Kapitel 12

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Markiert

*_*_*

Calandra

Als ich aufwachte war ich sofort in der Lage, mich zu orientieren. Die letzten Tage war ich schon so oft in Ohnmacht gefallen, dass es mich fast gar nicht mehr erschreckte.

Ich blieb liegen, drehte mich zur Decke und starrte hinauf. Friedlich räkelte sich mein Geist, erfrischt von etwas, das ich mir nicht ganz erklären konnte.

Irial umkreiste meine Gedanken. Es war fast, als wäre jegliche Sorge um ihn geschwunden, und Savitri war wieder einmal ein wenig mehr ich, ein wenig mehr Savandra.

Er war ein Monster? Das war ich doch auch. Er war besitzergreifend? Oh dear, ich hatte doch Chantal zusammengeschlagen, weil ihr sein alter Geruch anhaftete.

Und ja, er hatte mich entführt, mich ausgezogen, alles mögliche getan, um meine Privatsphäre zu verletzen - aber das hatte ich nötig gehabt. Meine harte Schale, die ich mir seit dem "Unfall" umgelegt hatte, war nichts mehr als das - eine harte Schale, der Kern noch immer weich und verletzlich.

Meine Freunde hatte ich ausgesperrt, als sie mich nicht mehr besuchen kamen. Meine Ärzte hatte ich ausgesperrt, als ich ihnen versichterte, mir ginge es bestens. Meine Eltern hatte ich ausgesperrt, die jede Nacht voller Furcht in mein Zimmer stürmten, wenn ich von einem Alptraum erwachte.

Sogar Milly hatte ich ausgesperrt, die jüngste meiner beiden Geschwister, an die ich gedacht hatte, während mich das Biest folterte. Die engelsgleiche Emily, die nie aufgehört hatte, mich anzulächeln, obwohl ich sie immerzu eiskalt abservierte.

Irial hatte mich da rausgeholt. Bei ihm fühlte ich mich sicher und zuhause.

Ich nahm mir vor, ein Mal gründlich mit ihm zu reden. Ich wollte alles über ihn wissen, von seiner Lieblingsfarbe zu seiner täglichen Arbeit im Rudel, seine Lebenseinstellung und eine Stelle, an der man ihn kitzeln konnte. Ich lächelte leicht bei diesen Gedanken.

Er hat uns markiert, stellte Savitri schnurrend fest. Ich hob meine Hand unwillkürlich zu meinem Nacken, an die Stelle, wo Hals auf Schulter trifft. Die Haut war unverletzt, doch ich spürte Rillen unter meinen Fingern.

Sofort stand ich auf und suchte einen Spiegel. Dieser hing direkt neben dem Bett über der Kommode, sodass er leicht zu finden war.

Das erste, was ich sah, war mein verändertes Gesicht. Ich stutzte. Es war nicht viel, mein Hautton strahlte gesünder, meine Wangenknochen waren vielleicht ausgeprägter als sonst. Ich erhaschte einen Blick auf die winzige Narbe am Haaransatz, die ich mir auf der Flucht vor dem Wolf zugelegt haben musste.

Dann fiel mein Blick auf die Schulter, und ich runzelte die Stirn. Tatsächlich waren da Erhebungen über dem Schlüsselbein, die fast aussahen wie Narben, doch irgendwie waren sie... hübsch.

Ich versuchte, ein Muster darin zu erkennen, doch es schien eine undefinierbare Form zu besitzen, die fast spiralförmig aussah. Und doch...

Ich strich noch einmal darüber und zog die Brauen noch weiter zusammen. Es sah fast wie ein unvollständiges Bild aus.

Wir müssen ihn auch markieren. Er muss auch uns gehören. Und wir sollten schnell sein... wenn das Band zerbricht, sterben wir.

Von welchem Band sprichst du?, fragte ich verwirrt, doch auch Savitri wusste keine Antwort auf diese Frage. Es war eher so, als müssten wir uns beeilen, um unseren Mate zu erwischen und ihn auch zu markieren.

Markieren. Als würden wir ein Territorium markieren. Ich sah meine Gesichtszüge sich skeptisch verändern.

"Wie ist es eigentlich mit dem Verwandeln? Wir waren noch nicht in Wolfsform.... schätze ich. Oder sind es immer halbe Verwandlungen, wie Irial damals?" Ich fragte laut, da kein anderer sich in dem Raum befand. Damals war ich weggerannt, als Irial meinem schlimmsten Alptraum gegenübergestanden hatte.

The Alpha's MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt