... Du hast ...

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Es stank so stark, dass seine Nase nichts anderes mehr wahrnehmen konnte, als dieses ätzende Gemisch. Unsicher, ständig nach allen Seiten sichernd, streunte er zwischen verbogenen Metallteilen und halbzersplitterten Glasfragmenten umher, seine Beute mühsam mit sich schleifend. Eine trübe Laterne flackerte im Nachtschwarz, als könne sie sich noch nicht zum völligen Verlöschen entschließen.

Der Wind jammerte zwischen hochgetürmten Blechen und alten Rohrstummeln. Irgendwo tropfte Flüssigkeit gleichmäßig in ein Becken oder eine Pfütze. Im Hintergrund schwang das Tau eines Flaschenzuges in der Brise, brachte die ungeölte Umlenkrolle zum Quietschen. Langsam, beinahe majestätisch, kam eine riesige schwarze Wolkenwand angesegelt. Sie legte ihren dick quellenden Leib vor die letzten Sterne, rekelte sich matt und plusterte sich selbstvergessen.

Ein feiner Niesel setzte ein, der ihn innerhalb weniger Minuten durchnässte. Trotz der Anstrengung beim Bewegen seiner Errungenschaft konnte sein Körper nicht mehr genügend Wärme produzieren. Er zitterte und das Nackenhaar stellte sich auf. Linker Hand lockte – von größeren Blechteilen bedeckt – eine Art Tunnel. Dort würde es trocken sein und auch ein wenig windgeschützter. Die Zähne fest zusammengebissen, wuchtete er das Gewicht seiner Beute zu dem engen Durchschlupf, der sich als zu schmal erwies. Aber das war ihm gleich. Er kroch rückwärts und zerrte seinen Ballast mit allen Kräften hinterdrein.

Das Weiß der Hülle war längst schon einem öligen Graubraun gewichen. Egal, der Inhalt zählte. Und der hieß Leben; Über-Leben. Eigentlich war es zum Lachen, stellte man sich den Zorn des Huber-Bauern vor, wenn er den Verlust am Morgen bemerkte. Aber er lachte nicht, niemals. Nachdem er sich ein wenig verschnauft hatte, begann er erneut damit, das schwere Etwas in die kleine Grotte zu ziehen. Es schien fast aussichtslos. Links, Rechts, Links, Rechts, riss und rüttelte er.

Der Überbau des Schlupfwinkels hatte bedenklich zu schwanken begonnen, aber das bemerkte er nicht. Wieder und wieder zog er aus Leibeskräften. Und wirklich, mit einem letzten goßen Ruck hatte er es geschafft. Der Schwung ließ ihn einige Schritte rückwärts taumeln. Dabei streifte er ein Gittergerüst, wohl einen alten Kühlergrill. Der rutschte im Ölschlick weg und mit einem Donnern stürzte eine Blech- und Glaslawine auf ihn herab.

Als das Krachen und Poltern endlich aufhörte, war von ihm und seiner Beute nichts mehr zu sehen. Schaurig tremolierte der Wind durch die neu entstandene Schrottskulptur, begleitet vom leise hallenden Tropfen...

***

Johann Bärngerber stieg aus dem Auto, gerade als die Sonne über dem Gipfel des nahe gelegenen Altmannsberg hervorlugte. Der Schrottplatz wandelte sich vom bedrohlichen Massiv in ein feucht glänzendes Kunstwerk, auf dessen gläsernem Juwelenbesatz und bunten Lackrest-Schmuck winzige Lichtreflexionen tanzten. Stille lag noch über dem Gelände. Die Kühle entfachte die Vorfreude auf den Kaffee, den er sich, gemeinsam mit seinem Kollegen Frieder allmorgendlich einverleibte.

Er entfernte das Vorhängeschloss am Gittertor, stieg wieder ein und fuhr bis zur Bürohütte. Während er sich umzog, traf Frieder ein.
„Hast du schon gesehen? Der große Blechhaufen ist eingestürzt."
„Ja. Das war zu erwarten. Wir hätten ihn schon lange verladen sollen."
„Ok, dann machen wir das nachher. Willst Du den Kran übernehmen?"
„Meinetwegen. - Ist der Kaffee so weit?"

Grinsend reichte Frieder den emaillierten Kaffeepott hinüber.Als die Tassen geleert waren und das Geschirr gewaschen, begannen die beiden Männer mit der Verladung des wüsten Gerümpelberges. Gerade hatte der Greifer ein großes Blech erfasst, als Frieder kurz erstarrte und dem Kranführer zu verstehen gab, er solle aussteigen und sich etwas Besonderes anschauen. Johann legte die Platte im Container ab und schaltete den Motor aus.

Frieder konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken, als sein Kollege heranstapfte und fragte:
„Was gibt's denn?" Er wies auf die freigelegte Kuhle.
„Na sowas", murmelte Johann, als er nahe genug heran war, um zu sehen, was dort lag.

Ein zerquetschter Fuchs – die gestohlene Gans noch im Fang.

[ Aufschreiber]

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