Aufgeflogen

811 23 1
                                    

Ich wachte auf und blinzelte der Sonne entgegen. Ich hatte ziemlich schlecht geschlafen, da es nicht sehr gemütlich war, auf einem Boden zu schlafen. Als ich mich aufrichtete, spürte ich die Schmerzen in meinem Rücken und Nacken. Ich versuchte mich etwas zu dehnen, doch das Einzige, was mir das brachte, waren noch mehr Schmerzen.

Ich sah auf die Uhr. Oh shit! Der Unterricht begann gleich und ich musste noch meine ganzen Sachen zusammen suchen. Das konnte etwas dauern, da ich nicht wirklich ordentlich war und deshalb meine ganzen Sachen verstreut rum lagen. Schnell suchte ich alles zusammen und sprintete los. Es klingelte gerade als ich bei der Schule ankam. Ich kam gerade noch rechtzeitig, denn als ich bei meiner Klasse ankam, schlüpfte ich schnell an meine Klassenlehrerin, Frau Krach, vorbei und setzte mich auf meinen Platz. Puh, das war aber knapp!

,,Guten Morgen, liebe Schüler und Schülerinnen.", begrüßte uns unsere Lehrerin. ,,Guten Morgen, Frau Krach!", antwortete die ganze Klasse im Chor. Unsere Lehrerin wollte grade den Unterricht anfangen, da klopfte es an der Tür. Die rothaarige Lehrerin rief genervt: ,,Herein!" Ein blonder Junge machte die Tür auf und trat hinein. Ich glaube, er hieß Leon und hatte noch einen älteren Bruder namens Marlon.

Beide spielten in meiner Lieblings Fußballmannschaft: ,,Die wilden Kerle." Sie drehten auch bei den Filmen mit und Leon hatte die Rolle als Markus, den Torwart. Sein Bruder Marlon verkörperte den Maxi, der Mann mit dem härtesten Schuss der Welt. Die meisten von den wilden Kerlen wohnten in der Nähe. Kevin, der den Joschka spielte, und Raban der Raban spielte, gingen in Leons Klasse. Sie waren in der 7. Klasse, also 3 Jahre älter als ich. Jimi und Wilson, die Leon und Marlon ins Leben brachten, wohnten zwar hier in der Nähe, gingen aber auf eine andere Schule. Aber was wollte Leon nun hier?

Und als könnte er Gedanken lesen, sagte er: ,,Entschuldigung die Störung, aber ich wurde von meinem Klassenlehrer Herr Schröder geschickt um zu fragen, ob wir uns den CD-Player ausleihen könnten." Frau Krach fragte höflich: ,,Und wofür braucht ihr ihn?" ,,Wir schreiben eine Klassenarbeit in Englisch, doch unser Player ist kaputt.", antwortete der Blonde ruhig. Unsere Lehrerin nickte bloß und sah dann zu mir. ,,Ronja, hol du bitte eben den Rekorder aus dem Schrank." Ich nickte bloß und stand auf. Ich nahm den Player aus dem Schrank, schloss ihn wieder und übergab ihn dem Jungen. Der bedankte sich mit einem Lächeln. Ich erwiderte das Lächeln und lächelte wieder zurück. Ich musste zugeben, das Leon schon irgendwie ein süßes Lächeln hatte, aber mein Typ war er nicht. Ich setzte mich wieder hin und der Schüler ging wieder aus dem Raum. Nun fing unsere Lehrerin den Unterricht endlich an. Sie sagte, dass wir unseren Aufsatz wieder zurück bekamen. Darauf freute ich mich, denn ich war sehr gut im Aufsätze schreiben. Sie verteilte unsere Arbeiten, doch als sie bei mir ankam, schüttelte sie bloß mit dem Kopf. ,,War wohl nicht dein Tag was? Komm bitte nach dem Unterricht zu mir." Ich nickte bloß. Schnell sah ich mir die Note an. Ich war geschockt als ich sie sah: Eine 5! Warum hatte ich eine 5? Schnell las ich das, was unter der Note stand: ,,Thema verfehlt!" Wieso war bloß zum Kukuk das Thema verfehlt? Es ging doch um einen Ladendiebstahl und darüber habe ich doch geschrieben. Was das ist, wie das passiert u.s.w. Ich verstand das einfach nicht. Da ich eh später, bzw. gleich einen Termin bei ihr hatte, werde ich sie fragen, was das sollte. Eine 5 zu schreiben, ist gegen meine Ehre und das auch noch in Deutsch, wo ich sonst so gut war!

Da klingelte es auch schon. Ich packte schnell meine Sachen zusammen und ging dann zu meiner Lehrerin. Sie wartete wohl bis alle Schüler und Schülerinnen draußen waren, denn davor redete sie nicht. Erst als alle weg waren, fing sie an mit mir zu reden: ,,Ronja, was ist eigentlich in letzter Zeit los mit dir?" ,,Was soll schon los sein?", entgegnete ich etwas mürrisch. ,,Du bist zurzeit abgelenkt. Im Unterricht passt du auch nicht mehr wirklich auf." Ich zuckte bloß mit den Schultern, da ich grade kein Bock zum reden hatte.

Leon hörte das Gespräch, als er gerade im Flur war. Die Tür war nur angelehnt und deshalb sah er durch den Spalt und hörte mit. Davon ahnte ich nichts.

Meine Klassenlehrerin versuchte die ganze Zeit mit mir zu reden, aber ich machte nur ein paar Zeichen mit meinen Körperteilen und weiter nichts. Zum Schluss gab sie auf: ,,Da es keinen Zweck hat, mit dir zu reden, werde ich deine Eltern anrufen." Dabei erschrak ich. Was? Meine Eltern? Ich hatte doch keine! Was sollte ich jetzt tun? Gar keiner hier wusste, das ich ein Waisenkind war und keine Eltern mehr hatte. Zu den Elternabende und Elterngesprächen ist nie Jemand gekommen und war ich mal krank, dann hatte mir die Waisenheimleiterin eine Entschuldigung geschrieben. ,,Bitte gib mir eben die Nummer.", riss mich Frau Krach aus meinen Gedanken. Die Nummer? Wie sollte ich ihr bloß eine Nummer geben, wenn es noch nicht einmal eine gab? Und meine Handynummer gab ich ihr ganz bestimmt nicht! Deshalb dachte ich mir eine aus: ,, 0421/73218 90 34." Frau Krach notierte sie sich in ihr Heft und nickte nur. ,,Ok, du kannst jetzt gehen. Ich werde sie jetzt in der Mittagspause anrufen." Auweia! Das hatte ich total vergessen! Ich hatte doch gleich eine AG. Wenn die Rothaarige herausfand, dass die Nummer nicht gültig war, würde sie mich doch sofort in der Klasse besuchen und das herausposaunen. Was sollte ich jetzt machen? Mit hängendem Kopf ging ich auf den Flur. Dort traf ich auf Leon. Dieser sagte zu mir: ,,Hallo Ronja! Wir sehen uns doch bestimmt gleich in der AG oder?" Ich nickte bloß. Mir war nun überhaupt nicht mehr zu reden zu mute. Ich seufzte. In der Pause aß ich auch nichts, da ich keinen Hunger hatte. Auch im Nachmittagsunterricht sagte oder meldete ich mich nicht.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Wie befürchtet kam meine Klassenlehrerin herein und sagte: ,,Entschuldigt die Störung. Ich muss nur eben mit Ronja reden." Ohne Rücksicht plapperte sie einfach los, als sie vor mir stand: ,,Die Nummer die du mir gegeben hast, gibt es nicht! Warum gibst du mir eine falsche Nummer?" Besorgt sah sie mich an. Doch als ich nichts sagte, wurde sie schon wütend: ,,Ronja, du gibst mir jetzt sofort deine Nummer, haben wir uns verstanden?!" Mir stiegen Tränen in den Augen. Auch wenn meine Lehrerin mir das nicht glaubte, nur zu gerne hätte ich ihr eine Nummer gegeben, wo sie meine Eltern anrufen konnte. Doch leider gab es diese nicht. Nein, der Himmel hatte keine Nummer. Das alles machte mich so traurig, das ich ohne ein Wort aufstand und aus dem Klassenzimmer rannte. Weinend versteckte ich mich im Keller der Schule. Dort ließ ich mich auf den Boden gleiten und weinte vor mich hin. Ich weinte, weil ich wusste, dass bald die Wahrheit rauskommen würde, weil ich wusste, das ich alleine war und keine Eltern hatte. Wegen dem und noch viel mehr. Ich war total am Boden zerstört. Was sollte ich jetzt bloß machen? Am liebsten hätte ich mich bei jemanden Vertrauten ausgeweint, aber ich hatte keine richtigen Freunde. Nein, Leon war der, der mir bis jetzt am Nahsten stand. Ich redete zwar mit ihm, aber nicht sonderlich viel. Mal mehr, mal weniger. Ich kannte ihn ja nur von der AG.

Da hörte ich Schritte. Als ich aufsah, entdeckte ich einen Jungen vor mir; es war Leon! Komisch...Wenn man vom Teufel spricht. Äh, denkt. Er sah mich sehr besorgt an. Mit einer ruhigen Stimme fragte er mich: ,,Hey, was ist los?" Er setzte sich neben mich hin und sah mir in mein verweintes Gesicht. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich beruhigt hatte um zu reden. Doch Leon verstand das und ließ mir so viel Zeit, wie ich brauchte. Dann antwortete ich gedrückt: ,,Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Ich kann ihr keine Nummer geben." Beruhigend nahm er mich in den Arm und fragte wieder ruhig: ,,Und warum nicht?" Ich schluckte, da mir nun erst richtig klar wurde, dass ich ihm wohl oder übel die Wahrheit sagen musste. ,,Weil es keine Nummer gibt.", antwortete ich schließlich. Der Blonde sah mir in meinen blauen Augen . Da ich sah, dass er meine Aussage nicht verstand, erklärte ich: ,,Ich habe keine Eltern mehr. Ich bin ein Waisenkind!" Als dies raus war, erzählte ich ihm alles, was ich nun erlebt hatte. Das meine Eltern tot waren, ich ein Waisenkind war und dass ich letztens das Waisenhaus verlassen hatte. Natürlich auch, wie der Umgang in diesem Heim war und dass ich deshalb die Polizei gerufen hatte und, und, und. Als ich mit meinen Bericht fertig war, fühlte ich mich besser. Es war einfach ein tolles Gefühl, nicht lügen zu müssen und dass ich mich nun bei jemanden anvertrauen konnte. Ich fühlte mich irgendwie wohl bei dem Jungen. Ich wusste nicht wieso, aber es war einfach so. Er gab mir das Gefühl, nicht ganz allein zu sein. Deshalb hatte ich ihm nun auch alles erzählt und es war mir nicht mal unangenehm gewesen.

Leon strich mir beruhigend über mein blondes, langes Haar und flüsterte beruhigend: ,,Alles wird gut!"

Ronja, der WirbelwindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt