Kapitel 4
Der Platz ist unverändert, bis auf die Tatsache, dass die schwarze Wolke verschwunden ist. Ich schleiche wachsam zu Zoe's goldenem Tor. Adler. Zoe wird mit einem Adler verglichen? Warum das? Egal, das ist momentan unwichtig, das kann ich später noch herausfinden. Das Einzige, was mich jetzt noch von Zoe trennt, ist der Rest des dunklen Ganges, durch den ich renne. Sie müsste den Wunschsaugern entkommen sein. Sie war früh genug losgerannt. Aber wer weiß, in was für einer Welt sie sich befindet? Ich renne so schnell ich kann, und doch erscheint es mir nicht schnell genug. Was würde mich bei ihr erwarten? Goldenes Tor, Adler... Nein, mir fällt nichts ein.
Erneut werde ich vom Licht geblendet, das mich am ende des Tunnels erwartet. Ich blinzle die Luchtflecke vor meinen Augen weg und konzentriere mich auf meine Umgebung. Wolken. Alles besteht aus Wolken. Aber... Mein Blick schnellt zu Boden. Ich fliege?! Ich stehe ernsthaft auf Wolken. Wie geht so etwas? "Du bist wirklich gekommen! Ich bin ja so froh!" Iiiek. Reflexschreien. Wie ich es hasse. "Tut mir leid ich wollte dich nicht erschrecken." Ich drehe mich um und sehe in Zoe's schuldbewusstes Gesicht. "Schon gut. Ich denke ich sollte daran arbeiten nicht so schreckhaft zu sein, wenn ich überleben will", seufze ich. "Ja. Sonst bist du innerhalb der nächsten paar Stunden tot", sie kicherte und ich bemühte mich um ein lächeln, obwohl ich die Situation als nicht so witzig sehe. Vielleicht hat sie sich ja mit dem Gedanken angefreundet zu sterben, dass sie es witzig finden kann. "Wolken? Warum ein Adler? Wie können wir auf Wolke stehen?" "Ich weiß nicht so recht. Also, ich kann gut über Mauern springen. Weißt du... vor den Kämpfen hatte ich niemanden. Ich lebte auf der Straße und musste oft schnell weg von einem Ort zum anderen. Hauptsächlich wegen streunernen Hunden, die von der Tollwut besessen waren. Da musste ich über die ein oder andere hohe Mauer springen, um ihnen zu entkommen, weil ich nicht so schnell bin. Vielleicht ja deswegen." "Hoch springen. Hmm... Oder weil du frei warst. Du musstest keinerlei Verpflichtungen eingehen, du warst sozial von der Erde gelöst. - Oder vielleicht ja auch weil du ein kleiner Engel bist", grinse ich sarkastisch. Ihr wunderschönes, befreiendes Lachen klingt wie Musik in meinen Ohren. Das letzte Mal, als ich jemanden so herzlich lachen gehört hab, war noch in meiner alten Welt. Einer Welt mit Hoffnung, ohne diese Arena, ohne die Träume, ohne meinen unmittelbar bevorstehenden Tod. "Aber sind bei dir denn keine Wolken?" "Nein", lächle ich. "Wald. Ich konnte den Wunschsaugern entkommen, indem ich auf einen Baum geklettert bin. Waren hier auch Wunschsauger, oder sind sie dir gar nicht gefolgt?" "Falls du die schwarzen Gestalten meinst. Hier waren keine. Ich bin ihnen entkommen. Dank dir." "Hast du dich hier schon umgesehen?" "Ja" "Ist es hier wirklich so toll, dass deine Augen anfangen müssen zu funkeln? Ich find's hier ja um ehrlich zu sein überhaupt nicht toll." "Überall Wolken. Es ist wie ein Traum, ich muss nicht mehr vor tollwütigen Tieren fliehen." "Dafür vor Menschen." "Aber..." "Nichts aber. Du wirst hier rauskommen, also gewöhn dich nicht an das hier", ich breite die Arme aus und zieh sie in meine Arme. "Du kommst hier raus. Hast du verstanden?" Sie starrte mich ungläubig mit Tränen in den Augen an. "Aber wie?" "Mit Hoffnung. Glück. Taktik. Und mir." "Danke", flüstert sie. "Aber du musst mir helfen, damit wir dich hier rausbringen können. Du musst mir erzählen, was du über diese Kämpfe weißt. Und du musst mir über diesen Teil der Arena alles berichtet, was du entdeckst. Dann haben wir die Möglichkeit, dich an zwei unterschiedlichen Orten zu verstecken. Was ist hier der Vorteil?" "Stimmt... Vorteil?" "Es gibt immer Vor- und Nachteile. Auch wenn ich den Vorteil, an den Kämpfen teilzunehmen, noch nicht gefunden hab." "Ich weiß nicht." "Okay. Darüber machen wir uns später Gedanken. Hier ist es zu gefährlich. Lass uns solange in meinen Abteil gehen, einverstanden?" Sie verzerrt das Gesicht. "Was ist denn?" "Ich fühl mich hier wohl." "Und genau das, ist wahrscheinlich falsch." "Ich weiß", gab sie kleinlaut bei. "Komm lass uns gehen." Zoe nimmt meine Hand und hüpft fröhlich vor mir den Tunnel entlang. "Was ist das?", fragt sie mit ruhiger Stimme, in der doch so viel Panik liegt. "Was ist was?", flüstere ich zurück. Sie zeigt auf die Mitte des Anfangsplatzes, aber dort ist nichts. "Ich verstehe nicht, was du meinst." "Sie genauer hin", haucht sie kaum merklich, als