Kapitel 6

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I've cried, and you'd think I'd be better for it, but the sadness just sleeps, and it stays in my spine the rest of my life.

-Conor Oberst

***

Seufzend schloss ich die Tür hinter mir, eigentlich konnte ich echt nicht noch mehr Chaos in meinem Leben gebrauchen !

Plötzliche ertönte unerwartet ein Stimme hinter mir: "Wer war das?"

Natürlich erkannte ich sie sofort, auch wenn sie mich im ersten Moment erschreckte, da ich es wie gesagt gewohnt war allein zu sein.

"Geht dich nen scheiß Dreck an !", meinte ich nur trocken zurück,"Kann ich jetzt durch?", er hatte sich nämlich direkt im Flur vor mir aufgebaut und funkelte mich wütend an.

"Sag mal wie redest du eigentlich mit mir ! Ich wollte wissen wer das ist und du bist meine Tochter, also gib mir gefälligst eine Antwort!", brüllte er mich nun an.

"Das Recht mich deine Tochter zu nennen hast du längst verloren. Du bist nicht mein Vater. Nicht mehr. Das bist du schon seit damals, als du mir, als 13 Jährige zugesehen hast wie ich heulend die, von dir verursachten Scherben wegräumt habe, nicht mehr."

Ich sprach immer noch relativ ruhig, verbittert ja, aber immer noch ruhig. Die Augen die mich gerade noch hasserfüllt angefunkelt hatten, wurden auf einmal ganz weich.

Oh nein was kam jetzt? Er fing an zu weinen, einfach so brach er in Tränen aus und kam langsam auf mich zu.

"Lass mich durch!", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Doch er achtete nicht darauf oder ignorierte es einfach. Er kam auf mich zu und legte seine dreckigen Arme um mich. Erst jetzt merkte ich die leichte Alkoholfahne, die mir entgegen schlug. Seine Arme um mir waren zu viel, ich konnte es nicht ertragen.

"Lass mich los !", schrie ich nun.

"Aber du doch mein Baby", heulte er verzweifelt, "Und du siehst ihr doch so ähnlich!"

"Lass meine Mutter aus dem Spiel!", mittlerweile liefen auch mir einpaar Tränen über die Wange.

"Und man hat gesehen wie sehr ich "dein Baby" war, als du gestern nach Hause kamst und mich vollkommen ignoriert hast",meinte ich spöttisch.

"Ich weiß das ich kein guter Vater war, gib mir noch eine Chance, ich kam damals einfach nicht mit ihren Tod klar, doch ich-"

Ich unterbrach ihn schreiend, immer noch nicht in der Lage mich aus seinem Griff zu befreien:

"Du bemitleidest gerade nicht wirklich dich selbst! Ich fasse es nicht! Aber ich soll besser mit ihrem Tod klar gekommen sein oder was ? Ich war fucking 13 Jahre alt und seit dem musste ich mein komplettes Leben allein organisieren! Du warst ein Erwachsener Mann und anstatt das zu lieben was dir geblieben war, hast du dich einfach in deine Trauer gestürzt !"

Ich hielt kurz inne und flüsterte am Ende verbittert: "Das ist so erbärmlich. Du bist so erbärmlich! Und jetzt-lass-mich-los"

Geschockt von der Ansage, ließ er seine Arme sinken und ich nutzte die Gelegenheit um hoch in mein Zimmer zu rennen, bevor er auf die Idee kam mich erneut belästigen zu müssen.

Ich hörte wie unten etwas zerbrach, und dann noch was und noch was ...Ich hörte auf zu zählen, trotzdem zuckte ich jedes mal zusammen.

Wahrscheinlich war es nichts wertvolles was er da zertrümmerte, denn das hatte ich längst vor ihm in Sicherheit gebracht und meinen Tanzraum schloss ich immer ab.

Nichts desto trotz war es schrecklich. Ihm jedes mal hinterher zu räumen und dabei auf zu passen nicht seine Wut auf sich zu ziehen.

Dann knallte die Tür und er war fort. Endlich. Ich wollte nicht runtergehen und nach sehen was passiert war, dass würde ich psychisch nach diesem Tag nicht durch stehen.

Ich hatte Hunger, aber es war auszuhalten. Ich hatte vor meinem Tanztraining, das in der Panikattacke endete Pizza gegessen und das musste reichen.

Keine zehn Pferde würden mich runter in die Küche oder das Wohnzimmer bewegen können.

Ich zog mir einen leichten Pulli über und nahm ein paar Kissen mit. Dann ging ich raus auf meinen Balkon, der gleich an mein Zimmer grenzte. Doch er war nicht mein Ziel.

Ich schwang mich geübt, nach dem ich die Kissen rauf schmiss, aufs Dach, in dem ich mich mit einem Bein am Geländer abstieß und kletterte langsam hoch bis zur Spitze. Mein Ziel war der Platz hinter dem großen Schornstein, den wir wegen dem Kamin, den wir allerdings nie benutzten, besaßen.

Dieser Bereich hatte nur eine leichte Steigung und war in etwa so groß wie mein Bett. Ich legte die Kissen ab und holte noch zwei Decken und meine Beats.

Ich machte es mir gemütlich schloss meine Augen, lauschte der Musik und Versuchte all die Gedanken die in meinem Kopf herumschwirrten einfach auszuschalten.

Als ich meine Augen das nächste mal öffnete war es dunkel und die Sterne funkelten an Himmel.

Ich nahm die Kopfhörer ab und lauschte in die Stille der Nacht, genoss die kühle Luft, die auf meinem Gesicht kribbelte und einfach den wunderschönen Ausblick über mir.

Ich lag einfach da und schaute nach oben und merkte gar nicht wie die Tränen anfingen zu laufen. Verdammt ich heulte echt zu viel momentan.

Und dann machte ich etwas was ich mir vor langer Zeit geschworen haben nie mehr wieder zu tun, doch ich konnte nichts daran ändern. Die Gedanken kamen einfach und ich hatte nicht mehr die Kraft sie wegzuschieben. Ich träumte.

Ich mahlte mir aus wie es wäre, wenn...

Wenn meine Mutter nicht damals vor vier Jahren gestorben wäre. Wenn wir immer noch die glückliche Familie wären die jeden Sonntag in den Zoo ging.

Wenn ich ein ganz normales Teenager leben könnte, ohne Angst zu haben jemanden in mein kaputtes, ja in Scherben liegendes Leben zu ziehen. Ohne Angst vor und um seinen eigenen Vater. Mit einer Mutter mit der man über Frauenprobleme, Liebe und Sorgen reden könnte.

Doch diese Vorstellungen zerrissen mich innerlich so sehr, das nur noch literweise mehr Tränen meine Wange hinunter kullerten, weil ich wusste das es eben nicht so war.

Und einmal mehr realisierte ich...

Träumen war tödlich für mich.

The UnknownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt