Kapitel 7

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Jo brachte Cris und mich nach Hause.
„Was war das?! Und sagt mal, seid ihr beide wahnsinnig oder was?!“, schrie mein Bruder uns an.
Er wollte bestimmt gern andere Wörter benutzen, schaffte es aber ohne sie. Also meinetwegen durfte ruhig ausflippen.
Jo fand es jedoch nicht so. „Hey, ruhig. Ich kann's erklären.“
„Dann mach das.“, knurrte Cris.
„Wir sind nicht wahnsinnig und auch nicht lebensmüde. Wir mussten einfach die Menschen retten.“
„Ach, ihr musstet das tun? IHR?!“
„Ja.“, erwiderte Jo ruhig. “Es hätte keiner -“
Mit Cris zu streiten, ist eigentlich völlig sinnlos. Er behält immer seine eigene Meinung. Ich hätte Jo vorwarnen sollen. Ich seufzte.
„Die Polizei hätte das allein geschafft. Ihr seid doch noch Kinder!“, unterbrach mein Bruder ihn.
Diesmal verdrehte ich die Augen.
„Aber wir können helfen. Dafür haben wir die Fähigkeiten.“, mischte ich mich nun ein.
Cris atmete tief ein. „Also... Anna, unseren Eltern sage ich diesmal nichts. Aber wenn ich so etwas nochmal sehe...“
Dann bin ich tot. Aber ich werde dafür sorgen, dass er das nicht nochmal sieht., dachte ich.
Cris ging verärgert nach Hause - ich frage mich, welche Erklärung er dafür hatte, nichts gekauft zu haben - und ich kehrte mit Jo zurück zu Andy. Doch er brachte uns nicht gleich dorthin.
„Ich will mit dir noch ein bissen spazieren. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.“, erklärte er und ich schüttelte den Kopf. „Entschuldige mich für mein Verhalten in den letzten zwei Wochen. Ich hab es schwer mit den Menschen.“
Süß, er bittet um Entschuldigung. Ich nickte verständnisvoll. Hm ja, er hatte kaum ein Wort mit mir gesprochen und wenn doch, dann war es nur ein kurzes Brummen.
„Wie lange bist du schon bei Andy?“, fragte ich.
„Drei Jahre.“, antwortete er.
„Und woher kommst du?“
„Aus Griechenland. Aus einem Kinderheim. Ich wurde oft adoptiert, bin jedoch immer weggelaufen. Es gab zwar eine Frau, die mich sehr lieb hatte, doch sie verstand mich nicht und ich selbst war jung und dumm. Ich war auch von ihr weggelaufen. Aber bei Andy habe ich meine Familie gefunden. Leute, die mich verstehen und so nehmen, wie ich bin.“
Hatten etwa alle Probleme in ihrer Kindheit? Ich fand es interessant, weshalb die Kinder zu Andy kamen. Und traurig. Sie erinnerten mich an Helene. Jo hatte bestimmt auch oft leiden müssen. Das hat er aber nicht gesagt. Doch ich konnte das fühlen. Ich war mir sicher, Jo würde nie einem erzählen, wie er gelitten hatte. Das würde keiner von den Jungs machen. Jo wollte das alles in Vergessenheit bringen. Mit Gefühlen kannte ich mich aus.
„Ich habe gehört, deine Fähigkeiten zeigten sich, als du zehn warst.“, sagte er.
„Elf.“, verbesserte ich ihn.
„Nicht wichtig. War es für dich schlimm, als du erfahren hattest, was du kannst?“
Er redete wohl viel zu wenig mit anderen Menschen.
„Sehr schlimm. Der erste Tod war der meines Opas. Warum fragst du?“
„Die anderen scheinen ihre Fähigkeiten zu genießen. Jetzt zumindest.“
Ja... vor allem Ely., dachte ich voller Ironie.
„Du etwa nicht auch?“, entgegnete ich etwas spitz.
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist schrecklich, jede zehn Minuten am anderen Ort zu sein.“ Oh mein Gott... Wirklich furchtbar! “Ich habe meine Fähigkeiten mit 13 gekriegt.“
„Ich habe sie länger als du?“, wunderte ich mich.
„Man kann's sich kaum vorstellen, was?“, lachte er leicht. “Das ist alles dank Andy.“
„Du meinst, ich soll euch nicht verlassen?“
„Ja. Dann wirst du keine Probleme haben.“
Er war immer noch etwas traurig. Aber ich sah bestimmt auch nicht besonders fröhlich aus.
Ich hob den Kopf und sah nach vorn. „Wir sind ja schon da.“, brachte ich verwundert hervor.
„Richtig.“
Ehe wir reingehen konnten, kam Andy raus. Er lächelte uns an und klatschte. „Ihr beide habt's gut gemacht. Ich wusste, dass ihr das schaffen werdet.“
Jo verdrehte die Augen. Ich schmunzelte.
„Und wenn wir es nicht geschafft hätten?“, fragte ich aber verärgert.
Andy zwinkerte. „Dann wären wir gekommen.“
„Und wenn wir schon tot wären?“
„Würdet ihr nicht sein.“
Unser Gespräch erfreute Jo und er schmunzelte jetzt an meiner Stelle.
„Ach Anna, reg dich ab. Andy ist halt so.“, meinte er und legte mir eine Hand auf die Schulter.
Ich musste mich wirklich an Andy gewöhnen. Sonst würde das nicht werden.
„Andy, übrigens, ich bleibe.“, lächelte ich.
„Hatte ich mir schon gedacht.“, lächelte er zurück.

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