》Sizieren mal anders《

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»Du hast sie doch nicht mehr alle!«, stieß der Klassensprecher der 12b zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und starrte Philip wutentbrannt an. Nicht viel konnte den gelassenen Schüler aus der Bahn werfen oder wütend machen, eine der Eigenschaften, weshalb er einstimmig zum Klassensprecher gewählt worden war. Aber das ein Schüler jemanden attackierte, schien ihn rasend zu machen oder viel mehr die höllischen Schmerzen, die er in seiner Wade spüren musste. Dillan fixierte erst Felix und wie dieser sich sein Bein hielt. Er runzelte die Stirn und warf dann einen Blick auf Philip. Der Schüler schaute mit glasigen Augen zu etwas auf, was den Schüler mit einer übernatürlichen Kraft fesselte und niemanden in die Nähe des Opfers lassen wollte. »Wo hatte er bloß dieses Messer her? Das ist 'ne verfickte Waffe«, stöhnte Felix schmerzlich auf und bettelte förmlich mit seinen Augen um Erlösung. »Was für'n Messer, Felix?«, hörte man Jeanette verwirrt fragen, zurecht, wie einige andere fanden. Das dunkelblonde Mädchen sah zwar nicht das, was Felix behauptete zu sehen, dennoch ging sie zu ihm und legte ihm in einer beruhigenden Geste ihre Hand auf die Schulter, was ihn dazu bewegte ein gequältes Lächeln aufzusetzen. Der Junge zeigte lieber Stärke als Schwäche, so verletzt er auch sein mochte. »Geht's?«, erkundigte sich Dillan bei dem Schüler, der am Meisten respektiert wird. Felix nickte tapfer und formte dann seine Hände parallel zu seiner Wade, als hielten sie einen Gegenstand, obwohl dort nur Luft zu sehen war. Er atmete tief durch und zog, bevor er länger darüber nachdenken konnte. »Was zum...?!«, vollkommen irritiert schaute er auf seine Hände, in denen er nicht einmal selbst etwas sehen konnte und dann auf seine Wade. »Nichts und wieder nichts, was wird hier gespie-« Noch ehe der Braunhaarige seine Erklärungsansätze weiter ausschmücken konnte, wurden seine Gedanken von einem schmerzverzerrten Schrei unterbrochen. Seine braunen Augen wanderten rasch durch den Raum um den Auslöser des Geräuschs ausfindig zu machen und fixierten schließlich die eng an die Wand gepresste Gestalt Philip's. Fast die gesamte Klasse wandte nun ihren Blick gen Ecke, einige schienen die Geschehnisse allerdings nicht zu interessieren oder sie merkten es schlichtweg nicht. Ein Zittern fuhr durch den an die Wand gepressten Körper, als die Lufttemperatur noch stärker abfiel. Seine Lippen waren tiefblau gefärbt vor Kälte und in seinen Augen spiegelte sich das hämische Grinsen einer wiederwärtigen Fratze, welche zu keinem der Lebenden gehörte. Der Schüler starrte starr geradeaus und versuchte vergeblich sich warm zu halten. Die Schüler der 12b, welche sich das Spektakel ansahen, empfanden Mitleid für den Jungen, der wie in einem Gefrierschrank zu sitzen schien, nur dass es einen solchen nicht gab. Philip jedoch sah und spürte viel mehr als seine Klassenkameraden. Seine Augen waren starr auf ein übergroßes Schattenwesen gerichtet, dessen Form dem eines Menschen entsprach, aber eine solche Kälte ausstrahlte, die ihm beinahe vollständig die Luft zum Atmen nahm. Er versuchte panisch die Ruhe zu bewahren -was schon rein technisch gesehen nicht möglich war- und fragte sich dann, weshalb seine Klassenkameraden ihm nicht zu Hilfe kamen. Gerade, als der Junge seine Atmung unter Kontrolle hatte und dachte, dass er in diesem Zustand wohl eine Weile ausharren könnte, sank die Temperatur noch einmal erheblich. So stark, dass ihm die Lungen mit jedem Atemzug schmerzten, wenn sie sich mit der dünnen Luft füllten. »Sollte nicht mal jemand der Schulleitung Bescheid geben?«, fragte jemand und sprach damit insgeheim Felix an, der sich um alles Organisatorische in der Klasse sorgte. Dieser schüttelte jedoch nur den Kopf und schaute Dillan kurz fragend an, welcher daraufhin stumm nickte. »Nein, diese würde eh nichts unternehmen, da die Lehrkräfte hundertprozentig eh zu spät kommen würden.« Er sagte diesen Satz ruhig, ohne bestimmte Betonung und seine Mitschüler schienen die Situation nun besser zu verstehen. Mit einem Mal ertönte ein krankes Röcheln und Würgen aus der Ecke, Philip hielt sich mit seinen Händen an den Hals, wollte so den Würgegriffen des Schattens entgehen. Der Junge rechnete aber nicht damit, dass das Wesen mit einer raschen Bewegung seiner Arme ihm seine Hände aufritzen konnte. Philip keuchte überrascht auf und versuchte die entstandenen Wunden zuzupressen. Dadurch gab er seinem Gegenüber die Chance, ihn zu würgen. Philip würgte etwas, wollte eigentlich schreien, sich irgendwie bemerkbar machen, aber die gewaltigen Kräfte des Schattens ließen dies nicht zu. »Dillan«, die sanfte, aber verängstigte Stimme von Cecilia unterbrach den Gedankengang des Schwarzhaarigen, der vergebens überlegte, wie er seinen Vater bei seiner Rache stoppen könnte, die ihm eindeutig zu Kopf gestiegen war. »Ja, was ist?«, fragte er und richtete somit seine Aufmerksamkeit auf das Mädchen. »Wann hört das auf? Ich kann das Blut, die Wunden und den Schmerz nicht mehr sehen!« Überrascht schaute Jason, der gerade zufällig zugehört hatte, auf und starrte auf die Ärmel von Cecilia, welche die Narben und auch die frischen Wunden des Ritzens nicht ganz verdecken konnten. Bevor er etwas dazu sagen konnte, warf sein Kumpel ihm einen vernichtenden Blick zu, der ihn dazu bewegte, besser den Mund zu halten. Falls das Mädchen seinen Blick bemerkt hatte, ließ es sich nichts anmerken. Dillan schüttelte den Kopf, einerseits, weil er keine Ahnung hatte und andererseits, weil er seinem Kumpel insgeheim recht geben musste. Philip ließ ein Keuchen und Stöhnen vernehmen, bevor er beinahe kraftlos versuchte nach dem Schattenwesen zu treten. Ein dunkles, machtgieriges Lachen drang aus der Kehle von dem Toten und verursachte unangenehm kalte Schauder bei vielen.
