor hab, nahm ihre Handtasche aus dem Fussraum und stieg aus. Sie schaute sich um, konnte aber niemanden erblicken und ging zur Tür. Mehrere Namen standen auf den Schild und sie drückte die Klingel, die keinen Namen hatte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis das Surren ertönte und Clara die Tür öffnen konnte. Der Hausflur war genauso, wie sie erwartet hatte. Komplett gekachelt, hier und da fehlten einige Kacheln oder waren gesprungen. Die metallischen Briefkästen prangerten wie ein Fremdkörper an der Wand. Vor ihr erstreckte sich eine alte Holztreppe nach oben. Sie war nicht sehr breit und sah aus, als ob sie nicht mehr lange halten würde. Clara schritt die Stufen nach oben, jeder Schritt brachte das alte Holz zum Knarren und als sie den ersten Stock erreichte, stand die Tür zur ihrer linken einen Spalt offen. Clara ging auf die Tür zu und drückte sie leicht auf. „Hallo?“ fragte sie zaghaft und ein kräftiges „Kommen sie nur herein.“ Ertönte zurück. Sie ging durch die Tür und schloss sie hinter sich. Die Wände im Flur hatten schon Schimmel durch die Feuchtigkeit angesetzt und die Tapete hing schon an den Ecken hinunter oder war eingerissen. Schuhe und Jacken lagen in den Ecken und teilten sich den engen Raum mit Müllbeuteln und Elektroschrott.
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Die Mordokai Trilogie: Das Dorf
HorrorClara Taylor versuchte nach dem Tot ihrer Tochter ein neues Leben zu beginnen. Sie zog in das kleine Dorf Sankt Mary und versucht sich neu zu finden, die Erlebnisse hinter sich zu lassen. Doch die Idyllische Kleinstadt birgt ein dunkles Geheimnis. S...