Kapitel 20

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Es war so dumm von mir. Wie konnte ich nur zulassen, dass es so weit gekommen war. Die ganze Situation sah mir überhaupt nicht ähnlich. Und ich hatte Angst. Diese Angst gab mir den nötigen Adrenalinschub, so dass meine Gedanken nun völlig klar waren. Ein furchterfüllter Schrei verließ meine Kehle. Mit aller Kraft die ich in meinem Körper hatte stieß ich Daren von mir. Er bewegte sich nur einen Zentimeter von mir weg, es reichte aber um ihn so weit zu erschüttern, dass er mich los ließ und ich zu Boden sank. Schluchzend und zitternd zog ich meine Knie an mich. Daren schien zu Verstand zu kommen und riss das Fenster ganz auf. Der betörende Geruch verließ den Raum.

"Es tut mir so Leid Emilia, ich hätte dich warnen müssen, dass du auf keinen Fall die Flasche mit der violetten Blume öffnen sollst aber es war schon zu spät. Kein Wesen der Welt kann dieser giftigen Pflanze widerstehen. Bitte, ich will dass du weißt, dass ich dir niemals etwas gegen deinen Willen angetan hätte, wenn ich mich unter Kontrolle gehabt hätte." Daren Kniete vor mir und nahm mein Gesicht in seine Hände.

"Bitte Emilia, sieh mich an!", flehte er.

Ich sah ihm in die Augen, die ihre gewöhnliche, goldene Farbe wieder angenommen hatten. Die Fänge waren verschwunden und das Gesicht war wieder glatt und makellos. Die Gefahr schien vorüber zu sein, so dass ich mich langsam wieder beruhigte. Verdammt was war das bloß? Natürlich konnte ich ihm keinen Vorwurf machen, schließlich war ich diejenige, die auf ihn zugekommen ist und ihn praktisch fast vergewaltigt hätte. Ich wollte nicht wahrhaben, wie benebelt ich von diesem Duft war. Wie konnte ich nur so neben der Spur gewesen sein?! Fast hätte ich meine Unschuld an einen Fremden verloren aber das war es nicht, was mir solche Sorgen bereitete. Ich wusste ganz genau, dass wenn das Fenster nicht geöffnet wäre, hätte er mich umgebracht. Neben mir kniete ein Monster und genau das war es, wovor ich solch große Angst hatte. Damals wusste ich noch nicht, dass mir eine viel schlimmere Bestie begegnen wird, als Daren es war und mir Sachen antat, die mich wünschen ließen, ich wäre in diesem Badezimmer, nichtsahnend gestorben.

Daren stand wieder auf  brachte mir den Bademantel und das Nachthemd, als ich zu ihm blickte, war er wieder angezogen. Verdammt war er schnell!

"Danke... Ich bin dir nicht böse, das wäre unfair weil ich ganz genau weiß, dass es nicht deine Schuld war. Ich habe den gleichen, unaufhaltsamen Trieb verspürt und kann dir keine Vorwürfe deswegen machen. Bitte versprich mir nur, dass du alles dafür tun wirst, dass es nicht mehr vorkommt." Ich wusste natürlich, dass es nichts an der Situation änderte, wenn ich ihm dieses Versprechen entlockte aber so wiegte ich mich selbst in Sicherheit.

"Ich verspreche es Emilia, ich werde dich immer beschützen, auch wenn ich derjenige bin, vor dem du Schutz benötigst." Er klang sehr traurig.

Daren drehte sich von mir weg, damit ich mich anziehen konnte. Als ich fertig war, reichte er mir die Hand und zog mich auf die Beine. Mit der anderen Hand hielt er mich am Rücken fest, aus Angst ich könnte fallen.

"Oh Gott Lana!", zischte ich, "hoffentlich ist sie nicht wach geworden und hat sich alles mit angehört."

Als wir das Badezimmer verließen schlief Lana tief und fest wie zuvor. Scheinbar waren es sehr starke Medikamente, die Mesus ihr verabreichte aber vielleicht war sie auch einfach nur sehr erschöpft. Ich legte mich, ohne den flauschigen Bademantel abzulegen, auf die andere Seite von dem großen Bett. Daren stand vor mir und bat mich mit seinem Blick um Erlaubnis bleiben zu dürfen. Ich nickte nur und kletterte unter die schwere Decke. Er wagte es nicht, sich auch auf das Bett zu legen, wie es zuvor besprochen war und setzte ich in die Ecke des Zimmers, ungefähr einen Meter von mir entfernt. Ich drehte mich zur Seite, um ihn besser sehen zu können.

"Kannst du jetzt die zweite Bedingung erfüllen?", flüsterte ich.

"Ja natürlich, frag nur." , erwiderte er leise.

"Warum nennst du mich Emilia? Und warum hast du mich vor der Prinzessin Emelie genannt? ich verstehe es nicht ganz."

"Ich nenne dich Emilia, weil du meiner ehemaligen Geliebten sehr ähnlich siehst. Ich liebte sie so sehr aber sie konnte meine Gefühle nie erwidern, weil sie jemand anderen im Herzen trug. Das hat mich aber nicht davon abgehalten mein Leben ihr zu widmen und sie zu beschützen, so lange sie lebt. Eines Tages ist sie verschwunden. Als nach Monaten die Suche abgebrochen wurde, hat man sie für tot erklärt. Ich trauere noch immer um sie aber deine Anwesenheit lindert den Schmerz. Ich danke dir dafür. Ich hoffe ich darf dich weiterhin Emilia nennen?"

Er meinte doch nicht etwa meine Ururgroßmutter? So konnte ich es ihn natürlich nicht fragen, das wäre ja total bescheuert gewesen.

"Nein das stört mich nicht aber sag mal, wie Alt bist du denn?"

"Ich bin sehr alt. So alt, dass ich noch die Zeit erlebt habe, als wir Vampire noch alle auf der Erde gelebt haben, bis die Menschen uns vertrieben haben. Besser gesagt, die Hexen haben angefangen und auszulöschen, weil die Menschen sie davon überzeugten, dass wir eine Bedrohung für die Existenz aller Lebewesen sind. Gegen die Macht einer Hexe können wir Vampire nichts ausrichten, da wir nur physisch stark sind. So haben wir uns versteckt bis die Stadt Atlantis das Portal Retzias für uns öffnete. So konnten wir fliehen und uns retten. Dafür sind wir der königlichen Familie zu tiefstem Dank verpflichtet und haben geschworen ihr auf Ewig zu dienen. Denn es waren die Vorfahren meiner geliebten Emilia, die beschlossen haben das Portal für uns zu eröffnen und uns Zuflucht zu gewähren. Niemals werde ich vergessen, was sie für uns getan haben."

Alles klar. Der Typ war in meine Ururoma verschossen. Egal, ich musste ablenken, bevor er sich Gedanken darüber machen konnte, warum wir uns so ähnlich sahen.

"Du meinst es gibt echte Hexen bei uns auf der Erde?"

"Nicht mehr viele, die meisten wurden damals während der Inquisition vernichtet. Besonders grauenhaft ist es in Deutschland und in Salem zugegangen. Einige haben überlebt aber ihre Kraft ist nicht mehr das was es mal war. Die Menschen vergessen sehr schnell und so haben auch die Nachfahren der wenigen, übrig gebliebenen Hexen vergessen, wie man Magie ausübt. Mach dir also keine sorgen, bei euch auf der Erde sind die Menschen an der Spitze der Nahrungskette, denn sie löschen alles aus, was auch nur im geringsten ihre Macht bedroht. Bald werden sie sich selbst vernichten. Aber bis dahin ist es noch eine lange Zeit."

"Das hört sich alles so... unecht an. Uns bringt man in der Schule ganz andere Sachen bei und alles, was du bisher erzählt hast, wird als Märchen deklariert. Ich weiß, dass ich dir besser glauben sollte, nachten was ich gesehen habe, aber es ist als würdest du mir versichern die Farbe rot sei in Wirklichkeit blau."

Es gab noch so viele Fragen und Ungereimtheiten, aber ich war so müde, mir vielen die Augen langsam zu.

"Schlaf jetzt Emilia, morgen ist ein anderer Tag, ich bleibe die ganze Nacht bei euch und werde wach sein."

"Aber musst du nicht auch schlafen?" gähnte ich.

"Nicht so oft wie du vermutlich. Gute Nacht Prinzessin.", sagte er so leise, dass ich nicht verstanden hatte, ob er auch wirklich genau diese Worte gesagt hatte. Ich war aber auch viel zu müde um nachzufragen und schlief einfach ein.




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