wären die Worte nur für meine Ohren und für keine sonst bestimmt. Ich kneife meine Augen zusammen, um besser sehen zu können und tatsächlich Zoe hat Recht. Sie hat nicht auf die Mitte des Platzes gezeigt, sondern auf die dahinter liegende Mauer, an der eine leichte schlängelnde Wölbung hervorsteht. "Das wäre mir gar nicht aufgefallen." "Ja, es sollte auch niemandem auffallen, aber ich weiß nicht, was es sein könnte" "Ich schon." "Wa-" "Was denn?", schneidet ihr eine fremde tiefe Stimme das Wort ab. Reflexartig drehen wir uns um. Ich schiebe Zoe hinter mich und schaue meinem Gegenüber direkt in die Augen. "Wer bist du?", fragt Zoe. Ich könnte ihr antworten 'ein großer Felsbrocken mit vielen Muskeln, der wohl keinen Spaß versteht'. Aber ich lasse ihn schön für sich selbst antworten. "Ich bin Heath und wer seid ihr?" Zoe drückt mich zur Seite, sodass sie Heath sehen kann. "Ich bin Zoe und das ist Shiva." Ich kann sehen, wie sie ihm die Hand schüttelt, aber verstehen kann ich es nicht. "Hallo ihr zwei. Was macht dein ein kleines Mädchen wie du und ein so hübsches Mädchen wie du ganz allein hier draußen?" Hat er mich so eben hübsch genannt? "Hier draußen? Hab ich mir das hier etwa ausgesucht? Nein. Wusste ich zuvor von solchen Kämpfen? Nein. Würde ich jetzt lieber zu Hause sitzen und mein Horoskop zuende lesen? Ja. Moment! Mein Horoskop... Wie war das noch gleich." Er beugt sich zu Zoe und flüstert lautstark "Was ist denn jetzt mit ihr los?" Doch Zoe zuckt nur mit den Schultern und grinst Heath frech an. "...Gesundheit: Was nicht ist, kann ja noch werden! Irgendetwas plagt dich zurzeit und lässt dich nicht in Ruhe? Ungesund! Also bekämpfe es und schon bald wird es dir wieder blenden gehen.
Karriere: Lass dich nicht verwirren und führe dir vor Augen wer Freund und wer Feind ist. Dann wird man dich schon bald als Sieger feiern.
Liebe: Der Planet Venus steht dir zur freien Verfügung. Du wirst geliebt, auch wenn es dir noch nicht bewusst ist. Doch eure Liebe wird auf eine harte Probe gestellt..." "Wow, und dann behaupten noch welche, dass Horoskope rein gar nichts mit ihrem Leben zu tun haben", Heath Stimme ist angenehm warm, aber trauen werde ich ihm auf keinen Fall. "Zoe,komm. Wir müssen jetzt gehen." "Darf ich mitkommen?", fragte Heath. "Nein, das geht nicht." "Oh, bitte Shiva. Bitte dürfen wir ihn behalten", fleht Zoe mich an. Die Sache gefällt mir nicht, aber wer kann eine Bitte dieses süßen kleinen Mädchens abschlagen. Ich sehe zu Heath und grinse frech. "Na gut. Du darfst ihn behalten unter einer Bedingung." "Welcher?" "Dass er stubenrein ist." "Hei, was denkst du was ich bin?", rief unser neues Haustier empört. "Unser neues Haustier?" Aber anstelle zu antworten, verdreht er lieber nur die Augen. Ich gehe voran und bin schon fast an meinem Tunnel angekommen, als ich plötzlich Zoe hinter mir schreien höre. Ich schwöre, dass wenn Heath ihr auch nur ein Haar gekrümmt hat, er innerhalb der nächsten fünf Minuten von mir getötet wird. Wie auch immer. Hauptsache langsam und qualvoll. Ich drehe mich um und bin schockiert über das, was ich mitansehen muss. Heath mit dem Rücken zu Zoe stehend wehrt einen mindestens so kräftigen anderen Kerl ab. Er stöhnt auf, als hätte er bereits einen harten Schlag wegstecken müssen. Zoe entfernt sich langsam aber sicher von den beiden und schleicht zu mir rüber. "Heath! Was sollen wir tun?" Ich weiß nicht, was man in solchen Situationen tun sollte, also lasse ich mir lieber Anweisungen geben. "Rennt! Rennt weg von hier! Ich werd euch schon wiederfinden und ansonsten ich hab in meinem Abschnitt bereits etwas Wichtiges versteckt, dass euch helfen könnte. Wenn ihr das Rätsel lösen könnt, werdet ihr es find-" Ehe er seine Satz beenden kann, schlägt der andere Kerl ihm ins Gesicht und Heath schreit auf. "Über Berge musst du wanderen, durch tiefe Täler gehen. Gehe 5 Schritte durchs seichte Wasser, und schon wirst du den Schatz sehen. - ... Und jetzt rennt!" Heath steckt einen weiteren Schlag ein und Blut strömt ihm über sein Gesicht. Ich schnappe mir Zoe, drehe mich um und renne was das Zeugs hält drauf los. Weg von dem gefährlichen Kerl, weg von Heath, weg vor meinem Schicksal.
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Hunted - Gefangen. Gejagt. Gebrochen.
Teen FictionEin Traum droht Shiva's Leben zu zerstören. Shiva das 16-jährige Mädchen träumt seit Tagen den gleichen Traum von einer Arena in der sie gefangen ist. Dort begegnet sie vielen Leichen - Unter anderem ihrer eigenen. Erschrocken darüber muss sie tägli...