2: Abgehauen

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Ich lehne meinen Kopf gegen das Zugfenster und hole tief Luft. Ich schlinge meine Arme um mich selber und schliesse die Augen. Die neugierigen Blicke um mich herum beachte ich erst gar nicht. Meine Gedanken sind schwarz, bis eine Frauenstimme die nächste Haltestation ankündigt. „Rosentahl". Allein dieses schlichte Wort bringt mich zum lächeln und lässt mich hoffen. Das ein Wort einem so viel Hoffnung geben kann ist echt ungerecht, aber ich kann nicht anders, ich denke ich weiss wo ich hin gehen kann. Wer mich aufnehmen wird.

Ich hole tief Luft bevor ich auf die Klingel des Einfamilienhauses drücke. Von aussen sieht das Haus schlicht aus. Weisse Wände, einen kleinen, gut gepflegten Garten, doch von innen ist es einfach unglaublich schön. Ich war schon öfter hier, hier fühle ich mich heimisch. Denn es ist so die Besitzer dieses Hauses sind nämli-.

Die Tür wird geöffnet, also wohl eher aufgerissen. Vor mir steht ein eins/zwei Jahre älterer Junge. Oh mein Gott ist der heiss! Da muss ich meiner inneren Stimme recht geben. Trotzdem.., verwirrt schaue ich nochmal auf das Klingelschild. Millers

Ja doch, ich bin richtig, doch was macht dieser Junge hier?! Komplett verwirrt runzle ich die Stirn. Er starrt mich an. Nein ernsthaft jetzt, er starrt mich an. Er scannt mich mit seinen braunen Augen, oder eher er checkt mich mal kurz ab, bis er mir wieder direkt in die Augen schaut. Echt jetzt? Kann er bitte aufhören mich wie das Achte Weltwunder anzustarren.

Wie als hätte er meine Gedanken gehört schüttelt er schelmisch grinsend seinen Kopf. „Can I help you?", fragt er überheblich. Hää?! Wieso spricht der jetzt englisch mit mir? Obwohl ich sehr wohl Englisch Kenntnisse habe kann ich nicht antworten. Was macht dieser Hottie in dem Haus von Dads besten Freund? Jetzt bin ich diejenige die ihn anstarrt. Wow, sieht der gut aus, ich wette unter diesem T-Shirt verbirgt sich ein fettes Sixpack! Wieso bin ich nur so aus dem Haus gegangen?! Ich versuche ein genervtes stöhnen zu unterdrücken, spitze jetzt steh ich vor so einem schnuckligen Typen mit einer Leggings und einem Pullover mit dem fetten Aufdruck: Danke, Ich liebe mich auch. Aber jetzt verurteilt mich bloss nicht er ist nämlich super bequem! Ich frag mich ob der Typ wohl gut küssen kann, mit den Lippen bestimmt! GOTTTT JULIA REISS DICH ZUSAMMEN! Du vertrottelter, Hormon gesteuerter Teenager!

Also das brauch ich mir jetzt wirklich nicht sagen lassen! Schau dich doch an du streitest sogar mit dir selber! Schnauze ich versuch mich hier zu konzentrieren!

Die Kokosnuss, ja ich hab ihn jetzt so getauft da seine Augen die Farbe von Kokosnüssen haben, räuspert sich und sofort schiesst mir die Röte ins Gesicht, doch ich bringe immer noch keinen Ton raus. Ich würde jetzt am liebsten im Erdboden versinken, vor allem als er fragend die Augenbraue hebt und mich abwartend ansieht. Da rettet mich das kleine Mädchen das an dem Jungen vorbei auf mich schaut. „Jay!" ,(So nennt sie mich) ruft sie und rennt an dem verwirrten Jungen vorbei auf mich zu. Ich lache und umarme die kleine. Plötzlich ist die ganze Nervosität wegen des Jungens weg. „Hey Lilymaus, wie geht es dir?", flüstere ich in ihr Haar. Sie umklammert mich ganz fest. Ja ich weiss ich habe so eine komische Wirkung auf Kinder. Sie verehren mich alle abgöttisch, ernsthaft jetzt. Klingst grad voll nicht arrogant.. Ich mein ja nur die kleinen! Ja ich gehöre zu denen die es nicht ok findet wenn kleine 8 jährige mich beschimpfen, mit Wörtern die ich in ihrem alter noch nicht einmal kannte, und die alle mit ihren Iphones auf Instagram rumhängen und sich für sowas von cool halten!

Ich hebe Lily auf meinen Arm sie strahlt mich an und ich kann mir ein seliges lächeln nicht verkneifen, sie ist einfach zu süss. „Ist Leon auch da?", fragt sie aufgeregt und schaut sich um. Ich grinse in mich hinein, die beiden sind im gleichen Alter und es ist einfach nur putzig wie Lily für ihn schwärmt.

„Lily, whats going on?", fragt der unbekannte Junge, aka Kokosnuss. Ach der ist ja auch noch da. Lilys Mutter ist Deutsche, aber ihr Vater, der Beste Freund meines Vaters ist Britte. Also spricht die kleine fliessend English. „Oh Finn! This is Jay! She is soo awesome and beautiful! Isnt she?!"

Ach Finn heisst er also, ich mag Kokosnuss trotzdem lieber. Man kann die kleine gut Englisch! Warte was? Scheisse! Jetzt werde ich schon wieder rot!

Finn musstert mich erneut mit seinen, leider, wunderschönen Kokosnuss Augen. Aus irgend einem Grund habe ich ein ungutes Gefühl bei ihm, ich weiss auch nicht was es ist. So ne art sechster Sinn?  Ja so was in der Art. Meine Güte jetzt Unterhalt ich mich schon wieder mit mir selber.  Er nickt und lächelt ein umwerfendes lächeln, wobei mit dem lächeln wirkt er eigentlich echt sympathisch. „Yeah, she really is." Lachflasch des Jahrhunderts! Das ich nicht die hübscheste bin weiss ich ja selber, das haben mir sehr viele Leute mir in meinem Ach so tollem Leben oft genug gesagt und ich denke man versteht wenn mein Selbstbewusstsein etwas daruntergelitten hat. Etwas? Ok vielleicht ein bisschen sehr, aber jetzt Klappe!  Ich lächle gequält. Verpisst euch Erinnerungen! Nun gesellt sich auch endlich John dazu. (Der Beste Kumpel meines Vaters) „Finn..what..?! JULIA! Was machst du denn hier?" Er kommt auf mich zu und umarmt mich. Und wie aus dem nichts breche ich in Tränen aus. Ach, ich hasse diese scheiss Hormone! „Mom..sie..sie hat wieder..", er versteht sofort was ich meine und streicht mir beruhigend über den Rücken. Das hat mir gefehlt. Jemand der mich tröstet und mit offenen Armen aufnimmt. Heilige Maria bist du dramatisch. Genervt ignoriere ich meine innere Stimme einfach.

Als mein Vater starb haben John und Emilia (seine Frau) mit ihren Kindern geholfen mich wieder auf die Beine zu stellen. Sie haben mir geholfen meine Trauer zu überwältigen. Sie haben sich um mich und meine Geschwister gekümmert als meine Mutter nicht da war. Also immer. Jetzt bei dieser Familie zu sein ist eine Erlösung von den ganzen Verantwortung die mir auf die Schulter gelegt worden sind. Ich bin frei. Zumindest für diesen Moment.

Ich schniefe und John hält mich von ihm weg um mich zu betrachten. „Du bist aber gewachsen, Kleines", ich lache und wische mir die tränen weg. „Also können wir wieder rein gehen?!", erschrocken drehe ich mich zu der Kokosnuss um, hatte er gerade Deutsch gesprochen? Ja hat er! Und das nicht einmal so schlecht, er hat nur einen leichten Akzent. Warte was hat er gerade gesagt? „Schön das ihr euch mal sehen konntet aber können wir wieder reingehen Onkel? Und Du da", er schaut mich prüfend an, „gehst am besten nach hause." Ich bin fassungslos, hat er nicht gerade gesagt ich sei hübsch? Sag ich doch Lügner! So ein Arschloch echt. Ich fange gleich an zu schreien. Für was hält er sich eigentlich?! Das schreien nimmt mir jedoch das 17 Jährige Mädchen, dass auf mich zugeraunt kommt, ab. „JJJUUUUUULLLLLIIIIAAAAAAAA", kreischend umarmt sie mich. Das ist Franziska (alias Franzi), sie ist die grosse Schwester von Lily und meine Beste und einzige Freundin. Ich sehe sie aber leider nur selten. Du siehst sie jeden Tag in der schule, das letzte mal war vor 4 Stunden um genau zu sein... Eben, selten! Herrsche ich meine inner Stimme an. Tzz, jetzt argumentiere ich schon wieder mit mir selber.

„Bleibst du jetzt länger?!", fragt sie und strahlt mich an, ja 4 Stunden sind definitiv zu viel Zeit. Ich lächle zurück und kann mir ein hemisches grinsen in Finns Richtung nicht verkneifen. Er ist sowas von erledigt. „Ja das würde ich gerne Franzi", zwitschere ich immer noch gemein grinsend, „aber Finn hier, tja er will mich glaube ich nicht da haben, er hat gesagt ich soll nach hause gehen." Muhahahahahahahahah, Rache ist süss Junge! Die ganze Freude in Franzis Gesicht verwandelt sich in Wut. Sie dreht sich zu ihm um, ihr Kopf rot vor Zorn. „DU HAST WAS?!", Wir zucken alle zusammen, vor allem die bescheuerte Kokosnuss. Haha! Ich will ihm so gerne die Zunge rausstrecken, aber dann denkt er ich bin kindisch.... Ach scheiss egal was er denkt! Und... Ich strecke ihm die Zunge raus. Er funkelt mich böse an ist allerdings ganz mit der wütenden Franzi beschäftig und versucht ihren schlägen auszuweichen .

John der wie erstarrt ist greift ein. Er hält seine Tochter am Arm fest und funkelt Finn wütend an. „Franziska beruhig dich, und Finn unhöflicher geht es wohl nicht. Julia ist ein teil der Famillie und DU hast nicht das recht sie so zu behandeln." Er schaut mich an und schenckt mir ein lächeln. „Natürlich darfst du hier bleiben Julia." Damit ist das Gespräch für ihn beendet. Er dreht sich zur Haustür und wir tappen alle hinter ihm her ins Haus. Dabei kann ich nicht aufhören zu grinsen. Julia 1, Kokosnuss 0.

Allein Gegen den Rest der WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt