N. V.
V (erzählend).
Früher einmal, in irgendeinem Ferienlager, hatte er die Erfahrung schonmal gemacht. Er musste um die 13 Jahre alt gewesen sein. Damals waren sie auf eine Nachtwanderung gegangen. Er war den anderen öfters ein Stück voraus gegangen, um sie zu erschrecken. Er stellte sich immer hinter einen Baum, und als seine Gruppe vorbei kam, sprang er hervor. Jedoch war er unvorsichtig, und seine Pubertätshormone ließen ihn übermütig werden. So geschah es. Als er abermals hinter einem Baum hervorschnellen wollte, stieß er sich. Ein kleiner Ast-Stummel ragte die Zeit lang auf seiner Augenhöhe hervor. Durch das fahle Mondlicht hatte er ihn nicht bemerkt, und so streifte der Ast sein offenes Auge. Es war ein furchtbarer Moment. Er dachte er würde erblinden. Er betete zu Gott, verzweifelt, bettelnd, flehend. Man fuhr mit ihm ins Krankenhaus. Die dortige Ärztin tröpfelte ihm ein gelbliches neon-fluid, auf blauen Hintergrund, in die Wunde. So konnte er im Spiegel die winzigen Risse deutlich erkennen, welche sich über die Hornhaut des Auges zogen. Leuchtende Blitze in tiefdunkler Nacht. Leider besaß er damals noch kein Handy um dies schaurige Bild zu verewigen. Es sah furchteinflößend aus. Es war aber nicht weiter dramatisch. Die Risse sollten schnell heilen und hinterließen auch keine dauernden Schäden. Jedoch waren kurz nach der Verletzung seine Iris-Muskeln, (also jene die die Pupille verkleinern und vergrößern) überempfindlich geworden. Normalerweise kontrahieren die zirkulären Iris-Muskeln, bei hellem Licht, damit die Pupille kleiner wird. Nun waren seine aufgrund der Verletzung jedoch überlastet, sodass sie sich verkrampften. Krämpfe sind so schon ziemlich schmerzhaft. Wir kennen es bei unseren größeren Muskeln, z.B. beim Bizeps, wenn man zu viele Gewichte gehoben hat. Jedoch ist der Schmerz umso intenser, desto kleiner der Muskel pro Nervenzellen, bzw. desto mehr Nerven an ihn angeschlossen sind. Einfach gesagt; Muskeln die wir häufiger verwenden haben mehr Nervenzellen und schmerzen bei einem Krampf mehr. Nun sind die Iris-Muskeln wohl einer der kleinsten, und da wir Tagsüber mit offenen Augen durch die Gegend wandern, selbstverständlich auch ständig in Gebrauch. Darüber hinaus muss diese Muskelgruppe eine sehr präzise Arbeit leisten, sonst könnten wir bei wenig Licht nichts sehen, und wären bei viel Licht ständig geblendet. Die Iris ist somit mit extrem vielen Nerven verbunden die direkt zum Gehirn führen. In diesem Fall mit dem Schmerzzentrum. Der Schmerz war folglich unvorstellbar hoch. Damals dachte er ihn (bei einer Skala von 1 bis 10) auf 10 setzen zu können. Damals ahnte er noch nicht, dass ihn eines Tages schlimmeres erwarten sollte.
Dieses mal war es anderes. Der Schmerz fokussierte sich nicht auf eine spezielle Körperregion (damals dem Auge). Er kam von innen heraus. Vom Herzen her. Er wurde auch nicht von außen ausgelöst (wie damals durch helles Licht), sondern von innen. Damals hatten Augentropfen seine Iris wieder entspannt. Doch dieses mal wusste er nicht einmal ob es ein Heilmittel geben würde.
N wandert von links herein. Auf der Bühne stehen Stühle und Sessel sporadisch verteilt.
Un-vorgewarnt ergreift es ihn wieder. (N setzt sich unverzüglich. Er ballte die Fäuste zusammen, presste ein Kissen gegen die Brust.) Es schmerzte. Er schrie. Laut. Grell. Doch nie hörte man einen Ton aus seinem Mund kommen. Stattdessen quollen Tränen aus den Augen, wie Saft aus einer Zitrone die man zerquetscht. Er fühlte es bluten. Es schmerzte. Sein Herz. Doch es war kein erfüllender Schmerz, wie bei einem Beinbruch oder einem Kampf. Es war aussaugender, Kräftezerrender Schmerz.
DU LIEST GERADE
Tales of a Nobody (Theaterstück)
EspiritualEs wird von keinem erwartet zu verstehen. Doch wisset, dass Realität subjektiv ist. Jeder lebt sie anders, denn jeder fühlt anders. Die meisten Menschen verstecken ihr Seelenleben. Das ist auch gut so. Dennoch seit achtsam auf die Menschen um euch...