"Mir wird kalt, lass uns gehen.", sagt sie und streckt ihre Hand nach ihm aus, um ihm hoch zu helfen.
Sie gehen den ganzen Weg zurück durch die Straßen.
Plötzlich bleibt Jonathan stehen.
"Was ist mit deinem Vater? Es ist schon wieder ziemlich spät. Ich möchte nicht, dass er dir wieder etwas antut.", sagt er mit sorgenvoller Stimme.
"Das regel ich schon.", sagt sie, doch es hört sich nicht an als ob sie selber daran glauben würde."Bist du dir sicher?", fragt er mit einer hochgezogenen Braue.
"Nein, nicht wirklich. Wahrscheinlich ist er schon wieder total voll, wenn ich nach Hause komme.""Willst du vielleicht mit zu mir kommen? Wenn er wirklich so voll sein sollte vergisst er vielleicht, dass du nicht nach Hause gekommen bist.", seine Stimme klingt etwas schwach als er die Worte sagt. Er weiß selbst nicht, ob das so ein guter Vorschlag ist.
"Gerne. Ob ich die Prügel heute oder morgen bekomme ist sowieso egal.", sagt sie und der Junge ist überfordert von dieser Antwort. Er hatte eindeutig mit einem Nein gerechnet. Vielleicht noch mit einer blöden Bemerkung, dass man Fremde nicht einfach nach Hause einlädt.
Doch er hat das Gefühl, dass sie sich nicht mehr fremd sind. Er kennt ihren Namen nicht und ihre Geschichte. Doch was macht das schon, wenn man einen Menschen auch ohne diese Informationen sympathisch findet?
Schweigend gehen sie weiter. Bis zu seinem Viertel brauchen sie 20 Minuten zu Fuß. Sie bestaunt die schönen Häuser, die immer noch mit Lichterketten behängten Bäume und die teuren Autos in den Garagen. "Nobel.", sagt sie stumpf. Er weiß nicht, ob sich Neid oder Abneigung in ihrer Stimme wiederspiegelt.
Beide atmen erleichtert auf, als sie endlich im Hausflur stehen und ihnen wieder warm wird. Sie legen ihre Sachen ab und sie folgt ihm in die Küche.
"Möchtest du etwas essen?", fragt er sie und bekommt ein Nicken als Antwort.Schnell sucht er restliches Gemüse zusammen, brät es an und kocht Nudeln dazu. Als er fertig ist bringt er die Teller ins Wohnzimmer, in dem das Mädchen vor einem Familienbild an der Wand steht.
"Ihr seht so glücklich aus.", sagt sie. "Deine Schwester ist so schön."
Ein Lächeln fliegt über seine Lippen. "Ja, man kann echt sagen, dass wir alle ein gutes Verhältnis haben. Natürlich gibt es auch Streitereien, wir sind keine Vorzeigefamilie, aber ich will mich nicht beschweren."Sie setzt sich auf das Sofa und macht sich über die Nudeln her. "Das schmeckt ja traumhaft.", schmatzt sie. "Danke.", sagt er knapp und beginnt ebenfalls zu essen.
Als sie fertig sind öffnet sie die Gartentür, setzt sich auf einen Stuhl und zündet sich eine Zigarette an. Er kommt ebenfalls raus und bringt zwei Decken mit.
Er reicht ihr eine. "Du rauchst?", fragt er.
Sie nickt nur.
"Seit wann?", hakt er weiter nach.
"Ungefähr drei Jahre. Die letzten Tage kam ich nicht dazu mir neue zu kaufen, meinen Vorrat hab ich aufgebraucht bevor wir uns kennen lernten und ich musste erst meinem Vater welche klauen." Sie schaut in Richtung des Aschenbechers auf dem Tisch. "Und wer raucht hier?""Meine Mutter.", antwortet er. "Sie fing auch ungefähr in deinem Alter an. Mittlerweile bringt sie sich dadurch seit über 20 Jahren täglich mehr und mehr um."
"Hat sich denn schon etwas bemerkbar gemacht?", fragt sie weiter.
"Du meinst bis auf die Falten und ihr Keuchen, wenn sie gerade mal zwei Treppen hochgeht? Nein, Gott sei Dank nicht."Er wickelt die Decke um seinen Körper und lehnt sich in den Stuhl.
"Warum hast du angefangen?", fragt er ohne den Blick zu ihr zu wenden.
"Ich habe damals in der Klinik angefangen. Da hat mich mein Vater hingeschickt wegen Depressionen. Jedenfalls haben da immer alle in den Pausen geraucht. Irgendwann hab ich dann mitgemacht.""Und wieso hörst du nicht wieder auf? Ich meine, du sagtest doch deine Mutter wäre an den Folgen des Rauchens gestorben."
"Weil ich selbst sterben will, Jonathan. Dann sind mir die Folgen ziemlich egal.", sagt sie und als würde sie ihn provozieren wollen zieht sie lange an ihrer Zigarette.
"Ich verstehe dich nicht. Abgesehen davon, dass du mir nichts über dich erzählst, verstehe ich deine Einstellung zum Leben einfach nicht. Was ist dir denn so schlimmes passiert, dass du nicht mehr leben möchtest? Egal was es ist, das ist es nicht wert!", sagt er verbittert. Doch sie schaut unbeirrt in die Ferne und raucht weiter.
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Komischer Schluss des Kapitels, sorry.... Na, was denkt ihr wird noch passieren?
Wie gefällt euch die Geschichte und vor allem wie gefallen euch die Charaktere bisher?
Ich danke euch für über 300 Reads und 70 Votes, das kam total unverhofft! :D
Danke an alle, die regelmäßig lesen und die, die auch kommentieren. Das freut mich immer sehr. So und nu haut rein Leute, viel Spaß mit diesem und den folgenden Kapiteln c:
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Wie weit darfst du gehen?
Short StoryFragen und Antworten über Leben und Tod gibt es massenhaft. Doch was passiert, wenn sich zwei Menschen, die zwei komplett unterschiedliche Meinungen darüber haben, sich genau darüber unterhalten? Eine Kurzgeschichte über Trauer und Freude, Liebe und...