...D wie Desaster...

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  Lola war einer der sonderbarsten Menschen, die ich je kennen lernen würde. Ihren Eltern gehörte eine ziemlich ansehnliche Firma und anscheinend unterstützten sie diese Schule finanziell. So wunderte es mich auch nicht wirklich, dass sich Lola alles erlauben durfte. Keiner sagte etwas, wenn sie ihre Nägel im Unterricht machte, keiner sagte etwas, wenn sie während des Unterrichtes schlief und keiner beklagte sich, wenn sie sich weigerte, eine Präsentation zu machen.

Ich musste zugeben, an meiner alten Schule hätte ich Menschen wie Lola verabscheut. Menschen, denen alles zugeflogen kam und die kaum einen Fingernagel dafür krümmen mussten. Doch Lola war anders und umso mehr ich mich mit ihr unterhielt, umso mehr wurde sie mir sympathisch. Und so kam es, dass ich auch die restlichen Fächer neben ihr hockte oder eben hocken durfte.

"Kannst du surfen?", flüsterte ich während der Englisch Lektion.

"Nein, ich kann nicht einmal wirklich schwimmen." , meinte sie. "Aber diese Woche hat der Surf-Unterricht erst begonnen, also keine Angst."

Ich nickte.

"Von wo kommst du überhaupt?", fragte sie.

Das mit der falschen Identität war gar nicht so schwer, man durfte seine Lügen nur nie vergessen. Darum entschloss ich mich dazu, bei diesem Teil, bei der Wahrheit zu bleiben.

"Aus Remento, kleines Dorf in mitten der Großstädte."

"Dann wird das hier kein großer Unterschied sein." Sie lächelte mich an, während sie irgendwelche Gesichter in ihr Buch zeichnete,

"Und wo wohnst du jetzt?" Ging die Fragestunde weiter.

"In einer kleinen Wohngemeinschaft gleich neben der Schule."

"Das muss toll sein. Wollte ich schon immer einmal."

Naja unter toll stellte ich mir so ziemlich vieles vor, nur keine Bruchbude mit einem winzigen Zimmer und kaltem Wasser zum Duschen.

"Ja.", antwortete ich nur und versuchte mich dann den Rest der Stunde auf den Unterricht zu konzentrieren.

Während ich mich durch die morgen Stunden brachte und dabei wirklich ein zwei neue Dinge lernte, blickte ich immer wieder auf mein Handy. Bis jetzt hatten sie sich noch nicht gemeldet. Langsam wurde es immer unbehaglicher. Mein Auftrag war, dass ich diesen Jungen beobachtete und ihnen ein wenig aus seinem Leben erzählte. Nur warum? Konnten sie das nicht auch und war das nicht strafbar?

"Alles in Ordnung?", fragte Lola und stupste mich mit einem ihrer Nägel an.

Ich nickte. "Ich habe einfach Hunger."

"Dann komm, normale Leute essen in der Cafeteria." Sie packte ihre Schulbücher zusammen und lief ohne sich umzudrehen aus dem Raum. Für einen kurzen Moment sah ich mich in dem Klassenzimmer um. Nein, ihn hatte ich hier definitiv noch nicht gesehen.

Die Cafeteria war bei weitem größer als die anderen Räume in der Schule. Es standen überall runde Tische und Stühle, es gab Musik und natürlich jede Menge Essen. Man bezahlte pro Monat eine kleine Gebühr und dafür durfte man hier gratis essen. Jedoch musste man beinahe hier essen, alle anderen Restaurants waren unten beim Strand und da wir jeweils nur eine Stunde Mittag hatten, reichte das kaum für mehr.

"Ich hole mir zuerst etwas, dann du. So besetzt niemand unseren Tisch.", sprach Lola und warf ihre Tasche auf einen der Tische in der Ecke. Ich seufzte und setzte mich also nieder. Nach und nach kamen immer mehr Schüler in die Cafeteria und irgendwie war ich froh, dass es hier auch andere Mädchen mit gewöhnungsbedürftigen Haarfarben hatte. Es gab alles von neongrün zu kaltem grau. Irgendwo entdeckte ich sogar ein Mädchen mit Zebrahaarfarbe.

Lola ließ sich Zeit und unterhielt sich lieber mit anderen Leuten, als sich zu beeilen. Irgendwann knurrte mein Magen ununterbrochen und so machte auch ich mich auf den Weg zum Essen.

Ich belud mein Tablett mit Lebensmitteln und schenkte Lola dabei einen mahnenden Blick. Sie winkte nur mit der Hand ab und unterhielt sich weiter mit einem Jungen mit kurzen Haaren.

Ganz vorsichtig lief ich zurück zu meinem Platz. Das Glas Wasser auf meinem Tablett schwankte bedrohlich und irgendwie sah ich es schon auf dem Boden. In dem Moment musste natürlich mein Handy klingeln. Genervt stellte ich mein Tablett auf einen der Tische und suchte mein Handy hervor. Eine unbekannte Nummer leuchtete auf dem Display auf.

"Ja?" Ich nahm ab und wartete eine Weile.

"Zoey wie läuft es?" , erklang die Stimme des Typen mit den blonden Haaren am anderen Ende.

"Bis jetzt noch nichts.", antwortete ich und warf einen Blick um mich.

"Ruf an, wenn du mehr weißt." Er wollte gerade auflegen, da rief ich noch dazwischen:"Warte! Warum das Ganze?"

"Er ist ein sehr begabter Schüler, wir brauchen begabte Schüler für unsere Universität. Wenn wir mehr wissen, können wir ihn einladen." , sprach er nur und beendete das Telefonat.

Ich war mir sicher, das war gelogen. Ich packte das Handy wieder in meine Tasche und wagte einen zweiten Versuch mit dem Tablett Meine Aufmerksamkeit wanderte jedoch zu einer anderen Person. Es war ein Mädchen, womöglich in meinem Alter. Sie hatte rotes langes Haar und ein ziemlich perfektes Gesicht. Viele der Jungs drehten sich zu ihr um oder verwickelten sie in ein Gespräch. Sie war aber nicht wie Lola. Es schien eher so, als ob sie lieber für sich alleine wäre, als diese ganze Aufmerksamkeit zu erhalten.

Sie kam genau in meine Richtung, blickte jedoch mehr auf ihr Buch, welches sie in der Hand hatte, als auf den Weg. Im Normalfall wäre ich ihr ausgewichen, aber leider betrat genau in diesem Moment meine Zielperson den Raum und meine völlige Konzentration wanderte zu ihm. Er war blond, ein wenig größer, trug ein weißes T-shirt und sein Lächeln schien den Raum zu erhellen. Neben ihm liefen drei andere Jungs und bevor ich weiter starren konnte, erklang ein Klirren direkt vor mir und auf einmal hielt ich kein Tablett mehr in meinen Händen.  

Bad Exchange, der VertragWo Geschichten leben. Entdecke jetzt