Aufbruch?

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Müde rieb ich mir über die Augen. Der Gang lag in der Morgensonne da. Ich wollte nur eines: zurück in mein Bett schlüpfen.

Als ich die Tür zum Speisesaal öffnete stieg mir sofort der Geruch von Frühstück in die Nase. Ich bekam schlagartig Hunger. Charlotte, Amelie und meine anderen Geschwister saßen alle schon an der Tafel. Ich brachte ein 'guten Morgen' heraus und setzte mich dann an meinen Platz neben Charlotte und Katharina, meine ältere Schwester.
Von der anderen Seite des Tisches grinste mir Karl, der jüngste unserer Familie zu. Neben ihm saß Ludwig.

Die Speisesaal Tür öffnete sich und zwei Diener schoben einen weiteren Servierwagen mit Köstlichkeiten herein.

Meine Eltern aßen bei gewöhnlichen Mahlzeiten wie dieser in einem anderen Speisesaal zu zweit. Mich störte das nicht, denn unter meinen Geschwistern war das Frühstück viel entspannter, als mit der ganzen Familie.

Ich häufte meinen Teller mit Rührei, knusprigen Minibrötchen und anderen Leckereien voll.

Ich nahm einen großen Schluck Saft.
"Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir jetzt wieder Pferde auf dem Hof haben!", sagte ich und verschluckte mich dabei fast am Apfelsaft.
"Ja, ich freue mich schon furchtbar auf das Reiten", stimmte mir Charlotte zu.
Auch Ludwig nickte. Dann fragte er: "Warum reitest du eigentlich nicht, Katharina?"
Katharina tupfte sich mit ihrer sonnenblumenfarbenen Servierte über den Mund und sagte dann: "Das ist nichts für mich. Die Tiere mit ihrem Willen, das Gehoppel. Es soll zwar gut für die Haltung sein, aber sonst sehr ich keinen Grund, weshalb ich mich auf den Rücken dieser Tiere setzen sollte."

Ich betrachtete meine Schwester nachdenklich. Sie war viel zu ernst sie saß viel zu versteift da. Ihr war es wichtig alle Regeln zu beachten und ein gutes Bild abzugeben. Deshalb konnte ich auch nicht mit ihr über meine Sorgen und so sprechen. Sie würde nie verstehen können, warum ich das Leben einer Prinzessin nicht gerne mochte.

Nach dem Essen hatte ich erst mal Unterricht.
Erst Mathematik.
Dann Deutsch.
Dann Sprachen.
Unsere Eltern wollten, dass wir in allen Gebieten gebildet waren. Deshalb hatten viele verschiedene Lehrer für die verschiedenen Gebiete. Heute allerdings hatte ich nur die drei oben genannten Fächer.

Noch fünf Minuten. Ich machte mich auf den Weg in unser 'Klassenzimmer'.
Auf diese erste Stunde freute ich mich, denn Mathematik war meine Leidenschaft. Wie man so schön sagte, es lag mir einfach im Blut. Meine Schwester Katharina dagegen versuchte zwar mathematische Formeln zu verstehen, aber es war einfach nicht ihrs'. Sie liebte die Sprachen.

Nach dem Mittagessen war es dann endlich so weit. Wir durften zu den Pferde. Ich war furchtbar aufgeregt und redete die ganze Zeit ohne Pause auf Charlotte ein. Das war immer so, wenn ich aufgeregt war.

"Marie!", meine Mutter trat zu uns und versuchte meinen Redeschwall zu stoppen.

Die Hofstallungen waren das komplette Gegenteil von dem Stall auf dem Bauernhof. Mir gefielen ehrlich gesagt die bäuerlichen Stallungen viel besser, sie waren einfach lebendiger. In der Stallgasse, die ich gerade entlang ging, lag kein einziger Strohhalm! Alles war sauber und geputzt. Ich fand das war völlig unpassend für einen Pferdestall.

Dann waren wir da.
Drei wunderhübsche Tiere wieherten uns entgegen. Ich ging mit einen Lächeln auf dem Gesicht und von Glück umgeben auf sie zu. Ich streichelte dem Schimmel vorsichtig  über die Nüstern und flüsterte ein leises 'Hallo'.

Amelie quiekte freudig und begrüßte die Tiere, es war einfach ein unglaublich schöner Moment.

Den ganzen Nachmittag verbrachten wir bei den Pferden. Erst striegelten wir sie, dann führten wir sie durch den Schlosspark und am Ende durften wir noch ein wenig reiten.
Ich hätte am liebsten die Zeit angehalten und diesen Nachmittag für immer so weitergehen lassen, doch er nahm schließlich ein Ende.

Ich wusste, dass es leichtsinnig war das zu tun.
Ich wusste, ich hätte Charlotte von meinem Vorhaben erzählen sollen.
Und ich wusste, dass es verdammt gefährlich war.

Doch all das konnte mich nicht abhalten.

Sobald die Sonne untergegangen war packte ich meinen Beutel. Ich war komplett angespannt, doch ich wusste, dass ich das richtige tat.
Plötzlich klopfte es.
"Ja?", fragte ich mit dünner Stimme.
Es war die Zofe. Schnell schob ich meinen Beutel unter meine Bettdecke und drehte mich dann um.
"Entschuldigen Sie, Prinzessin Marie. Ich wollte nur nach Ihnen sehen."
Ich nickte nur.
Dann kam mir ein Gedanke. Ich gähnte. Ganz damenhaft selbstverständlich. "Ich bin schon recht müde. Könnten Sie mir in mein Schlafgewand helfen?", fragte ich.
"Natürlich! Ich werde Ihnen Ihr Bad einlassen und auch Ihre Eltern über Ihr  Zubettgehen informieren."
"Vielen Dank!"
Sie knickste und verschwand um mein Nachgewand zu holen.

Ich verstaute schnell die letzen Sachen in meinem Beutel, holte meine Stiefel aus dem Schrank und stellte sie hinter dem Vorhang bereit.

Als die Zofe wiederkam und mir bescheid gab, dass mein Bad bereit sei, dankte ich ihr und bat sie mich nun alleine zu lassen. Ich erklärte ihr auch, dass ich später gerne alleine mein Schlafgewand anziehen würde. Sie wünschte mir eine angenehme und ruhige Nacht und verließ verließ dann den Raum.
Endlich alleine.
Ich warf einen kurzen Blick in mein Badezimmer und überlegte bei dem angenehmen Duft, der mir entgegen kam ganz kurz doch noch ein kurzes Bad zu nehmen. Aber ich entschied mich schnell dagegen, ich durfte keine Zeit verlieren!

Ich zog eine alte Hose und eine Bluse an und schlüpfte in meine Stiefel. Schließlich zog ich mir noch den Mantel an und setze mir eine lehmfarbene Mütze auf den Kopf, die ich mal vor langer Zeit im Dorf gefunden hatte. Sie war zu groß und rutschte mir immer wieder ins Gesicht, doch ich behielt sie auf.

Ich drehte den Fensterknauf und öffnete es mit einem Quietschen. Als ich meinen Kopf schon hinaus ins Kühle steckte, fiel mir auf, dass ich meinen Beutel vergessen hatte. Ich fluchte leise und kletterte zurück um ihn zu holen.

Endlich stand ich im Park. Es würde schwer werden, hinaus zu kommen. Meine Eltern hatten die Überwachung verstärkt und die Wachen übersahen nichts. Ich tastete mich Schritt für Schritt an der Sandsteinmauer entlang und versuchte mit ihrem nachtschwarz zu verschmelzen. Vom Fenster meiner Schwester Katharina drangen gedämpfte Harfenmelodien nach unten, vom Stall war kaum hörbar ein Wiehern zu vernehmen. Ich schob mich zitternd weiter an der Wand entlang. Mir war kalt und ich hatte Angst.                                                                                                        

Plötzlich hörte ich ein Geräusch! Ich duckte mich. Da war jemand! Ich war mir ganz sicher! "Hast du den anderen gesagt, dass sie den Wagen fertig machen sollen?", fragte jemand. "Jaa, natürlich!", antwortete eine andere Stimme genervt. Wer war da? Ganz vorsichtig spähte ich um die Ecke. Es war schwer die beiden Gestalten zuzuordnen, wegen der Dunkelheit, aber kam dann trotzdem zu einer logischen Lösung. Es handelte sich bei den beiden anscheinend um zwei Küchenangestellte unseres Schlosses. Ich lausche noch ein wenig ihrem Gespräch, bis ich  alles nötige wusste und schlich mich dann davon.

Ich schaute mich immer wieder in alle Richtungen um, weil ich Angst hatte entdeckt zu werden. Ich schlich den düsteren Weg entlang, bis ich zu dem bereits beladenen Wagen kam. In Eile kletterte ich an einer Seite auf das Holzgefährt. Ich stolperte fast über den Haufen aus Säcken und gelangte schließlich zu zwei großen Holzfässern. Der Deckel des einen ließ sich mit etwas Kraft öffnen und ich spähte hinein. Es war leer. "Komm! Wir haben nicht mehr viel Zeit!", rief eine Stimme. Mein ganzer Körper krampfte sich augenblicklich zusammen. Ich hörte Schritte auf dem Weg. Panisch kletterte ich in das Fass und schloss den Deckel über mir. Jetzt kam es darauf an. Der Wagen ruckelte leicht, als weiteres aufgeladen wurde. Ich kauerte mich in dem unbequemen Fass zusammen und wartete.

Endlich rief eine Frau:" Wir haben alles!" Ein paar Stimmen murmelten noch irgendetwas Unverständliches. Dann ging ein heftiger Ruck durch den Wagen. Es ging los ins Dorf.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 29, 2016 ⏰

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