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Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Die ersten drei Wörter die sich in meinem Gehirn zusammen sammelten waren: Wo war Caroline?

Besorgt drehte ich mich zu dem zweiten Wachen um. Es konnte sich nur mein Kopf bewegen, denn der Vollbart-Wache hielt mich so fest dass es schmerzte.

Nein, auch hinter mir war keine Caro. Da wanderte mein Blick zum Fenster. Zwei Füße verschwanden gerade durch die Öffnung.

„Caro", flüsterten meine Lippen.

Ich fühlte wie sich in meinem Bauch Wut, Angst und Einsamkeit zu einem einzigen Klos zusammenmischten.

Allein.

Ja, nun war ich wieder ganz alleine. Abgesehen von den Aufsehern. Aber die waren nicht wirklich nützlich, eher im Gegenteil. 

Wieso?

Diese fünf Buchstaben tauchten immer wieder in meinem Kopf auf.

Wieso? Mein Kopf konnte an nichts anderes mehr denken. Das Einzige was in meinem Kopf, überhaupt noch in meinem ganzen Körper, existierte war dieses eine Wort. Zu so vielem konnte ich mir diese Frage stellen.

Wieso musste meine Mutter weg?

Wieso mussten wir von zu Hause weg?

Wieso sind wir auf dieses beschissene Internat geschickt worden?

Wieso, wieso, wieso?

Es schwirrten mir so viele Fragen durch den Kopf. Aber zu keiner fand ich eine passende Antwort. Und ich glaube nur eine einzige Person auf dieser Welt konnte mir die Antworten sagen.

Meine Mutter.

Doch wann würde ich meine Mutter das Nächste mal sehen? Vielleicht würde ich sie auch nie wieder sehen! Daran zu denken machte mich traurig und mein Herz schmolz zu unzähligen von Tränen zusammen. Die Tränen wurden immer Mehr, drückten sich meine Kehle hinauf und rollten über mein Gesicht. Schnell versuchte ich sie weg zu wischen, doch meine Hand wurde immer noch mit einem festen Griff umklammert.

Plötzlich verwandelte sich dieser in Tränen ertrunkener Klos zu purer Wut.

Wenn mich später einer gefragt hätte wie ich es hinbekommen hatte mich zu befreien, würde meine Antwort nur ein Schulterzucken sein.

Die Wut breitete sich in sekundenschnelle in meinem Körper aus. Und ich war nicht mehr zu bremsen. Wahrscheinlich hatte sie schon die ganze Zeit in mir rumort, denn so viel Wut auf einmal konnte kein normaler Mensch in einer Millisekunde entstehen lassen, da war ich mir sicher.

Mit voller kraft schlug ich mein Bein nach hinten. Schnell lockerte sich der Griff an meiner Hand. Ich nutzte das um den Händen des Aufsehers zu entwischen. Es funktionierte. Ich war wirklich genial. Mit schmerzverzehrtem Gesicht ging er in die Knie.

Volltreffer.

Eigentlich schlug ich nicht so gerne zu, aber jetzt musste es einfach sein, denn sonst hätte der ja nie kapiert wer hier das Sagen hatte.

Langsam bildeten sich rote Ränder um meine Arme. Aber das war mir egal, denn was zählte war: Ich hatte es geschafft mich zu befreien!!! Doch meine Freude hielt nicht lange an. Die zweite Wache trat vor und kam immer näher. Irgendwann stand er nur noch zirka einen Meter vor mir. Wir starrten uns gegenseitig streng an.

Bloß nicht nachgeben. Den Blick halten.

Meine Füße taten noch einen Schritt zurück. Der Wache folgte mir auf den Fuß. Noch ein Schritt von mir und darauf folgende zwei Schritte des Mannes. Jetzt konnte ich ihn, wenn ich meinen Fuß ausstrecken würde, berühren. Sollte ich es riskieren und ihm auch eine reinschlagen? Wieso nicht, doch wenn es nicht klappte war es aus. Aus für mich. Für meine Schwester war es dann noch nicht ganz zu Ende. Doch es würde nicht lange dauern und sie würden auch sie finden. Es war zwecklos. Mein Körper wurde schwer. Es gab keinen Ausweg mehr. Außer vielleicht, dass, wenn ich schnell genug wäre, durch das Fenster hindurch und dann mit dem Kleiderbügel am Seil runter fahren konnte. Mit meiner Schnelligkeit konnte ich aber auch das vergessen. Welche Möglichkeit blieb mir dann eigentlich noch?

Keine.

Na super, genau so hatte ich mir diesen Tag vorgestellt. Caro war weg, ich war alleine...

Vielleicht wartete meine Schwester ja auch gar nicht mehr auf mich, weil ich so lange brauchte. Der Gedanke breitete sich immer weiter aus und machte meinen Körper plötzlich ganz schwer, zu schwer um noch zu stehen. Denn mich überkam schlagartig eine so schwere, bleischwere, Müdigkeit, dass ich nach hinten taumelte. Laut stampfte mein Fuß auf den Boden als ich zurück schritt. Es war genau das Ende einer Holzdiele und der Kopf eines Nagels ragte etwas aus ihr heraus. Wahrscheinlich war sie locker. Doch das interessierte mich nun nicht mehr.

Ich wollte mich am inneren Fensterbrett festhalten doch meine Hand verfehlte das Ziel und ich stürzte zu Boden. Beim fallen stieß ich noch einen Kübel um und prallte dann mit meinem Kopf gegen die Wand bevor mein ganzer Körper auf die lockere Diele fiel. Das letzte was meine Augen sahen und meine Ohren hörten war, dass das andere Ende der Diele nach oben schnellte, genau zwischen die stemmigen Beine des Aufsehers.

Dann erfüllte ein schriller viel zu hoher Schrei, für so einen ehrfürchtigen Mann, die Luft. Nach diesem Aufschrei schloss ich meine Augen und hörte eine Weile meinem eigenen Atem zu. Doch irgendwann atmete ich nicht mehr... oder war ich einfach eingeschlafen?

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