Kapitel 3

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  Sometimes the questions are complicated and the answers are simple.

- Dr. Suess   

***

Ich saß gerade an meinem für mich beanspruchten Lieblingstisch, er lag am Fenster, sodass ich immer hinaus schauen konnte und weit genug entfernt von Shawn's Tisch.

Man hatte außerdem den perfekten Überblick über alle anderen Tische.
Hinten rechts in der hintersten Ecke, wo wahrscheinlich nie auch nur ein einziger Sonnenstrahl hin kam, saßen zum Beispiel die Nerds.

Im Zentrum dagegen saß der Großteil des Footballteams, um ihnen gescharrt die Cheerleader und ein paar Tänzer. Man konnte schon fast sagen sie wurden von ihnen belagert. Die Armen konnten noch nicht einmal ordentlich essen, da an jeder ihrer Arme mindestens ein Mädchen, bei manchen auch zwei hingen und sie anschmachteten.

Einer hatte jetzt schon fünf Minuten versucht von seinem Muffin abzubeißen, doch mit je 50 Kilo an den Armen war das ein schweres Unterfangen. Schließlich riss ihm der Geduldsfaden und er schnauzt edie beiden erst einmal richtig an, wodurch die Mädchen heulend den Tisch verließen.

Guter Mann, den mag ich !

Immer noch grinsend nahm ich einen Schluck von meinem Kaffeebecher, in dem sich allerdings nur heiße Schokolade befand und brach sogleich in einen heftigem Hustenanfall aus, als ich Shawn sah, der direkt auf mich zu kam. Ohh nee, was will der den hier?

Durch meinen Anfall unfähig zu sprechen, zeigte ich mit Hilfe meiner wild wedelnden Hände überdeutlich dass er sich um drehen und mich in Ruhe lassen sollte.

Davon unbeeindruckt setzte er sich einfach mir gegenüber an den Tisch und ich ließ demonstrativ den Kopf auf die Tischplatte fallen, hatte er für heute nicht genug ?

"Na Wiliams, hat es dir wegen mir die Sprache verschlagen?", meinte er grinsend.

"In deinen Träumen vielleicht", sagte ich immer noch halb hustend, "und jetzt, da du damit beehrt wurdest an meinem Tisch gesessen zu haben, kannst du dich ja auch gleich wieder verpissen."

"Nop, ich hab wegen dem Schlag was gut bei dir", maulte er rum.

"Oh jetzt tust du mir aber leid !"

Der soll sich nicht wie so ein kleiner Junge verhalte, dem gedroht wurde das sein Nachtisch ausfallen würde. Ich verdrehte die Augen und nahm einen weiteren Schluck von meinem Kakao.

Beleidigt griff er nach meinem Schokomuffin. Im ersten Moment zu geschockt um zu reagieren, sah ich ihm wie in Zeitlupe zu, als er den Muffin langsam zu seinem Mund führte. Erst als das wundervolle Gebäck fast seine Lippen berührten, reagierte ich.

Mit einer Hand schlug ich ihn den Muffin aus der Hand und fing ihn mit der anderen blitzschnell auf. "Sag mal spinnst du ?", rief ich entgeistert. Niemand aß mein Essen, schon gar nicht meinen Schokomuffin ! Ich wiederholte: Schokomuffin !

Beschützerisch legte ich meine Arme davor und funkelte ihn an ! Er gehörte allein mir !

Ich beschloss ihn einfach zu ignorieren, wenn es bei kleinen Kinder klappt, klappt es ja vielleicht auch mit ihm. Demonstrativ biss ich in das heilige Gepäck und kaute genüsslich.

Erlegte den Kopf schräg und musterte mich intensiv: "Du bist komisch."

Ach echt jetzt ? Das will natürlich jedes Mädchen hören ! Aber in einer gewissen Hinsicht stimmte es ja. Irgendwie. Also normal konnte man mich nicht unbedingt nennen.

Ich schwieg, immer noch sauer das er es wagte mein Essen an zufassen. Doch er laberte einfach irgendein Zeug drauf los.

"Weiß man überhaupt was über dich, außer das du tanzt und 'ne unglaublich große Klappe hast? Sag mal bist du nicht manchmal einsam? So ganz ohne Freunde? Ich mein ja nur... man brauch ja auch mal jemanden zum Reden oder so. Oder Hausaufgaben? Machst du die im Ernst allein? Weißt du überhaupt was es für Vorzüge..."

"Ja ist gut jetzt, kannst auf hören. Wie gesagt such dir einen anderen den du vollalbern kannst!", unterbrach ich ihn. Er sollte nicht auf die Idee kommen mehr erfahren zu wollen und außerdem hasste ich ihn.

Er hasste mich doch auch! Also was geht ihn das an ?

Erschaute mich an. Ausdruckslos, noch nicht mal neugierig oder so, was man vielleicht aus den Fragen hätte schließen können. Es war eher so als machte er sich einen Spaß daraus. Als wollte er mich so lange provozieren bis ich nachgab und irgendetwas preisgab.

Und dank meines verfluchten Temperamentes kochte es tatsächlich in mir hoch. Wenn er der Meinung war mich eine Ansage machen zu müssen, konnte ich das auch.

"Und was ist mit dir, hmm? Über dich weiß man doch genauso wenig ! Du bist der Player, der drei Mädchen die Woche hat und Quarterback. Da hört es aber auch schon auf. Also tun nicht so als wärst du irgendwie besser !", rechtfertigte ich mich.

"Gut", meinte er immer noch ausdruckslos, doch da ich im verstecken von Emotionen mindestens genauso gut war wie er, merkte ich, dass er sich den Verlauf des Gespräches deutlich anders vorgestellt hatte.

"Gut", tat ich es ihm mit einem zuckersüßem Lächeln gleich.

Mit lautem quietschen, schob er den Stuhl zurück und erhob sich. Erneute schaute er von oben auf mich herab. "Glaub mir, allein sein macht es nicht besser! Vielleicht kennt mich keiner wirklich aber wenigsten bin ich nicht so wie du und schotte mich vom ganzen sozial Leben ab !"

Trotzig hob ich das Kin, obwohl ich nichts darauf antworten konnte. Meine Augen funkelten ihn emotionslos an. Er starrte zurück. Als er merkte das ich nichts erwiderte, schüttelte er langsam den Kopf und ich konnte in seinen Augen lesen wie erbärmlich er mich fand.

"Du bist einfach viel zu Stur, um zuzugeben das ich Recht habe."

Ich sagte nichts dazu und schaute ihm einfach nur hinterher, als er sich umdrehte und mit den Händen in den Tasche und hochgezogenen Schultern zurück zu seinem Tisch ging und sofort von mindesten fünf Blondinen umzingelt wurde.

Frustriert aß ich den Rest meines Muffins. Die Wörter von Shawn geisterten immer noch in meinem Kopf umher. Er hatte ja Recht und zugegebener Maßen war ich wirklich viel zu stolz und stur ihm das zuzugestehen.

Außerdem war ich der Meinung das er auch nicht besser war. Klar, er saß nie allein oder schotte sich von den anderen Schülern ab, aber als Freunde konnte man die, mit denen er abhing, nun wirklich nicht bezeichnen.

Und warum sollte ich wegen ihm, der mich genauso wenig kannte wie alle anderen hier in diesem Gebäude, meine Einstellung zu irgendetwas ändern?

Nur weil er meint er wüsste es besser als ich? Er wusste doch gar nicht in welcher Situation ich mich befand ! Oder?

Noch nie hatte ich mir in den letzten drei Jahren über die Meinung anderer, so viele Gedanken gemacht wie momentan.

Und warum ist Shawn eigentlich so wie er ist? 

The UnknownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt