„Was soll das heißen, der Planet stirbt?", fragte ich.
„Ich erkläre es dir, sobald wir deine Schwester gefunden haben.", antwortete er mir.
Wir gingen den Pfad entlang. Meine Turnschuhe versanken zur Hälfte im matschigen Boden, was mir jedoch wenig ausmachte. Der Gedanke an Lana und wo sie sich gerade befand, ließ einfach alles unwichtig erscheinen. Ich war davon überzeugt, dass sie noch am Leben war, denn wenn es nicht so wäre, hätte ich es gespürt. Wir hatten schon immer eine besondere Verbindung zu einander. Wie Zwillinge, obwohl wir keine waren.
Mir fiel auf, dass es Tag war. Es war zwar nicht besonders hell, da der Himmel wolkenbedeckt war aber auf der Erde hatten wir - laut meiner Armbanduhr - genau Ein Uhr nachts.
„Was für einen Zeitunterschied haben denn unsere Planeten?", fragte ich rein aus Neugier.
„Keinen.", sagte er. „Die Zeit verläuft hier genau wie auf der Erde. Wir befinden uns bloß in einem Zwischenraum. Ja so könnte man es nennen. Es ist ein Teil des Planeten Retzia. Diesen haben wir die Sakura-Insel genannt. Hier ist es immer Tag. Früher hat hier ununterbrochen die Sonne geschienen aber seit dem schwarzen Tag sieht man nur den grauen Himmel."
Sakura bedeutet in japanischer Sprache Kirschblüte, was ich zufälligerweise wusste. Also lag ich richtig, nahm ich an. Hier waren früher jede Menge Kirschblüten.
„Was ist denn der schwarze Tag?" Ich wollte alles genau wissen. Aus einem mir unerklärbaren Grund war es wichtig.
„Es ist der Tag, an dem die Quelle, die unseren Planeten am Leben erhielt, verschwunden ist.", sagte er.
„Wohin ist sie denn verschwunden und wie konnte das passieren? Was war das überhaupt für eine Quelle?"
„Wir wissen nur, dass sie sich nicht mehr auf unserem Planeten befindet. Es war ein Smaragd. Unsere Bäume und Pflanzen produzieren keinen Sauerstoff. Deshalb sind sie hier, im Kern des Planeten kahl. Keine Einzige Kirschblüte ist noch übrig. Uns bleiben nur noch einige Monate, um eine Lösung für das Problem zu finden. Unsere Wissenschaftler arbeiten aber daran."
„Das ist ja schrecklich!", rief ich aus. „Was passiert, wenn ihr keine Lösung findet?"
„Dann ersticken wir alle oder gehen auf euren Planeten. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn auf deinem Planeten plötzlich Wesen auftauchen, die sonst nur in euren Büchern vorkommen?" Diese Frage stellte er mit einer leichten, kaum merkbaren Drohung.
Ich konnte es mir leider vorstellen. All die Vampire, Werwölfe und was weiß ich, was es hier noch alles gab. Die Verteilung dieser Wesen würde eine Katastrophe auf der gesamten Erde verursachen. Der Untergang Retzias bedeutete also auch das Ende meines Planeten. Es war ein schrecklicher Gedanke, doch darüber konnte ich mir auch noch Sorgen machen, sobald wir Lana gefunden haben.
Schon bald konnte man am Ende des schlammbedeckten Pfades ein Schloss sehen. Es war...rosa!
„Ein rosa Schloss?", fragte ich ungläubig. „Wer wohnt denn hier?" Es hatte zwei Säulen. Eine links und eine rechts. Ein Wenig erinnerte es an ein Disney-Prinzessinnen-Schloss. Große Fenster und eine wundervoll verzierte Holztür zeichneten das schöne Gebäude aus. Da war kein Zaun oder Gitter und auch sonst kein Anzeichen dafür, dass das Schloss nicht für alle zugängig war.
„Hier wohnt niemand, es ist nur ein Übergang zum nächsten Portal. Das Schloss der Insel. Laut unserer Geschichte, hat sich der Erschaffer unseres Planeten hier mit den Engeln getroffen." Erklärte mir Daren.
„Diese Geschichte musst du mir irgendwann mal erzählen.", sagte ich, als wir das süße Schloss betraten.
Innen war es leer bis auf ein Paar deckenstützende weiße Säulen. Die Wände waren wahrliche Kunstwerke. Wie in einer Kirche tanzten Die Engel miteinander oder spielten Harfe. Der Maler musste sehr talentiert gewesen sein. Genau vor uns lag eine weitere große Holztür. Unsere Schritte schallten von den Wänden wieder, als wir uns zu der Tür begaben. Einen Schritt davor blieb Daren stehen und sie schwang von alleine auf. Ich fragte mich, ob es wohl einen Bewegungssensor gab, wie bei unseren Kaufhaustüren.
Als wir durch die Türschwelle traten sah ich etwas Unglaubliches. Zwei riesige Planeten im klaren Himmel, jedoch immer noch keine Sonne. Oder war eines davon der Mond? Vermutlich... Ein Steinweg führte zum Portal, über den Daren zuvor sprach. Dieser sah aber anders aus. Er war in einer Tür, welche weit über dem Boden schwebte. Schon fast automatisch nahm ich Darens Hand und folgte ihm den Weg entlang. Am Portal angekommen, sah ich runter auf den Boden unter uns. Nichts schien die Steine, auf denen wir standen zu halten. Sie schwebten förmlich in der Luft. Hier war die Höhenangst, die ich empfand wirklich gerechtfertigt.
„Keine Angst, ich halte dich fest.", sagte Daren, trat als erster durch das Portal und zog mich hinter sich her.
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Retzia - Der Blutige Pfad
FantasyIn einer Welt, in der Drachen als Haustiere gehalten werden, Vampire die Leibgarde der Königsfamilie sind und Werwölfe als Mörder und Vergewaltiger hingerichtet werden, sollte man auf keinen Fall etwas Dummes tun. Genau das habe ich aber getan. - Me...