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Als ich meine Augen wieder aufriss wusste ich zuerst nicht mehr wo ich war. Nach ein paar Sekunden viel es mir dann aber leider wieder ein. Wie lange war ich schon so dagelegen? So lange konnte es nicht gewesen sein, denn die beiden Aufseher lagen immer noch gekrümmt am Boden.

Zum Glück.

Mein Blick wanderte umher, dann sah ich aus dem Augenwinkel einen Zettel... oder war es eine geheime Botschaft von meiner Schwester?

Caro.

Sie liebte Kaugummis, und dieses Papier gehörte eindeutig zu ihrem Lieblingskaugummi. War das ein Zeichen? Oder war ihr das Papier einfach nur aus der Tasche gefallen als sie geflüchtet war. Geflüchtet, ohne mich. Ohne ihre Schwester. Darüber konnte ich jetzt aber nicht nachdenken, da der Wache der mich festgehalten hatte langsam wieder zu sich kam.

Nun handelte ich ohne weiter darüber nach zu denken, ob es nun gefährlich war oder nicht, sich aus dem Fenster zu stürzen. Zwar musste es jetzt schnell gehen, trotzdem versuchte ich mich vorsichtig und langsam am Sims hoch zu ziehen. Doch als der eine Aufseher schon versuchte sich aufzurichten, wurde ich hektischer. Mein Körper versuchte sich krampfhaft durch das kleine Fenster zu zwängen. Irgendetwas hielt mich aber zurück. Es klammerte sich an mein Bein. Es musste mir jetzt einfach egal sein und so zog ich fest daran. Man hörte wie jemand schmerzhaft aufstöhnte.

Nicht hinhören.

Endlich war ich am äußeren Rand des Fensters doch die Hand wollte nicht aufhören nach mir zu greifen. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach hinten. Da kam die Hand des Wachen plötzlich auf meinen Kopf zu. Meine Füße machten automatisch einen Schritt nach vorne. Doch da war nichts als Luft.

Mein Körper schwankte und dann kippte ich.

Meine Hand schnellte nach oben und ich konnte gerade noch das gespannte Seil erwischen. Schnell griff ich nach dem Kleiderbügel, um schon im nächsten Moment mit Vollgas nach unten zu brausen. Meine Beine flogen durch die Luft, als gehörten sie nicht zu mir.

Die Angst stieg. Doch neben dem mulmigen Gefühl war auch noch ein Gefühl das nun Oberhand gewann.

Freiheit.

Beinahe konnte ich mich nicht mehr beherrschen, sosehr berauschte mich das Gefühl. Das fröhliche Gezwitscher der Vögel, der Wind, der mir um die Ohren blies und ein schriller Schrei.

Unsanft prallte ich auf den Boden der Wirklichkeit und vor die Füße meiner verärgerten Schwester.


Schnell rappelte ich mich auf. Es war mir nicht aufgefallen, wie schnell ich das Ende des Seils erreicht hatte! Mein Blick hatte dort oben, in der Luft, total weggetreten aussehen müssen.

„Was um alles in der Welt hast du da Oben so lange gemacht?"

Etwas kleinlaut nuschelte ich: „Also... ähm, ich glaube ich bin kurz eingenickt und dann...", doch weiter kam ich nicht.

„Während du auf dem Dachboden dein Mittagsschläfchen hältst, stehe ich mir hier unten die Beine in den Bauch, male mir die schlimmsten Sachen aus, was dir passiert sein könnte und musste ständig Angst haben von der Direktorin oder einem Aufseher entdeckt zu werden." Als Caro mir mit finsterer Miene direkt in die Augen sah gleitete mein Blick beschämt zu Boden. Gerade wollte ich „Tut mir leid" sagen und dabei meinen Hundeblick aufsetzen, der bei ihr eh nichts half, doch dann ertönte von dem Dachfenster ein durchdringendes: „Schnell, sonst entwischen sie!" Erschrocken blickte ich nach oben, dort stand der Aufseher mit dem Vollbart und zeigte auf uns.

„Komm", meinte Caro mit einem strengen Blick auf die Wachen, „gehen wir wohin, wo wir ungestört sind."

Wie ein Dackel trottete ich nun hinter meiner älteren Schwester her. Sie wusste wohl genau wo es hingehen sollte. Innerlich hoffte ich, sie hätte unseren kleinen Streit schon wieder vergessen, doch als sie im Schatten einer großen Eiche plötzlich stehen blieb und sich umdrehte, sah man in ihren Augen noch die vor sich hin lodernde Wut. Doch nicht nur pure Wut war in ihrem Blick, nein, Sorge umfasste sie wie eine hauchdünne Schicht aus Eis. Leicht zerbrechlich und leicht verletzbar.

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