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Ein lautes Schreien riss mich aus meinem sowieso schon leichten Schlaf und ich setzte mich ruckartig im Bett auf. Aus Reflex wollte ich Cale neben mir wecken, doch er befand sich momentan auf einer Dienstreise.
Mist.
Wohl oder Übel würde ich selbst hinunter gehen müssen, und nach dem Kleinen sehen. Es kam nicht oft vor, dass er nachts schrie, aber wenn doch, dann hatte er Hunger.
Schläfrig schlüpfte ich in meine Pantoffeln, zog meinen Morgenmantel an, und erhob mich stöhnend von der weichen Matratze.
Durch meine Schwangerschaft hatte ich ein paar Pfunde zugelegt, weshalb der dünne Stoff des Mantels etwas enger saß, als ich es gewöhnt war.
Ich knipste das Licht im Flur nicht an, doch konnte meinen Sohn noch immer quietschend schreien hören, und beschloss mir ein Kissen und eine Decke mit in sein Zimmer zu nehmen.
So wie die letzten Male würde es wohl darauf hinauslaufen, dass ich ihm ein Schlaflied vorsingen musste. Auf seinem Sessel zu schlafen war zwar nicht meine Lieblingsbeschäftigung, doch wenigstens wusste ich, dass er besser schlief, wenn ich dabei war.
Schnell schnappte ich mir mein Kopfkissen und eine Decke aus meinem Schrank, woraufhin ich wieder vor seine Tür trat.
Gerade wollte ich die Türklinke hinunterdrücken, da verstummte James plötzlich. Mein Herz blieb stehen, als ich eine Stimme hinter der Tür hörte, von der ich gedacht hatte, ich würde sie nie wieder hören.
"Schlaf, Kleiner", flüsterte der große James besorgt, während ich die Luft anhielt, um seine Stimme in mein Bewusstsein sickern zu lassen. Sie war so rau, wie ich sie in Erinnerung gehalten hatte. "Du willst doch nicht deine Mutter aufwecken, oder?"
Daraufhin wurde es hinter der Tür wieder leise, doch ich konnte spüren, dass diese Stille mehr als nur Schweigen bedeutete. Er lauschte, er wollte wissen, ob ich wach war.
Ungeschickt wie ich bin, verlagerte ich mein Gewicht so, dass die Diele unter meiner linken Fußsohle knarzte und mich verriet.
"Sieht so aus, als hättest du sie bereits geweckt", stellte er so kalt fest, dass mir das Blut gefror. Er klang nicht wie der James, den ich liebte, er klang wie eine vollkommen andere Person.
Die Tür wurde vor meiner Nase geöffnet und plötzlich stand ich vor einem Mann, dessen ganze Aura mir fremd war. Seine sonst so schimmernden, blauen Augen waren grau und emotionslos, auf seinen Wangen waren Schnitte und blaue Flecken. Auch sein Outfit wirkte anders; dieses Mal schien er den metallenen Arm nicht verstecken zu wollen, sondern eher zeigen zu wollen.
James war komplett in Schwarz gekleidet, eine Art Maske über seinem Mund, die Haare nach hinten hoch gebunden und beide Ärmel seiner Jacke abgerissen.
Er sah aus, als würde er gerade von einem Kampf kommen.
"Was willst du hier?", wollte ich von ihm wissen, nachdem ich mich wieder gefangen hatte und baute mich vor ihm auf. Seine deutlich muskulösere Statur ließ mich trotzdem schwach wirken.
Seit dem letzten Mal hatte er definitiv an Masse zugelegt. Das letzte Bild von ihm war in meinem Erinnerungen eher ausgemagert und verzweifelt gewesen. Beides konnte ich in dem Mann vor mir nicht wieder vorfinden.
"(Ich glaube du weißt, warum ich hier bin)", sprach er in flüssigem Russisch, was mich in eine Art Angstzustand versetzte. Das war nicht mehr der James, den ich kannte, es war jemand anderes. Es war jemand böses.
Mit all meiner Kraft zerrte ich ihn von der Türschwelle und in den Flur, sodass ich mich vor die Krippe meines Kindes stellen konnte. "Was auch immer das hier soll, lass die Hände von meinem Sohn, ich bitte dich."
Noch bevor ich eine Antwort bekam, wurde ich durch den Raum geschleudert und krachte in James' Schrank. Das billige Holz krachte unter der Wucht, mir der ich geworfen wurde, wobei ich die Knochen in meinem Brustkorb brechen hörte.
"Du hast gemerkt, dass ich dich töten will, und trotzdem rennst du nicht weg? Das ist lebensmüde", spottete er, während er langsam durch den Raum in meine Richtung schritt.
"Das ist Mutterliebe", hustete ich, konnte den rostigen Geschmack von Blut auf meiner Zunge schmecken. "Das ist die Liebe, mit der ich auch das Kind verteidigt hätte, das wir beide zusammen bekommen hätten."
Kurz war er irritiert, nur wenige Sekunden, doch es waren genug, um ihm ein Stück Holz in den Oberschenkel zu rammen. Sein unmenschlicher Arm reagierte sofort, zerdrückte die Finger, die ich um das Stück gewickelt hatte, wonach sich ein Schmerz in meinem Arm ausbreitete, der mir kurzzeitig das Augenlicht raubte.
"Sei nicht so töricht", tadelte er und zog den Holzsplitter mit einem Ruck aus seinem Bein. "Meine Wunden heilen schneller als deine, ich werde diese Wunde überleben, während du bereits jetzt wahrscheinlich an deinen inneren Blutungen sterben wirst."
Das war mir auch bewusst.
Das war mir schon bewusst gewesen, als der Großteil meiner Rippen gebrochen war.
Doch ich konnte jetzt nicht sterben, ich konnte mein Kind nicht mit diesem Monster allein lassen.
Keuchend erhob ich mich vom Boden, sein verwirrter Blick auf mich gerichtet. Ich musste den echten James irgendwie an die Oberfläche zerren, ich musste mein Kind und den Mann beschützen, den ich niemals in den Krieg hätte gehen lassen sollen.
Ohne zu zögern schloss ich den Abstand zwischen uns, zog die Maske von seinem Gesicht und drückte meine Lippen auf seine.
Nachdem ich keine Reaktion bekommen hatte, legte ich die gesunde meiner Hände auf seine Wange und die kaputte auf seine Schulter.
Nach einigen, langen Sekunden, schloss er die Augen und schmolz in unseren Kuss hinein, der ohne Zweifel unser letzter sein Würde. Langsam aber sicher ging mir der Atem aus, und ich löste mich von ihm.
Tränen traten schon aus seinen Augen, in denen ich jetzt nur noch einen wehrlosen Jungen erkennen konnte. Sein Blick war auf das Messer gerichtet, das er mir in den Bauch gedrückt hatte, bevor es mir möglich gewesen war, ihn zurückzuholen.
"R-Robyn, oh nein", weinte er und fing mich auf, als ich mich nicht länger auf den Füßen halten konnte. "Wa-was h-habe ich getan?"
Meine Lider wurden schwer, und mich musste mich anstrengen, bei Bewusstsein zu bleiben, während ich mich an dem Blau freute, das in seine Augen zurückgekehrt war. Jede seiner Emotionen spiegelte sich darin wider, es war fast wie Magie.
Panisch drückte er Stoff meiner Kleidung auf die Wunde, schluchzte und weinte, während ich vorsichtig die Hand hob und wieder auf seine Wange legte.
Sofort umschloss seine Hand meine, und drückte sie so sanft, als wäre ich aus Porzellan gemacht worden.
"J... James, vergiss nie... , dass ich di... dich für i... immer... lieben we... werde...", hauchte ich und einfach so, war mein Leben mit einem letzten Atemzug beendet.
*not edited*
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Escape - Bucky
Fiksi PenggemarSehnsucht, verrostet, Siebzehn, Tagesanbruch, Schmelzofen, Neun, gütig, Heimkehr, Eins, Güterwagon. Mit 10 Worten konnten sie ihn brechen, mit 10 Worten konnten sie ihn dazu bringen, das einzige Licht in seinem Leben im Keim zu ersticken. → a bucky...