Ein neuer Tag

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Sonnenstrahlen kitzelten mich an der Nase. Langsam öffnete ich die Augen. Einige Sekunden lang starte ich an die Decke, dann setzte ich mich auf.
Meine nackten Füße berührten den Boden und ich spürte wie die Kälte langsam von meinen Zehenspitzen nach oben kroch.
Ich verspürte das dringende Gefühl mich wieder in meine warme Decke zu kuscheln. Mein Blick wanderte von der Decke, zu Fenster und wieder zur Decke. Ich entschied mich dann doch für das Fenster, stand auf, zog mir eine lockere gestrickte lange Jacke über und setzte mich dann an meinen Schreibtisch am Fenster. Es war ein wundervoller Aprilmorgen und ich genoss den Blick in den noch düsteren, aber freundlich wirkenden Schlossgarten.

Ich konnte immer noch nicht realisieren, wie alles abgelaufen und passiert war. Alles war so unrealistisch, so verwirrend und kam mir einfach so unwirklich vor. Doch ich war dort gewesen. Ich war eine Magd gewesen.
Es war so verrückt, dass es eigentlich gar nicht wahr sein konnte!
Wer erlebt denn so etwas schon? Am einen Tag Prinzessin, am nächsten Magd.
Magd.
Bauernhof.
Marvin.
Ich konnte diesen Gedanken nicht verhindern. Und ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, die mir jetzt in langen Bächen über das Gesicht flossen. Ich wusste nicht, wo er war! Ich wusste nicht, ob ihm etwas zugestoßen war! Im schlimmste Fall würde ich ihn nie mehr wiedersehen!
Nie! Dieses Wort hallte immer wieder durch meine Kopf. Nie.
Ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen! Meine Eltern würden niemals zulassen, dass ich noch einmal einen Fuß auf den Bauernhof seines Vaters setzen würde.

Mein Vater war schrecklich aufgebracht gewesen, als ich alles beichten musste. Ich war so durcheinander und verzweifelt gewesen, dass ich einfach die komplette Geschichte erzählt hatte.
Meiner Mutter waren Tränen in die Augen gestiegen. Es war eine lange und ausführliche Diskussion, oder wie auch immer man das nennen soll, geworden.

Meine Geschwister waren danach in mein Zimmer gekommen und es war ein wunderbar schönes Wiedersehen geworden. Ich hatte sie schrecklich vermisst! Es waren Tränen der Freude geflossen und das Gefühl, sie wieder in den Armen zu halten, war einfach überwältigend gewesen.

Ich strich mit dem Finger über das geschwungene, dunkle Holz meiner Schreibtischschublade. Mit einem leisen Quietschen des Holzes ließ sie sich öffnen. Ich griff nach dem fest eingebundenen Buch, dass ganz oben in der Schublade lag und nahm es heraus. Das Buch war mit einem weißen Stoff überzogen, welcher von violetten Blumen geschmückt wurde.
Als ich die erste Seite aufgeschlagen hatte, hielt ich inne. Das war jetzt das erste Mal, dass ich mein Buch in der Hand hielt, seit ich das Schloss Ende Januar verlassen hatte. Es kam mir wie eine Unendlichkeit vor.

Ich blätterte immer weiter, bis ich zu meinem letzten Eintrag kam.

Meine Eltern verstehen mich nicht. Ich fühle mich als etwas wahrgenommen, dass ich nicht sein will. So kann das nicht weitergehen!
Das, was ich will, darf ich nicht.
Ich kann das nicht mehr!
Deshalb will ich fort von hier gehen, es geht nicht anders. Natürlich habe ich hier Dinge, die mir wichtig sind, doch es heißt ja nicht, dass ich sie für immer verliere.

Ich werde das Schloss verlassen. Dich, Grazie werde ich hier lassen.
Falls das hier mein letzter Eintrag sein sollte und das hier einmal jemals jemand lesen wird, ich will das ihr wisst, dass ich euch trotzt allem liebe.

Eure Marie

Ich starrte meine Worte an. Ich wusste genau, wie ich mich beim Schreiben gefühlt hatte. Es war ja auch noch gar nicht so lange her.

Falls das hier mein letzter Eintrag sein sollte...

Ich bekam eine Gänsehaut. Hier sollte ich jetzt meinen Plänen nach nicht sein! Doch ein kleines bisschen war ich auch froh darüber, dass das nicht mein letzter Eintrag geworden war.

"Oh, Grazie", flüsterte ich kaum hörbar. Und strich mit dem Finger über die Seite.

Dann griff ich nach meiner Feder. Das Tintenfass klemmte ein wenig, dann ließ es sich öffnen. Ich tauchte die Spitze der Feder in die Tinte und begann dann zu schreiben.

Ich kann es selbst noch nicht glauben, doch ich bin wieder da.
Erklären kann ich das jetzt noch nicht, dazu ist später noch Zeit.

Ich muss wissen, was mit Marvin geschehen ist! Ich muss wissen, ob es ihm gut geht! Ganz dringend muss ich mir etwas einfallen lassen, um zu ihm ins Dorf zu kommen. Es wird schwer werden, doch ich muss es einfach schaffen.

Ich werde jetzt zu Charlotte gehen und später weiterschreiben.

Leise klopfte ich an ihre Tür. Ich hatte sie gestern kurz gesehen, doch es war flüchtig und in Anwesenheit der ganzen Familie gewesen.
Die Tür öffnete sich und meine kleine Schwester strahlte mich an.
Ich hatte sie so vermisst! Ich schloss sie in meine Arme und drückte sie so fest ich konnte.
"Marie! Du erdrückst mich fast", beschwerte sie sich. Ich lachte und lies sie los. "Na, was ist hier so passiert, als ich weg war?"
"Genauso viel, wie immer passiert", lachte sie.
"DU musst mir jetzt erstmal ALLES erzählen, was bei dir passiert ist!"

"Vater lässt mich niemals in die Stadt gehen", erklärte ich ihr am Ende meiner Erzählung meine jetzige Lage.
"Hmm", machte sie.
"Wir müssen uns irgendetwas Geschicktes ausdenken! Du musst schließlich unbedingt deinen heißen Bauern retten!"
Ich rammte ihr sofort meinen Ellenbogen in die Seite.
"Wenn unsere Eltern das hören würden!", sagte ich mit gespielt ernster Miene. Solche Worten benutzte wir natürlich niemals in Anwesenheit anderer. Schon gar nicht vor unseren Eltern.

"Nein, aber du hast Recht. Ich brauche dringend einen Plan."

"Was für einen Plan denn?", fragte plötzlich eine Stimme, die weder mir, noch Charlotte gehörte.

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Hallöchen, meine lieben Leser!

Ich weiß nicht genau, ob es jemandem von euch aufgefallen ist, aber ich habe alle Kapitel, die es bis jetzt gab, überarbeitet und viele auch verlängert.

Ich hoffe ihr bleibt weiterhin dabei beim Lesen!

Danke,

Blue_and_beauty❤️😘

MarieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt