Kapitel 27

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Nachdem Kim wieder aufgewacht und bei Verstand gewesen war, erklärte ich ihm mit einer kleinen Notlüge, was vorgefallen war. Das ganze war nicht sehr einfach, immerhin musste ich einen Grund für sein Nickerchen und die umgefallenen Regale finden. Letzen Endes einigten mein Gewissen und ich uns darauf, ihm zu verklickern, dass ich kurz auf der Toilette, der Wind ziemlich stark gewesen und er in dieser Zeit eingeschlafen war. Zumindest für kurze Zeit würde er mir das abnehmen. Wie ich danach verfahren würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Kims Mum kam irgendwann ins Zimmer gerannt, schaute zuerst ziemlich blöd, bei dem Anblick, der sich ihr bot. Aber sie fing sich schnell wieder und berichtete monoton: "Niall war eben hier. Er sagte, er käme später noch einmal. Außerdem habe deine Hose einen Fleck, Ruby." Dreckskerl. In einem Moment warf er mich gegen die Wand und im anderen Moment riss er Scherze? Der Fleck auf der Hose war meine Idee gewesen!

"Niall war hier?" Kim hielt sich den Kopf und schien derweil sein Gehirn zu sortieren. "Ja, ihr habt kurz besprochen, wer...", begann ich. Doch ich ließ den Satz in der Luft hängen. Vielleicht nahm er mir ab, dass er eingenickt war, aber mehr auch nicht. Was wollte ich ihm nun vorlügen? Ein Glück sprang seine Mutter für mich ein. "Er meinte, ihr habt besprochen, welche Kuchen ihr Samstag mit zum Fest nehmt." Sie gingen auf ein Fest? Und sie brachten Kuchen mit? Ich konnte mir Niall nur schwer in einer Küche vorstellen. "Was denn für ein Fest?", hakte ich nach. Kim nickte, als ob er sich daran erinnerte. "Richtig. Jetzt fällt es mir wieder ein." An mich gewandt, sagte er: "Das alljährige Fest unseres Footballvereins und gleichzeitig die Eröffnung der Saison. Besser gesagt, des Footballvereins meiner Brüder. Niall und ich spielen jedes Jahr die Anstandswauwaus." Wow. Diese Vorstellung war noch surrealer als die von Niall mit Kochschürze. "Cool", meinte ich.

"Ruby könnte doch mit euch kommen", schlug Kimberleys Mum vor. Ich schmunzelte. Er stöhnte. "Mom!" "Schon gut, schon gut", sprang ich ein. "Nein, das ist es nicht. Du hast bestimmt besseres zu tun, als auf kleine Jungs aufzupassen, die darauf warten, endlich Football spielen zu können. Genau das tun sie nämlich, während die Erwachsenen Kuchen essen und sich unterhalten. Erst fünf Stunden nach Beginn des Festes fängt ihr Spiel an", bemerkte er trotzig. Ich schüttelte den Kopf. Um ehrlich zu sein, hatte ich rein gar nichts vor. "Ich hätte Zeit." Und Lust. Besonders, da ich Niall ausquetschen wollte. Er musste mir eine Menge erklären. Ich ging nicht davon aus, dass ich in der Schule viel aus ihm rausbekommen würde. Genauso wenig konnte ich ihn einfach zuhause besuchen. Wegen Stalking hatte die Polizei mich nämlich noch nicht auf dem Kicker. Nein, wenn Niall auf dieses Fest ging, dann würde ich auch gehen. Es war der perfekte Plan. Naja, auf jeden Fall, die perfekte Strategie. Ich bezweifelte stark, dass er dort mit der Wahrheit rausrücken würde. Aber die Wahrscheinlichkeit war größer. "Ruby, du musst nicht helfen, nur weil meine Mom das vorgeschlagen hat. Manchmal gehen ihre Ideen zu weit" Ich spürte förmlich wie das Lächeln seiner Mutter in sich zusammen fiel. Er behandelte sie wie Abschaum. "Ach Kim, ich habe sowieso keine Pläne und neue Bekanntschaften zu schließen, wird mir nicht schaden." Eigentlich grauste mir davor. Aber was man nicht alles tat, um zu bekommen, was man wollte. Schließlich gab er nach. "Einverstanden, du musst ja nicht durchgehend bleiben." Gebongt.

Am nächsten Tag ging Niall mir aus dem Weg. Die Kurse, die wir gemeinsam hatten, schwänzte er, in der Mittagspause saßen er und seine Bande noch weiter entfernt von Corines und meinem Tisch wie sowieso schon und ich - ich trug ihm das nicht mal nach. Nach dem gestrigen Abend hatte ich kein sonderliches Verlangen, seine Visage zu Gesicht zu bekommen. Er war ätzend. Auf verschiedene Art und Weise. Außerdem störte es mich, dass er der einzige war, dessen Seele sich vor mir verschloss. Ich hätte nie gedacht, dass ich es vermissen würde, die Dunkelheit nicht mehr besuchen zu können. Allmählich sehnte ich mich nach den Nebelschwaden, die mich in die Tiefe geschubst hatten. Verrückt, dem war ich mir bewusst. Den Nachmittag verbrachte ich damit, gleichzeitig Grant zu ignorieren und Wodka auszuweichen, der sich ausnahmsweise bei uns aufhielt. GGG schien zu merken, dass ich ihm aus dem Weg ging, denn als ich noch immer nicht auf seine Frage, was ich zu Abend essen wollte, einging, seufzte er laut. "Ruby?"

Ich hatte vor, nichts zu sagen. Genauso wie bisher. Aber dann tat ich es doch. "Du lügst. Ihr alle lügt." Er legte das Buch, in dem er bis dahin geschmöckert hatte, auf den Tisch. Ich hatte von vorne herein das Gefühl gehabt, dass er gar nicht richtig gelesen hatte. "Was meinst du?" Was ich meinte? Tief durchatmend tat ich den Stift, den ich vorher benutzen wollte um einen Aufsatz zu beenden, in mein Mäppchen. Ich überlegte, ihm nicht weiter zu erklären, was ich meinte. Er sollte von selbst darauf kommen, wenn er es nicht schon wusste und nur schwieg, weil er irgendeinen dämlichen Grund dafür hatte. Rosa Schleim gab es immerhin nicht jeden Tag. Aber ich entschied mich dagegen. Ich musste es wissen. Sonst würde ich keine Nacht in meinem Leben mehr durchschlafen. "Tja, was meine ich wohl?", spottete ich. Am liebsten hätte ich einfach die Initiative ergriffen und wäre in seinen Seelenraum abgetaucht. Moment. Wieso ergriff ich diese Initiative denn nicht? Gerade war ich im Begriff, meine Idee in die Tat umzusetzen, da ließ er sich seufzend zurück fallen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und legte sein Kinn darauf. Seine Augen schloss er. Das war wohl nichts.

"Ich gehe eine Runde um den Block", verkündete ich, weil ich keine Antwort mehr erwartete. Tatsächlich bekam ich auch keine. "Nimmst du Wodka mit?", wollte er stattdessen wissen. Wie äußerst dreist von ihm, das anzunehmen. "Nein." Ich war enttäuscht. Und wütend. Und frustriert. Wieso leugneten sie alle? Langsam aber sicher glaubte ich doch daran, dass man mich in ein Irrenhaus einweisen sollte. Wenigstens für eine Weile. Sobald ich wieder draußen wäre, könnte ich... Ach was, das würde genauso weiter gehen. Ich stieß ein aggressives Seufzen aus, als ich mir den kleinen Fußzeh an einer Kommode rammte. Glücklicher Weise war der Tag fast vorbei. "Ruby." Seine Stimme klang nichtssagend, so...unbefriedigend. "Grant", gab ich zurück. "Vergiss deine Schlüssel nicht." Stimmt. Er hatte sie mir extra anfertigen lassen. Sie lagen auf der Mörder-Kommode und schimmelten vor sich hin. Ich schnappte sie und trabte aus der Wohnung. Die Schuhe band ich mir im Gehen zu und eine Jacke brauchte ich noch nicht, da der Sommer den Herbst erst noch einladen musste. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich ging, bis ich dort ankam.

Kay, ich hab nicht viel zu sagen. Hinterlasst mir doch einen Kommentar, damit ich weiß, was euch so bewegt, nachdem ihr das Kapitel gelesen habt. Byediedye xxx     


In Seinen Augen #Wattys2017 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt