Mimikry

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Isolde Humpermeyer war überrascht. Seit vielen Jahren war sie Standesbeamtin in der kleinen Stadt Mickelsheim, aber noch nie hatte jemand bei ihr eine Namensänderung beantragt.
Nun saß auf dem Stuhl vor ihr eine nette junge Frau und wollte genau das tun.

„Wie lautet bitte ihr aktueller Name?", fragte sie freundlich.

„April May", kam die Antwort, wie aus der Pistole geschossen.
Für einen winzigen Augenblick war Isolde versucht, dem Zucken der Mundwinkel nachzugeben. Dann hatte sie sich wieder im Griff.
'Hoffentlich hat sie nichts bemerkt', dachte sie, 'Wer in aller Welt kommt denn auf eine solche Schnapsidee?'

„Haben sie noch zusätzliche Vornamen?"
Kurzes Schweigen, dann kam es fast unhörbar:
„Ja."
Isolde stutzte. Hatte die Kleine ihre Belustigung doch wahrgenommen?
„Bitte nennen sie mir ihren kompletten Namen, inklusive aller Vornamen!"
„April June Juliet May."
„Nein!", entfuhr es Isolde.
„Doch."

Die Frau entnahm ihrem Citybag einen Hefter, schlug diesen auf und schob ihn über den Tisch.
Fein säuberlich in eine Plastikfolie eingelegt sah man dort die Taufurkunde:
Täufling:
April June Juliet May
Mutter:
Hertha May, geborene Hutzlich
Vater:
John William May

Isolde erkannte das Problem. Der Vater war wohl Amerikaner. Bei denen kamen solche Eigenarten sicher öfter vor. Sie reichte die Mappe zurück und lächelte ihre Klientin freundlich an.
„Welche Änderung haben sie sich denn vorgestellt?"

Die Frau schaute ernst drein.
„Wissen sie, es hat mich schon als Kind gestört, dass die Leute nicht mit meinem Namen klar kommen..
Deshalb möchte ich künftig so heißen."

Sie entnahm dem Rucksack ein Blatt, auf dem gedruckt stand:

EHPRILL.

Aufschreiber


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