S C H M E L Z O F E N

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Als Zola an diesem Morgen in Buckys Zelle kam, verhielt er sich anders. Nicht ein einziges Mal schrie er seinen Gefangenen an, nicht ein einziges Mal verpasste er ihm einen weiteren Schnitt mit seiner Lieblingsklinge.

Das bedrohliche Messer lag zwar auf dem Operationstisch, den sie am anderen Ende des Raumes platziert hatten, aber der gefangene Soldat wurde, zumindest vorerst, verschont.

Bucky war überrascht; der Doktor hatte die vielen Schnitte zuvor noch als temporäre Strafe bezeichnet, und somit als etwas, dass er ihn wieder und wieder antun könnte, weil es so oder so würde keine Narben hinterlassen würde.

Nichts würde mehr auf Buckys Haut Spuren hinterlassen. Sie hatten seine Zellen so modifiziert, dass nicht einmal die Sonne die Blassheit von seinem Antlitz wehen konnte.

Wie eine Statue; eine Maschine.

Sie wollten ihm Stück für Stück seine Menschlichkeit nehmen, und ihm zeigen, dass er zu keinem anderen Zweck mehr am Leben war, als ihnen zu dienen, als HYDRA zu dienen.

Er war nichts weiter wert als das Metall, das seinen linken Arm ausmachte, und die kämpferische Stärke, die sie ihm mit Gewalt antrainiert hatten.

Er war verloren.

Braune Haare hingen bereits vor Buckys Augen, als Zola summend begann, die fast schon schwarzen Strähnen eine nach der anderen abzuschneiden.

"Weißt du, was Heute für ein Tag ist, Soldat?", wollte er unschuldig wissen und grinste, als sich Buckys Armmuskeln in ihren schweren Ketten anspannten.

Nach und nach landeten immer mehr braune Locken auf dem grauen, schmutzigen Steinboden.

"Du weißt es, da bin ich mir ganz sicher", beharrte Zola mit einem kindischen Unterton in der Stimme, während er sein Werk stolz betrachtete.

Einzelne, abgeschnittene Haarsträhnen kitzelten ihn im Nacken, während Zola die Schere zur Seite legte, Bucky mit seiner linken Hand dazu zwang aufzusehen, und ein Rasiermesser aus seiner Manteltasche zog.

Gänsehaut bildete sich auf seinem Rücken, während der Doktor die kalte Klinge sanft, aber bedrohlich an seinen Hals hob. "An deiner Stelle würde ich jetzt still halten."

Doch Bucky schwieg, starrte nur stur an die Wand gegenüber von ihm. Nichts auf dieser Welt würde ihn dazu bringen dem Doktor in die Augen zu sehen.

Er hatte gelernt, dass die Augen viel zu viel über dich preisgeben konnten, und das war nie eine gute Sache.

"Vor einem Jahr bist du vom Zug gefallen, weißt du noch?"

Bucky blinzelte.

Splitter von verzweifelten Schreien und kaltem Wind blitzten in seiner Erinnerung auf, doch die Szene war nicht mehr komplett. Sie hatten bereits einen Teil von ihr aus seinem Kopf verbannt.

So sehr er es auch wollte, konnte er sich nicht vollständig erinnern.

Die ersten Behandlungen, die sie ihm gegeben hatten, begannen ihre Wirkung zu zeigen. Jedes Mal nahmen sie ihm ein neues Teil seiner Erinnerungen, und es war die reinste Qual.

Escape - BuckyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt