Chapter 6

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Jetzt wusste ich also wie ich hier hin gekommen bin. Es fühlte sich schön an ein Dach über dem Kopf zu haben und liebevolle Menschen, die sich um einen kümmerten. Die Frage war nur: wie lange? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man jemanden wie mich in seinem Haus oder überhaupt in seiner Gegenwart haben wollte. Aber so war es tatsächlich. Diese Menschen hatten sich freiwillig dazu entschieden, mich mit zu sich zu nehmen. Ein Wunder für mich.

Sie sagten zu mir, ich solle mich wie zu Hause fühlen. Zu Hause. Ein unbekannten Wort für mich. Das Gefühl, ein zu hause zu haben, kannte ich nicht mehr. Aber ich versuchte mich so gut wie möglich wie 'zu hause' zu fühlen.
Ich stand auf, mit großen Schmerzen. Dann suchte ich das Bad auf. Über dem Waschbecken hing ein großer Spiegel. Ich blieb vor ihn stehen und betrachtete mein Spiegelbild. Schon lange hatte ich mich nicht mehr gesehen. Mein Gesicht war komplett zerschrabt und hatte über all Wunden und Narben. Das kam wie den Schlägen... Ich wollte mich nicht länger ansehen müssen. Nicht länger dieses kaputte Gesicht sehen. Nicht länger ein armes Mädchen sehen müssen, was sich mit 17 Jahren nicht um sich selbst kümmern könnte. Ich wollte nicht länger ein Opfer sehen müsse. Doch ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Ich würde wütend auf mich und schlug auf den Spiegel ein. Er zerbrach. In tausend einzelne Scherben. Sofort überkam mich die Angst. Was wenn sie es bemerken würden? Sie würden mich verjagen, mich schlagen. Ich bin so ein Genie! Einmal bekomme ich zu Wendung und Aufmerksamkeit, aber ich muss alles natürlich sofort zerstören. Nur weil ich mein Ego nicht beherrschen kann. Plötzlich öffnete sich die Tür. Aus Angst begann ich zu weinen. Ich hatte sehr große Angst. Doch Grace schaute mich nur an, kam auf mich zu und...oh nein, jetzt würde sie mich schlagen. Wieder das alte würde kommen...Aber nein, ich irrte mich gewaltig. Nichts der gleichen. Sie kam auf mich zu und umarmte mich. Ich erstarrte. Mich hatte noch nie jemand umarmt. Es fühlte sich gut an. Aber seltsam. Es fühlte sich gut an endlich Zuneigung zu spüren. Aber es fühlte sich seltsam an Anerkennung und Verständnis zu bekommen. Langsam umklammerte ich sie auch und flüsterte ein »Danke!« Und das meinte ich auch wirklich so. Denn ich hatte noch nie jemanden gefunden, der mich wirklich mochte. Und dieses Gefühl hatte ich bei Grace und Mark.

Grace war so nett und hatte mich ein Frühstück gemacht. Ich kam mir selbst bescheuert vor, zu 'frühstücken'. Sonst hätte ich nur eine Mahlzeit am Tag. Wenn überhaupt. Niemals hätte ich mir denken können, dass ich das auch irgendwann mal machen würde. Ich hatte Angst mich zu blamieren, denn ich wusste nicht mals mehr, was man mit haben und Messer machen sollte. Ich kam mir vor wie ein Idiot. Wie ein Urwaldmensch. Wie ein idiotischer Urwaldmensch. Direkt viel mir die Gabel runter. Na toll! Herzlichen Glückwunsch Liz, mach dich doch gleich zum Affen! Doch Mark und Grace interessierte es gar nicht. Sie lächelten nur. Verunsichert lächelte ich zurück.

Nun saßen wir im Auto. Grace und Mark wollten mich irgendwohin mitnehmen. Ich bin noch nie in einem Auto gefahren. Wirklich noch nie. Es klingt sehr komisch, das Geräusch des Motors. Es ist aber auch beruhigend. Wie schnell die Häuser an einem vorbei rauschen es tut echt gut. Es ist irgendwie entspannend. Und dann der Geruch des Benzins. Vielen ekelt diese Gestank. Doch mir gefällt er.
Das Auto hielt an. Schade, ich würde gerne noch weiterfahren. Aber nun waren wir angekommen. Vor mir stand ein großes Haus. Von außen sah es schon aus. Rundherum standen einige Bäume. Über der Eingangstür hing ein Kreuz. »Willkommen in unserer Kirche!« Grace lächelte mir zu. Es waren viele Leute hier. Es war Sonntag, sie alle waren zum Gottesdienst gekommen. Mark ging sofort weg. Er ging in einen Raum, ein Büro. Ich befasste mich nicht weiter damit, denn ich ging mit Grace mit. Aufmerksam beobachtete ich die Leute. Die, die mich bemerkten lächelten mir zu. Sie schienen nett zu sein. Wir kamen in einen großen Saal. Hier fand wahrscheinlich der Gottesdienst statt. Einige Leute kamen auf Grace zu und begrüßten sie. Ich gucke auf den Boden. Doch überraschender Weise begrüßten die auch mich, fragten mich nach meinem Namen und wünschten mir Gottes Segen. Einige umarmten mich sogar. Diese Leute waren wirklich sehr nett. Noch nie wurde ich so herzlich empfangen. Ich fühlte mich gewollt und geliebt. Mein Leben lang beneidete ich diese Menschen, die Zuneigung und Liebe bekamen und nun bekam ich es endlich auch. Doch ich spürte auch etwas anderes. Es ließ mein Herz warm werden, doch ich wusste nicht, was es war. Es musste an diesem Ort hier liegen.

Nun saß ich wieder in meinem Zimmer. Der Gottesdienst war echt schön und alles. Die Atmosphäre und so. Aber trotzdem will ich nichts mit Gott zu tun haben. Es ist ja alles schon und gut, die Leute sind nett, aber sie sind nicht Gott. Sie handeln zwar nach seinem Willen, aber ich würde so oft enttäuscht.. So oft hatte ich ihm vertraut und so oft hatte ich ihn um Hilfe gebeten. Nie hatte er mich gehört es gibt einfach keinen Gott. Ich hasse ihn. Ich bemerkte nicht, dass ich laut gedacht hatte. Mark räusperte sich. »Darf ich mit dir über Gott sprechen.« Meinetwegen. Ich hatte nichts dagegen. »Du bist also der festen Überzeugung, dass es Gott nicht gibt?« »Ja, genau das bin ich.« Dann hab ich nur eine Frage, er schaute mir in die Augen »Warum hast du jemanden, denn es garnicht gibt, deiner Meinung nach?« Er stand auf und verließ den Raum. Ich dachte noch lange über seine Worte nach. Warum hasste ich jemanden, den es nicht gab? Das war eine gute Frage. Wahrscheinlich redete ich mir nur ein, dass es ihn nicht gab, weil ich es nicht wahr haben wollte. Wieso hilft er anderen, aber nicht mir. Wieso liebte er andere, aber nicht mich? Wenn er mich lieben würde, wieso half er mir dann nicht? Ich redete mir ein, dass es ihn nicht gab, weil ich wieder nicht geliebt wurde. Wieder die anderen, aber wieder nicht ich. Mit diesem qualvollem Gedanken schlief ich langsam ein.

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