Der hellblonde Junge machte eine falsche Bewegung und der Schatten, der ihn umschwebte, riss ihm mit einem stumpfen Gegenstand die Haut der linken Wade auf. Abermals versuchte er den Schmerz durch schreien zu verdrängen, aber das brachte das Schattenwesen nur dazu, sein stumpfes Messer in Philip's Wade hineinzurammen und quälend langsam die Fasern der Muskeln zu durchtrennen. Wäre das Schattenmesser scharf gewesen, hätte es einen glatten Schnitt gegeben, welcher nicht solch starke Schmerzen verursacht hätte, wie der Junge sie nun spürte. Philip schrie auf, aber dieses Schreien wurde schnell zu einem erschöpft-schmerzverzerrtem Husten, da er noch immer kaum Luft zum Atmen hatte. Da sich seine Atmung durch den Schmerz jedoch verschnellerte, wurde er schnell ohnmächtig. Das stumpfe Schattenmesser schnitt jetzt noch tiefer in das Bein, sodass es am Knochen ansetzte und einmal, durch das Fleisch hindurch, einen horizontalen Schnitt durch die Wade machte. Philip's einzige Reaktion war ein Zusammenzucken. Eine Menge Blut kam zu der bereits vorhandenen Blutlache dazu, was einige Schüler mit schwachen Nerven oder die einfach kein Blut sehen konnten, zum Aufkreischen brachte. Dillan wurde zusehends nervöser, er hatte von Anfang an gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Das es allerdings so extrem eskalieren würde, dass Klassenkameraden umgebracht wurden, damit hatte er nicht gerechnet. »Es reicht!«, knurrte der Schwarzhaarige nun energisch und trat einige Schritte auf seinen Vater zu. Er sog scharf die Luft ein, als die Kälte auch ihn umgab und er nach hinten geschlagen wurde. Er keuchte überrascht auf und starrte das Schattenwesen entgeistert an. »Dad bitte, diese Menschen haben dir rein gar nichts getan!«, versuchte Dillan verzweifelt seinen Vater zum Gehen zu bewegen. Er konnte die Schattengestalt auch sehen, sie folgte ihm seit einigen Tagen wie ein Hund, was dem Jungen anfangs einen gewaltigen Schreck eingejagt hatte. Niemand hätte es mitbekommen, wenn sein Vater ihn in dem Haus umgebracht hätte, welches der 17-Jährige allein bewohnte. Aber er hatte sich an die neuen Umstände gewöhnt und akzeptierte seine Anwesenheit, was allerdings nicht hieß, dass er seinem Vater vertrauen konnte oder wollte. Der Schüler schüttelte den Kopf um wieder in die Realität zu gelangen und erschrak, als er sah, was sein Vater mit einem kleinen spitzen Gegenstand -eine Nadel vielleicht?- auf den jetzt entblößten Bauch Philip's geritzt hatte. Ich werde solange morden, bis ich mich genug gerächt habe. Egal ob sie mir was getan haben oder nicht. Dieser Fettsack ist das dritte Opfer! Schockiert über diese Drohung taumelte Dillan einige Schritte zurück. Kaum jemand hatte sich mit dem vorlauten Schüler wirklich verstanden, aber dennoch wollte der Schwarzhaarige nichts dergleichen. »Tu doch was, Idiot!«, forderte Lia schrill kreischend auf und hielt sich gleichzeitig ihre Hände vor die Augen, lugte allerdings zwischen den Fingern mit den neonpink lakierten Nägeln hindurch. »Halt doch mal deine scheiß bitchige Fresse!«, fuhr Tyler die Blonde an, man merkte deutlich, dass seine Nerven mehr als blank lagen. Das Mädchen schob die Unterlippe etwas vor und ließ sie zittern. Sie klimperte mit den extrem geschminkten Wimpern und versuchte mit Hundeblick zu ihm aufzusehen, in ihrem Blick lag Verletztheit und Panik. »Geh einfach weg von mir«, brummte Tyler, holte mit seiner Hand aus und gab Lia eine schallende Ohrfeige. Im selben Moment realisierte er, was er gerade getan hatte und riss erschreckt die Augen auf. »Seine Nerven liegen blank, aber Lia hat das eh mal gebraucht«, kommentierte Chris unbeeindruckt und zeichnete an seinem verwirrend perfekten Bild weiter. »Du hast auch gar keine Gefühle, Bruderherz«, murmelte Flame und ging zu Tyler, mit welchem sie seit einigen Wochen zusammen war, ohne dass es jemand mitbekommen hatte. »Alles gut, uns geht es allen so. Mal von Chris abgesehen.« Er nickte verwirrt, schüttelte dann den Kopf und ergriff rasch Flame's Hand. Chris schaute kurz auf, grummelte etwas unverständliches, malte dann jedoch weiter. »Flame hat recht. Ihr Bruder scheint wirklich keine Gefühle zu haben. Ich an seiner Stelle wäre rasend geworden, wenn meine Schwester mit dem größten Player der Schule oder sogar der Welt zusammen wäre«, überlegte Jason nachdenklich und schaute seinen besten Freund dann stirnrunzelnd an. Dieser zuckte jedoch nur uninteressiert mit den Schultern und dachte weiter nach. Plötzlich ertönte ein ekelerregendes Knacken aus der Ecke. Flora, Tyler und Alèna schlugen beinahe zeitgleich die Hände vor den Mund und stürzten zu den Fenstern, rissen jeweils eins auf und beugten sich hinaus. Flame war ihrem Freund gefolgt und legte eine Hand auf seinen Rücken, während er sich würgend übergab. Als Jeanette bemerkte, wie sich ihre beste Freundin ebenfalls übergab, gab sie ihre Position neben Felix auf und gesellte sich zu ihr. Nur um dann festzustellen, dass sie das gar nicht abkonnte. Mit einem »Sorry Mate«, taumelte das Mädchen zurück und setzte sich, mit dem Rücken an Felix Stuhl gelehnt, auf den Boden. »Alles in Ordnung?«, fragte er nach und versuchte die Schmerzen, welche etwas nachgelassen hatten, zu ignorieren. Jeanette nickte nur schwach und hielt sich die Hand vor die Stirn. Das Geräusch knackender Knochen konnte einfach nicht jeder ertragen. Mittlerweile lag neben dem bewusstlosen -oder bereits toten?- Philip das abgetrennte Stück Bein in der Blutlache und vergrößerte diese weiterhin. Der Schatten stieß ein skalpellartiges Messer in seinen Bauch und riss mit einer einzigen Bewegung die Bauchdecke ab. Rippen knackten und wurden leicht herausgebrochen, damit die Lunge freilag. Vorsichtig schnitt er die Lunge auf und riss diese gewaltsam auseinander. Spätestens jetzt war der Schüler an einem grausamen Tod gestorben. Der Schatten zog die gesamte Lunge heraus und ließ diese neben dem toten Jungen auf den Boden platschen. Mit einem sabschenden Geräusch landete diese in dem dunkelroten Blut. Das Schattenwesen holte die Därme heraus, den Magen und die Leber und ließ auch diese auf den Boden fallen, nachdem er sie aufgeschnitten und von innen begutachtet hatte. »Sizieren mal anders«, meinte Chris nur gelangweilt dazu, den das Szenario zu einem etwas brutalen Bild inspiriert hatte. Nun machte sich Dillan's Vater an dem Rest der Organe zu schaffen. Holte diese behutsam raus, betrachtete sie und schmiss sie dann durch den Klassenraum. »Das kann doch nicht wahr sein!«, fluchte Chris, als ein halbes Herz auf seinem Tisch landete, knapp neben seinem Papier, aber dennoch spritzte  Blut auf sein Bild. »Jetzt ist doch mein ganzes Bild im Arsch! Jetzt muss ich von vo-« »Boar Chris, du bist so ekelig!«, fiel Alèna ihm ins Wort und starrte auf seine Hände. »Hm?« Verwirrt schaute er auf und folgte ihrem Blick. Er hatte das Herz in die Hand genommen, um es von seinem Tisch zu schmeißen. »Ja und? Wenn es mich doch beim Zeichnen stört?« Er grinste nur und schmiss das halbe Herz zurück in Richtung Ecke. Ein dunkles Knurren ertönte, als das Herz am Schatten abprallte. »Ärger ihn nicht!«, fiepte Merle beängstigt, was nur ein Augenrollen bei dem Jungen mit den rotblonden Haaren hervorrief. »Interessiert mich nicht«, meinte er dazu und nahm seinen Bleistift wieder auf. Da hörte die Verstümmelung Philip's in der Ecke auf und das Schattenwesen schwebte auf Chris zu. »Moin«, begrüßte dieser das Wesen ohne aufzuschauen, er konnte es weder sehen, noch hören, aber er spürte eine Veränderung der Temperatur. Sein Stift wurde ihm entnommen und das Blut auf seinem Bild wurde mit der Spitze zu einem Satz verwischt. Angst tötet, Desinteresse schützt. Der Junge schaute nun doch auf und lächelte ehrlich.

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Die Rache der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt