E I N S

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HYDRA hatte ihn schließlich doch gefunden. Kilometer entfernt von seinem eigentlichen Zielort, mit tränenverschmierten Wangen, keinen Waffen und einem beschädigten Metallarm.

Bucky hatte versucht ihn abzureißen, ihn zu zerstören, den fremden Teil in seinem Organismus zu entfernen, doch am Ende hatte selbst der schwerste Stein nicht viel geholfen.

Ein fortschrittlicher Ortungschip war an seiner Uniform angebracht worden, der seine Position verraten hatte. Zu spät hatte er ihn erst bemerkt, um Robyn vor HYDRA versteckt zu halten. Nun wussten sie, dass er sich noch immer begrenzt erinnern konnte.

Viele Streitkräfte waren ausgesendet worden, damit Bucky nicht die kleinste Chance auf Flucht haben würde. Sie brauchten ihn lebend, auch wenn er das selbst schon lange nicht mehr so sah.

"Tötet mich, verdammt!", hatte er aus den Tiefen seiner Lunge geschrien und einen HYDRA Agenten nach dem anderen bewusstlos geschlagen. "Nichts hält mich noch auf dieser verfluchten Welt, also erlöst mich doch endlich von diesen Qualen!"

Ihr Kampf war lange unentschieden gewesen, doch von den vielen Agenten, die versucht hatten, ihm eine Betäubungsspritze zu geben, waren manche erfolgreich gewesen.

Mindestens drei volle Spritzen hatte er bereits abbekommen, die seine Wahrnehmung verschleierten und ihn in eine Art Traumzustand versetzten. Seine Schläge wurden unpräziser und seine Atmung flacher.

Die Dosis hätte einen erwachsenen Mann schon längst ins Land des Vergessen geschickt, doch Bucky war kein wirklicher Mensch mehr. Wie an einem Laborexperiment hatte man an ihm gebastelt und gefeilt, bis eine kaputte Version seiner selbst dabei hervorgekommen war.

Nun stand er kurz davor, ohnmächtig zu werden, doch er weigerte sich aufzugeben. Zu groß war der Wunsch für Erlösung, für Frieden.

Über ihm rumpelte es.

Die Wolken am Himmel waren so dunkel, wie es die hintersten Ecken seines Bewusstsein geworden waren, während es stürmisch zu regnen begann. Jeder Tropfen symbolisierte eine Erinnerung, die sie ihm genommen hatten, die sie aus seinen wehrlosen Armen gerissen hatten.

"Ich bin praktisch schon tot, also hört auf, mich noch weiter am Leben zu halten!" Der gebrochene Soldat konnte bereits das Beruhigungsmittel in seinen Adern wirken spüren, während sich von allen Seiten Männer mit Gewehren um ihn schaarten und ihre Waffen auf ihn zeigten.

Mit schwindender Kraft schlug er nach ihnen, doch er spielte ein Spiel, das er nicht gewinnen konnte. "Bitte", weinte er, während sich sein Sichtfeld immer weiter verkleinerte. "Ich kann nicht mit diesem Verstand leben."

Unter den gnadenlosen Blicken seiner Entführer ging er in die Knie, während sein ganzer Körper anfing zu zittern. Mit beiden Armen, die schwer wie Blei geworden waren, hielt er sich das Ende eines Gewehres an die Stirn und flehte um seinen Tod.

"Diese Welt hat mich bereits vergessen, lasst mich gehen, bevor ich mich selbst vergesse", keuchte er, seine Stimme heiser und von den vielen Schreien rau. "Steve, Robyn, Cale, meine Familie... Sie alle haben mich aus ihren Leben gestrichen... N-niemand l-liebt mich n-noch."

Die Männer sahen sich gegenseitig teils verwirrt, teils nachdenklich an. In seinen Worten lag die Wahrheit, aber er war ein wichtiger Bestandteil von HYDRAs Plan. Er war unentbehrlich.

"Re-respektiert d-den Wunsch eines toten M-mannes...", hauchte er noch vor ihnen, bevor er schließlich die Augen schloss und sein Körper in einen tiefen, erzwungenen Schlaf fiel.

●●●

"Sergeant James Buchanan Barnes, ältester Sohn eines einfachen Ehepaars, das sich trotz seiner begrenzten Mittel gut um seine Kinder gekümmert hat. Groß gewachsen, Ladiesman, blaue Augen und dunkelbraune Haare. Ein Muttermal hinter dem Ohr, eine Narbe auf dem linken Schienbein."

Als sich Licht zurück in sein Bewusstsein schlich, hatte Bucky schon fast gehofft, er wäre endlich erlöst worden. Fast.

"Älterer Bruder von Annie, Greg und Edward Barnes, Sergeant der 107ten Einheit in der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika. Bester Freund von Steven Grant Rogers, nun ebenfalls bekannt als der Kriegsheld Captain America, der vor wenigen Monaten im Dienst für sein Land gestorben ist. Ex-Verlobter von Robyn Watson, die vor wenigen Stunden einen gesunden Jungen mit dem Namen James Samuel Watson zur Welt gebracht hat."

Beide Hände waren hinter seinem Rücken fest verschraubt, aber der Gedanke an Flucht wurde von der lauten Stimme getrübt, die ihm gerade sein ganze Leben vortrug. Nur die letzten Teile hatten ihn wirklich getroffen. Steve war tot? Robyn war nun eine Mutter?

"W-wo bin ich hier?", krächzte er, musste feststellen, dass seine Stimmbänder nicht gerade in bester Verfassung waren. "Warum bin ich nicht längst tot?"

Als Antwort bekam er nur Stille, doch nachdem sich seine Augen an das grelle Licht im Raum gewöhnt hatten, konnte er einen entstellten, kleinen Mann vor sich sehen. Bucky war nur in den Knien und doch überragte der Mann ihn kaum.

"Ihre Fragen sind verständlich, aber Sie sind nicht in der Lage Fragen zu stellen. Die Daten, die ich Ihnen gerade vorgelesen habe, kamen die Ihnen auf irgendeine Weise bekannt vor?", wollte der Mann wissen, der ein bisschen, wie eine schlechte Kopie von Armin Zola aussah.

"Ja. Sie haben mir meinen Lebenslauf vorgelesen", bestätigte Bucky nickend. Um jetzt noch zu verleugnen, dass er noch ungefähr wusste, wer er eigentlich war, war es zu spät. HYDRA hätte in naher Zukunft sein Bewusstsein wohl sowieso zu Grunde gerichtet, wo lag also noch der Sinn in Widerstand, in Widerspruch?

"Kein Grund gleich so niedergeschlagen zu blicken, Sergeant, an ihrer Stelle wäre ich ganz schön stolz auf solch ein goldenes Resümee." Der Mann wedelte mit dem Blatt in seiner bleichen Hand. "In meinem stehen zwanzig Jahre Gefängnis wegen illegalen Experimenten am menschlichen Gehirn."

Im Ansatz hatte Bucky eine Vorahnung, was jetzt auf ihn zukommen würde. Der Kerl vor ihm war ja nicht ohne Grund hier.

"Noch ein verrückter Doktor, dann können Sie sich ja mit Armin Zola zusammentun", schlug Bucky vor, auch wenn ihm bewusst war, dass dies wahrscheinlich bereits geschehen war. "Ich kann Ihnen überhaupt nicht erklären, wie gerne ich in diesem Augenblick lieber tot wäre."

"Oh, das könnte in wenigen Minuten sogar der Fall sein, Sergeant Barnes", kicherte der fremde Mann und es lief Bucky kalt den Rücken herunter. "Bis jetzt habe ich diese Operation nur noch nicht an Menschen vorgenommen, und alle Affen sind entweder gestorben oder komplett verrückt geworden. Um genau zu sein stehen ihre Chancen 1 zu 574 diesen Eingriff zu überleben."

Obwohl dieser Tod höchstwahrscheinlich nicht gerade kurz und schmerzfrei sein würde, machte sich ein Hauch von Erleichterung in ihm breit.

"Falls Sie jedoch überleben, dann wird ihr momentanes Bewusstsein dauerhaft in den Hintergrund gesetzt und durch ein neues, beeinflussbares ersetzt. Sie werden also alles vergessen, dass ihnen gerade Schmerzen bereitet, klingt das nicht mindestens genauso gut wie der Tod?" Die kindliche Freude, die wohl alle Verrückten besaßen, blitzte in seinen Augen auf und Bucky nickte nachdenklich.

Sein Körper würde überleben, aber sein Bewusstsein nicht.

"Ich werde mich nicht gegen den Eingriff wehren", ließ er den Mann wissen, auch wenn er genau wusste, dass er das falsche tat. "Ich bin bereit zu sterben, wirklich zu sterben." 

*not edited*

Escape - BuckyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt