Kapitel 8

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There are two types of people in the world: those who prefer to be sad among others, and those who prefer to be sad alone. 

- Nicole Krauss, The History of Love

***

Sein Blick verfolgte mich, als ich die Schultür öffnete und schnell dahinter verschwand.

Erleichtert atmete ich aus, das Interesse was Shawn für mich entwickelte und die Tatsache das selbst ich ihn nicht mehr so hasste, beunruhigte mich. Doch ich durfte nicht nachgeben, ich wollte keine Person mit in mein, in Scherben liegendes, Leben ziehen, das war mir gestern Abend klar geworden.

Der Flur war leer, logisch die zweite Stunde hat schon vor ein paar Minuten begonnen, so dass ich dank Shawn auch noch zu spät zu dieser kam. Ich klopfte an der Tür unseres Englischraumes und erwartete, wie gewohnt die quietschige Stimme der Kröte, auch bekannt als Mrs. Higgins.

Stattdessen begrüsste mich allerdings die tiefe Stimme eines Lehrers: "Herein!"

Ich betrat den Raum und wollte die Tür gerade schließen, als Shawn den Gang entlang schliderte und sich gerade noch durch die Tür zwängte.

Stimmt, er hatte ja Englisch mit mir.

Langsam drehten wir uns zu dem neuen Lehrer um und setzten uns synchron ein Engels Lächeln auf. Logischerweise wollten wir es uns nicht gleich am ersten Tag vollkommen mit ihm verscherzen.

Hinter uns fingen die Schüler an zu tuscheln, klar die Panikattacke gestern hatte sich bestimmt rumgesprochen und jetzt tauchten wir zusammen, eine Stunde zu spät, in der Schule auf.

"Ah Miss William und Mr. Anderson richtig ? Na da freu ich mich doch, dass ihr uns mit eurer Anwesenheit beehrt! Mr. Martens mein Name und jetzt setzt euch.", er guckte uns über die Brille hinweg an, er war ein etwas ältere Herr, der mir persönliche sehr Sympathisch vorkam.

Das konnte aber auch daran liegen, dass Mrs. Higgins einfach eine alte Hexe war.

Wir lächelten unschuldig und drehten uns um. In dem Moment merkten wir das eine neue Sitzordnung gemacht wurden und da alle anderen Schüler schon da waren, war nur noch hinten links eine Bank frei.

Na toll ich durfte also auch noch neben diesem Vollidioten sitzen. Ich spürte einige eifersüchtigen Blicke im Rücken und verdrehte die Augen, neben ihm sitzen zu müssen, war nicht der Himmel.

"Das ist alles deine Schuld !", zischte ich ihm zwischen zusammengebissenen Zähnen zu, als wir uns auf unsere Stühle fallen ließen.

Erschaute mich genervt an. "Ich hätte dich nicht mitnehmen müssen, dann wäre ich pünktlich gekommen !", flüsterte er mir zu.

"Ist ja nicht so das ich dich gezwungen hätte und wer hatte denn die Idee mit der scheiß Zentralverriegelung ?!"

Im Nachhinein wusste ich nicht mehr genau warum wir beide so heftig reagierten, hatten wir uns doch  am Vortag noch so gut verstanden.

Wahrscheinlich lag es einfach an der angespannten Situation und dem gottverdammten Temperament, das wir beide im Überfluss besaßen.

Mit einem lauten kratzen schob ich den Stuhl zurück und sprang auf. Shawn folgte meinen Beispiel.

"Weißt du ?! Ich habe es echt satt irgendwelche Dinge für dich zu tun und danach nur dafür von dir angemeckert zu werden. Nur weil du irgendwelche Probleme mit dir selbst hat. Logisch, ich hätte dich Gestern auch halb verrecken lassen können oder heute Früh laufen"

"Dann lass es doch einfach, ich komme ganz gut allein klar im Leben, da brauch ich nicht so einen Mister Ichbinsocool, der meint mir hinterher laufen zu müssen"

Erlacht kurz spöttisch auf: "Ich, dir hinterher laufen ? Ich bitte dich, in welchem Universum lebst du?"

Immer noch lachend, schüttelte er den Kopf als wäre die Tatsache das er sich für mich interessiert, unvorstellbar.

Ich wusste nicht genau warum, aber diese letzte Geste verletzte mich um einiges mehr als alles was er davor gesagt hatte .

Kurz huschte ein schmerzvoller Schimmer über mein Gesicht, ehe es wieder die harte Maske annahm, doch Shawn hatte ihn gesehen. Da war ich mir sicher und ich hasste mich selbst dafür.

Meine verrückten Augen funkelten ihn kalt an und auch seine, im Moment fast schwarzen taten es meinen gleich.

Erst jetzt bemerkten wir die Totenstille um uns herum und drehten unsere Köpfe langsam zur Klasse. Die Schüler hatten alle ihr Gesicht uns zugewandt und ihre Münder standen offen. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie uns an, wir starrten zurück und unter unseren Blicken drehten sie sich langsam wieder um.

Mr. Martens stand ruhig am Lehrertisch und schaut uns über seine Brille hinweg nachdenklich an.

Mrs. Higgins wäre jetzt schon schreiend durch den Raum gerannt und hätte wie in einem Mantra vor sich hin gemurmelt, dass dieser Job sie irgendwann umbringen würde.

Ach diese Momente waren immer das Highlight des ganzen Englischunterrichtes.

"Entschuldigt euch", meinte Mr. Martens mit fester Stimme.

Wir schauten uns an, Shawn verzog keine Miene, ich ebenso wenig.

Unser Blick glitt wieder nach vorne zu unserem Lehrer, kein Wort verließ unsere Lippen.

"Gut, dann raus. Aber lasst euch gesagt sein, so ein Verhalten dulde ich in meinem Unterricht nicht. Ihr habt eine Woche lang Nachsitzen, aber nicht mit den anderen zusammen. Vielleicht könnt ihr euch dann dort anschreien und müsst es nicht im Unterricht tuen."

Wütend schulterte ich meine Tasche und stampfte, gefolgt von Shawn aus dem Klassenzimmer.

Schweigend und ohne einander anzusehen trennten sich unsere Wege vor dem Klassenzimmer.

Wir beide waren natürlich sehr begeistert von dem Gedanken gemeinsam Nachsitzen zu müssen, es waren zwar nur zwei Tage, da wir drei Tage die Woche Training hatten und diese mit zählten.

Und heute war schon der erste Tag an dem ich eine wertvolle Stunde mit ihm verschwenden durfte, denn Training war bei Shawn und mir immer Montags, Mittwochs und Donnerstag, wobei Shawn am Wochenende noch seine Spiele hatte.

Den restlichen Schultag verbrachte ich damit, jeden der mich anglotzte, was so ziemlich jeder war, denn auch unserer Streit hatte sich mittlerweile schon überall rumgesprochen, in Grund und Boden zufunkeln.

Nachdem ich dann endlich die Psychologie Stunde überstanden hatte, die mich an manchen Tagen sogar interessierte, machte ich mich auf den Weg zum Bus, oh mann wie ich es hasste in diesem stickigen Teil, neben irgendwelchen möchte gern Hipsters oder alten peniblen Damen, die sich dauerhaft über die Jugend heutzutage aufregten, zu sitzen.

Ich wusste, warum ich seit dem ich meinen Führerschein besaß nur noch mit dem Auto fuhr.

Als ich dann endlich vor unserem Eingangstor stand, konnte ich mich vor Schock erst einmal nicht mehr bewegen.

Vor unserem Haus, stand ein riesiger Abschleppwagen, der gerade meinen geliebten Mini ablud. Er hatte überall Kratzer, die Stoßstange hing nur noch an der einen Seite lose runter und die Motorhaube war leicht eingedellt.

Was zum Teufel war passiert?

The UnknownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt