In der Arena - 2

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Kapitel 2

Oberhalb der Mauern umschließt uns eine Kuppel aus Glas, durch die ich Tribünen sehen kann, auf denen Menschenmassen sitzen, applaudieren und jubeln. Ich lasse meinen Blick einmal im Kreis schweifen, doch das Einzige, was sich von dem Rest unterscheidet, ist ein kleines Podest, das minimal von den Zuschauermassen abgeschottet ist. Just in diesem Moment betritt ein mannshoher, muskulöser Mann, dieses Podest und spricht in ein winziges scharfes Mikrofon. "Shiva, würdest du bitte zurück zu deinem Kreis gehen?" Lautsprecher! In der Arena waren Lautsprecher verteilt. Das heisst irgendwo müsste eine Verbindung zwischen hier und der Außenwelt sein. Aber wo? Ich würde mir später darüber Gedanken machen. "Wozu? Damit ihr mich in Einzelteile sprengen könnt?" "Nein. Wir haben die Sprengfallen deaktiviert." "Wer versichert mir, dass es wirklich so ist?" "Kannst du nicht einmal kooperativ sein?" Er war offensichtlich genervt, aber das war mir so was von egal. Ich bleibe bei Zoe. Ich sehe von ihm zu ihr. Sie sieht traurig aus. Sie will nicht, dass ich gehe. Ich hab eine Idee. "Was habe ich davon? Was kriege ich, wenn ich es tue?" "Du bleibst am Leben... vorerst." "Nein. Gebt mir etwas, für das es sich lohnt zu gehorchen."

Denn sterben würde ich sowieso.

Sein Kiefer ist so dicht aufeinander gepresst, dass seine Zähne eigentlich schon brechen müssten. Seine Wangen werden purpurrot vor Zorn und Scham. Aber er kann von dort aus vorerst nichts anrichen, weshalb er mir nachgeben muss. "Na schön, was willst du?" "Nähzeugs und Medizin für die Kleine." Er schnippst und im selben Moment öffnet sich eine Luke ganz oben in der Kuppel. Ein kleines weißes Päckchen landet neben uns. Ich reiße es auf, um sicher zu gehen, dass das richtige notwendige Material vorhanden ist. Schere, Nadel, Faden, Verband, Mullbinden und eine Tablettenverpackung. Wahrscheinlich Schmerzmittel. In diesem Moment bereue ich, dass ich keinen Arzt verlangt hab. "Ich hab so etwas noch nie gemacht", murmele ich. "Ich schon. Ich sag dir, was du machen musst." Wie konnte Zoe so ruhig bleiben, wo sie grad ihren linken Unterarm verloren hat? "Nimm die Nadel und den Faden..." sie wies mich Schritt für Schritt an, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, als Wunden zu versorgen. Mein Werk sah nicht grade toll aus, aber dafür stabil und durchaus tauglich. "Danke, Shiva." "Gerne." Ich drücke ihr einen Kuss auf die Stirn und stehe auf. "Geh nicht! Verlass mich nicht!" Panik liegt in ihrer Stimme. "Ich werde dich nie wirklich allein lassen, hörst du? Ich werd wieder zu dir kommen, sobald ich kann, aber jetzt ist es sinnvoll, das zu tun, was man von uns verlangt, damit wir am Leben bleiben." Ich drehe mich um und halte erst auf meinem Steinkreis an. Die alte Dame grinst, warum auch immer. Zoe schaut entschlossen zu mir. Die Stimme des Podestmannes ertönt aus den Lautsprechern...

"Willkommen, willkommen! Willkommen zu den spannenden Florenzia-Kämpfen. Hier werden Kämpfe zu Ehren der Natur ausgetragen. In Gedenken daran, dass die Menschen nicht nur die Natur zerstören, sondern somit auch sich selbst. Es werden nur zwei Menschen überleben können. Sie dürfen den Ursprung der Menschheit und der wundervollen Natur repräsentieren und alle daran erinnern, welch Schaden wir anrichten, wenn wir das Wertvollste dieser welt nicht zu schätzen wissen. Viele von euch kennen die Kämpfe schon, doch dieses Jahr haben wir auch Nachwuchs von außerhalb dabei. Einen Applaus bitte für Shiva Tremane, die bereits ihre Sturheit zur Schau gestellt hat." Na toll, die Außenseiterin, die von außerhalb... besser konnt's kaum werden. Lächeln und winken. Einfach stur lächeln und winken. Der Applaus war einfach überwältigend, genau so wie die neidischen Blicke von so manch meiner 'Kollegen' in der Arena. "Okay, das reicht! Lasst die Kämpfe beginnen. Möge die Kraft und der Wille mit euch sein!" Die Stimme verklingt, ein unerträgliches Zischen ertönt und die Stäbe der Tore versinken im Boden und geben die Wege frei. In der Mitte stößt eine gewaltige schwarze bedrohliche Wolke aus dem sandigen Boden hervor. "Renn!", schreie ich Zoe zu. Sie sieht mich an, nickt, dreht sich um und rennt so schnell sie kann durch ihr goldenes Tor ins Ungewisse. Das riesige Wesen spaltet sich auf in mehrere kleinere Gestalten. Zwei dieser Gestalten, die einen menschlichen Körper angenommen haben, starren mir direkt in die Augen. Die Augen komplett schwarz, keine Anzeichen von Pupillen oder Leben. Mit einer unmenschlich schnellen Bewegung schießen sie auf mich zu. Im Reflexschreien war ich schon immer große klasse gewesen. Umdrehen, rennen! Fuchs, grünes Tor, ein dunkler Gang, gleißendes Licht etwa zwanzig Meter von mir entfernt. So vieles, worüber ich mir später Gedanken machen würde - Alles, was ich in einem Augenblick sehe. Ich renne den finsteren Gang entlang, verfolgt von den eigenartigen Wesen, die mit rasender Geschwindigkeit auf mich zukommen und sehe vor mir das Licht. Hoffnung keimt in mir auf, als ich das Licht erreiche und sich vor mir ein dunkelgrüner Wald erstreckt. Ich renne und renne, klettere so schnell wie nur irgend möglich auf den nächstgelegenen hohen Baum und wage das erste Mal, seitdem ich angefangen bin zu laufen, mich umzusehen -... das, was mich verfolgt genauer zu betrachten.

Sie bleiben vor dem Baum stehen. Machen keinerlei Anstalten an ihm hochzuklettern und mir die Kehle aufzureißen mit ihren rasiermesserscharfen Zähnen.

Die schwarzen Augen, die immer noch eiskalt auf mir haften, ohne jegliche Emotion, gehören zu den Körpern meiner verstorbenen Eltern.

Hunted - Gefangen. Gejagt. Gebrochen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt