Kapitel 4

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Als der Angeber Toni - er verhielt sich wirklich wie ein Angeber - gegangen war, hatten Jo und Mat sofort angefangen, Play Station zu spielen. Hm, dann nicht. Iris, Ely und ich hätten fast ein neues Gespräch angefangen, doch dann kam Andreas.
„Na, Anna, wie war die Bekanntmachung?“, lächelte er.
„Gut, Andy. Soweit ich es sehe, sind die Leute hier ganz nett.“
Er lachte. „Ja, du darfst mich Andy nennen. Schön, dass es dir hier gefällt. Ich will dich im Team haben, weißt du das?“
„Das habe ich vermutet.“, meinte ich leicht scherzhaft, da er mir das ja bereits gesagt hatte.
„Gut. Und wie lautet deine Antwort?“
„Ich muss darüber noch etwas nachdenken...“, zögerte ich.
„Okay, du hast Zeit.“ Er blickte kurz auf seine Armbanduhr. “Und ich glaube, du musst jetzt nach Hause.“
Ich nickte. „Das glaube ich auch.“
Ich verabschiedete mich von allen und Andy und ich verließen das Gebäude. Dann fuhren wir beide mit dem Taxi zurück. Andreas erklärte, dass er sich sicher sein wollte, dass ich wirklich zu Hause angekommen bin.
„Andy, Sie sagten, dass ich spüren muss, ob jemandes Seele zu retten ist. Was kann ich noch?“, fragte ich.
„Ich wollte dich nicht unterbrechen, aber, wenn du mich schon Andy nennst, dann duze mich auch.“ Ich nickte. „Du kannst Gefahren spüren.“
„Wie?“
„Das weiß ich doch nicht. Nach vielen Übungen wirst du es selbst herausfinden.“
“Nach vielen Übungen oder einem Zufall.“, murmelte ich.
„Ja, das geht auch.“
Ich hoffte aber, dass es kein Zufall wäre.
Mein Gott, ich fing schon an, in dieser „Organisation“ mitmachen zu wollen. Warum? Ich würde doch mein eigenes Leben riskieren. Also gab ich mir einen Tag Zeit, darüber nachzudenken.
„Wenn ich meine Entscheidung getroffen habe, wie soll ich dich erreichen?“, interessierte ich mich.
„Ich werde dich einfach morgen anrufen.“
„Meine Nummer -“
„Die brauche ich nicht. Schon vergessen? Ich weiß alles.“
Haha. Aber seine Fähigkeiten waren cool.
Das Auto hielt an und ich stieg aus. Ich war endlich zu Hause. Yeppi.

„Wo warst du?!“
Tja, was sollte ich sagen...? Ehehe...
Diese Frage hatte Papa gestellt. Mama hatte ihm offensichtlich nichts gesagt. Hm, toll.
„Ich... ehm... war...“, zögerte ich. “Ich musste etwas erledigen.“
Meine Eltern wussten nichts von meinen Fähigkeiten. Nur Oma und Cris.
„Etwas erledigen?“, schrie er mich an.
„Ja... Das war wichtig. Hatte Mama dir nichts gesagt?“
„Nein.“, brummte er wütend.
„Wo ist Cris?“, wechselte ich das Thema.
„Weiß ich auch nicht! Deine Mutter hatte gesagt, du weißt es.“
„Er müsste zu Hause sein! Aber vielleicht hat er auch etwas zu tun.“
„Ja, alle haben hier etwas Wichtiges zu tun, nur ich nicht!“, regte mein Vater sich auf.
„Du hättest mich anrufen können.“, murmelte ich genervt.
Du musstest es tun.“
Ich ging einfach an ihm vorbei in mein Zimmer. Manchmal sind Eltern unerträglich.
Wenn Andy recht hatte und ich Gefahren spüren konnte, wie sollte ich das trainieren? Ich hatte nie für meine Fähigkeiten trainiert. Sollte ich vielleicht zu Andys Organisation gehen? Nein, da wollte ich nicht hin! Es sollte alles so bleiben, wie es war.
Na, was hast du dir überlegt?, ertönte plötzlich eine bekannte Stimme in meinem Kopf.
Das war Iris! Ach ja, Telepathie.
„Sprichst du mit mir, weil Andy dir das aufgetragen hat?“, fragte ich laut.
Nein.
„Okay. Alles bleibt, wie es ist.“, antwortete beantwortete ich ihre Frage.
Willst du das wirklich?
„Ja.“
Es wird dir bei uns gefallen.
Vor allem die Streite., lachte ich in Gedanken und es fiel mir erst dann ein, dass sie es wahrscheinlich “hören“ konnte. „Trotzdem.“, meinte ich entschieden.
Na gut., ließ sie nach. Aber bis morgen hast du noch Zeit.
„Ich weiß.“
Dann war sie weg. Interessant. Aber mich wunderte eher die Tatsache, dass ich Iris' Fähigkeit ohne Verwunderung aufnahm.

***

Ich kam gerade aus der Schule nach Hause. Ehe ich meine Sachen ablegen konnte, klingelte das Telefon.
„Anna dran.“
„Hey, hier ist Andy.“, meldete sich der Mann.
„Hallo.“, begrüßte ich ihn.
„Iris meinte, du willst nicht zu uns.“
„Hm ja, richtig. Ich brauche das alles nicht, was ihr mir anzubieten habt.“
„Du willst also nicht deine Fähigkeiten trainieren?“, wunderte er sich.
„Nein.“, stimmte ich zu.
„Und du willst auch den Menschen nicht helfen?“
„Doch! Aber das tu ich ohnehin.“
„Nein.“, entgegnete Andy und verbesserte sich gleich. “Oder doch. Aber das klappt nicht besonders.“
„Ich weiß...“, gab ich zu. “Trotzdem.“
„Hey, warte. Ich habe eine Idee. Wie wär's mit einer Probewoche?“
Waaas? Eine Probewoche?!
„Geht nicht. Ich habe Schule.“
“Ach, das geht schon klar.“
Jetzt war ich an der Reihe mit dem Wundern. „Echt?“
„Ja.“ Aus seiner Stimme erkannte ich, dass er gerade lächelte.
„Darf ich aber zu Hause wohnen?“
„Natürlich! Wenn du jedes Mal eine Stunde hin und eine zurück fahren willst...“
„Mehr als eine Stunde.“, verbesserte ich mürrisch. “Aber ja.“
„Na dann, wir sehen uns am Montag um acht. Wie man herkommt, weißt du?“
„Mhm jaaa?“, zögerte ich.
- „Ich schicke dir gleich für alle Fälle die Adresse. Und keine Sorgen wegen der Schule. Tschüss.“ Er legte auf. Wieso hatte ich es mir anders überlegt? Was hat mich dazu gebracht? Iris vielleicht? Hoffe ich nicht. Aber schon zu spät. Ich hatte zugestimmt. Ich fragte mich, ob es bei Andreas besser als in der Schule ist.
Interessant, wie Andy das mit der Schule geschafft hatte. Denn schon am nächsten Tag sprach mich die Klassenlehrerin an und meine, ich sei für die nächste Woche entschuldigt. Cool. Hatte das Andy selber geschafft? Wenn ja, dann wie? Mit seinen Fähigkeiten? Welche hatte er, außer den genannten, noch?

***

Es waren sechs Tage vergangen und Montag hatte angefangen. Ich musste um halb sechs aufstehen, um nicht zu spät zu kommen. Deshalb war ich müde. Sehr müde. Vielleicht sollte ich diese Woche doch bei Andy übernachten. Mal gucken. In der Bahn wurde meine Station angekündigt. Endlich! Ich war fast eingeschlafen.
Die Bahn blieb stehen und ich stieg aus. Hurra, noch 15 Minuten zu Fuß und ich bin da!
Ich stand vor dem nötigen Gebäude. Klingelte. Die Tür wurde geöffnet und ich trat rein. Wo musste ich hin - Erdgeschoss? Ich ging einfach gerade aus. Glück hatte ich. Alle waren im ersten Raum, den ich sah. Alle, außer Andy.
„Ich wusste, dass du kommen wirst.“, begrüßte mich Ely freudig.
„Ich dachte, du willst nicht.“, wiederholte Iris meine Worte.
„Andy hat mich zu einer Probewoche überredet.“, erklärte ich.
„Probewoche?“, fragten alle wie aus einem Mund.
Offensichtlich war ich die Erste, der ein solches Angebot gemacht wurde.
Ich zuckte die Schultern.
„Will Andy denn so sehr keine Leute verlieren?“, wunderte sich Toni.
„Wir sind ihm wert.“, antwortete Iris wie selbstverständlich.
„Ja, das seid ihr.“, stimmte jemand hinter mir zu und wir verstummten.
Andy war gekommen. Wie lange hörte er uns wohl zu?
Ich drehte mich zu ihm um.
„Hallo, Anna. Wie sie selbst schon gesagt hat, Leute, ist Anna bei uns für eine Woche, erstmal. Wenn es dir hier gefallen sollte, herzlich willkommen. Und jetzt alle hinsetzen.“
Es gab zwei Reihen, je drei Tische. Da sich alle einzeln hinsetzten, tat ich das auch. Komischerweise entstand eine Mädchen- und eine Jungsreihe.
„Da ihr schon über Fähigkeiten gesprochen hattet“, fuhr Andy an seinem Tisch vor dem SmartBoard fort. “fangen wir heute damit an, dass ihr sie zeigt. Dich, Anna, meine ich aber nicht. So wie dich, Ely. Weil es bei euch ja nicht geht. Also, wer will anfangen?“ Er sah Toni direkt an.
Dieser seufzte und stand widerwillig auf. „Meinetwegen.“, seufzte er.
„Keine Explosionen.“, warnte Andy vor.
„Warum nicht?!“, regte sich Toni auf.
Andys Blick sah ziemlich unzufrieden aus. „Weil wir das noch nicht unter Kontrolle haben.“
Toni verdrehte die Augen. „Na gut.“
Er blieb vorne in der Mitte stehen und nahm eine Stellung an, als ob er eine Waage wäre. Dann schloss er für kurzen Moment die Augen. Die Sachen auf den Tischen hoben sich in die Luft. Ich war begeistert! So etwas hatte ich nur in Filmen gesehen. Und irgendwie konnte ich die Energie spüren, die der Braunhaarige gerade freisetzte.
Toni drehte die Handflächen nach unten und die Sachen schwebten zurück auf ihre Plätze. 
„Du weißt, du musst die Schnelligkeit üben?“, meinte Andy.
„Daran arbeite ich ja.“, erwiderte Toni.
Ich fand, das war gut, doch Andy wusste es wahrscheinlich besser.
„Gut.“, nickte Andy. “Nächster.“
„Nächste.“, verbesserte Iris und stand auf.
Sie sah jedem mehrere Sekunden in die Augen, zuerst ernst, dann lächelnd. Und ich hörte ihre Stimme in meinem Kopf. Idiot. Und offensichtlich hatte das jeder gehört.
„Spaß.“, winkte sie ab.
Andy lachte. „Gut, Iris, gut.“
Ich frage mich, wen sie gemeint hatte.
Sie setzte sich wieder hin und Mat stand auf. Er überlegte kurz. Plötzlich kam laute Musik aus meiner Tasche. Ja, das war mein Handy. Aber so laut konnte es nicht klingeln, das wusste ich genau. Vor Überraschung zuckte ich zusammen und versuchte dann, mein Handy herauszukramen. Doch noch bevor ich es hatte, verstummte es.
„Du musst es nicht suchen. Ohne meinen Willen hätte es weiter geklingelt.“, grinste Mat.
Okay... Kann er jedes elektronische Ding kontrollieren? Vielleicht noch nicht.
Andy klopfte ihm auf die Schulter. Dann kam Jo nach vorne. Er blickte sich im Raum um, trat ein paar Schritte zurück. Dann rannte der Blonde los. Nach wenigen Schritten verschwand er in einer Art Wolke. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Es sah einfach wie eine Gewitterwolke aus. Und als Jo sie berührte, ertönte ein leises Donner und er verschwand, so wie die Wolke selbst. Ob er sich auch ohne die Wolke teleportieren kann? In einer Sekunde hörte ich das gleiche Geräusch hinter meinem Rücken, weshalb ich mich umdrehte.
„Hi.“, sagte Jo. Er lächelte mich an.
„Hi...“, meinte ich etwas benommen.
Jo lachte kurz leise und ging zu seinem Platz. Wenn er dachte, er hatte mich erschreckt, dann war das falsch.

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