Kapitel Eins

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Ich wartete. Ich wartete einfach darauf , dass meine Gefühle endlich aufhörten sich zu benehmen wie ein Karussell.  Diese Aufregung in mir sollte einfach aufhören, mir den Kopf zu vernebeln. Was wenn ich nur dumme Antworten gebe? Oder ich unhöflich wirke, weil ich, wenn Nervosität mich übermannt, rede wie ein Wasserfall?  Hier in Korea ist ja Höflichkeit das Ah und oh, dass wusste ich.
Also stand ich vor dem riesigen, schneeweißen Gebäude mit den wirklich beeindruckenden, großen Glasfronten und überlegte wie ich mich beruhigen konnte. Okay…. Einfach durchatmen und bis 10 zählen… dass hat Mama immer gemacht, wenn die anderen unmöglich waren. Meine 5 Geschwister waren aber auch ein einziges Chaos.  Also 1… einatmen…2… ausatmen… 3 ein… ach verdammt es funktioniert nicht, ich kann nicht mal meine Augen schließen.  Weiße Punkte fingen an vor meinen Augen zu tanzen und so langsam zweifelte ich an meiner emotionalen Stabilität. Mir war nicht einmal bewusst, warum meine Gefühle so Achterbahn fuhren, da ich extra für dieses Gespräch aus meiner Heimat eingeflogen und in einer hübschen kleinen Wohnung untergebracht wurde. Hieß also, dass sie mich haben wollten. Nur mich. Ich inspizierte noch einmal die riesigen Glastüren ca 5 Meter vor mir. Im Foyer saß  eine ziemlich hübsche Koreanerin, vielleicht Anfang 20 und redete in ihr Telefon. Sie sieht aus als wäre sie für ihren Job geboren. Bin ich das auch? Kann ich die Erwartungen die alle an mich haben überhaupt erfüllen? Und da waren meine Gefühle wieder völlig durcheinander… mein Herz raste wie wild und ich hatte dieses flaue Magengefühl … oh Gott, bitte lass jetzt nicht auch noch Übelkeit dazu kommen. Ich drehte meinen Rücken der Glastür und dem mittlerweile beängstigend aussehenden Hauptsitz von Big Hit zu, und prüfte mein Handy.  Keine Message, noch 15 Minuten bis zum Vorstellungstermin bei Bang Si-hyuk. Ich schloss erneut meine Augen und wollte meine Atemübungen versuchen. Plötzlich hörte ich wie die Glastür hinter mir knarrte und lautes und wirres Geplapper in unüberhörbarer Lautstärke gepaart mit vereinzeltem Gelächter zu mir durchdrangen. Gerade in dem Moment, als ich schauen wollte was los war, spürte ich einen stechenden Schmerz im Rücken und wurde nach vorn in Richtung Straße gestoßen. Ich stolperte in meinem Versuch das Gleichgewicht wiederzufinden über meine eigenen Füße und wunderte mich nicht einmal, da Tollpatschigkeit schon immer meine größte Stärke gewesen war. Und dann lag ich auch schon auf dem Asphalt, meine Handtasche neben mir, komplett entleert und fragte mich, ob mein Tag noch schlimmer werden konnte. „Ach verdammt, schau doch wo du hinrennst!“ blaffte ich den Verantwortlichen an, ohne mir die Mühe zu machen hoch zu schauen. Als ich gerade dabei war meinen Tascheninhalt auf dem Boden einzusammeln, kamen mir zwei unbeholfene, kleine Hände zur Hilfe.  „Tut mir leid! Tut mir so leid!“ sagte eine männliche Stimme immer wieder. Ich schaute auf, um den ignoranten  Idioten böse anzufunkeln, und blickte in ein zwar ziemlich verzweifeltes, aber sehr hübsches Gesicht.  Meine Wut war augenblicklich verschwunden. Ein junger Typ, ungefähr mein alter, pechschwarze Haare, dunkelbraune Augen mit süßem Gesicht kniete vor mir und streckte mir mein Terminplaner entgegen. „Schon okay, alles gut!“ sagte ich und merkte an seinem verwirrten Gesichtsausdruck, das er überrascht war mich mit englischem Akzent antworten zu hören. Leider hatte ich es in meiner kurzen Vorbereitungszeit für den Umzug nach Seoul nicht geschafft, der koreanischen Sprache wieder vollständig Herr zu werden und so konnte ich meinen jahrelangen Aufenthalt in Amerika nicht verbergen. Nach einer 3minütigen peinlichen Stille bildete sich ein breites, entschuldigendes Grinsen auf seinem Gesicht aus und seine Augen wurden zwei schmale Schlitze, durch die man seine Augäpfel nur erahnen konnte. „Gott Jungs, könnt ihr euch nicht einmal benehmen?!“ Rechts von dem Schwarzhaarigen ließ sich ein schlanker Kerl auf die Knie fallen und begann ebenfalls, meine Habseligkeiten einzusammeln. „Tut mir wirklich leid. Die Clowns albern nur rum und achten nicht auf ihre Umwelt. Ist alles okay bei dir? Hast du dich verletzt?“ Noch so ein hübscher… ist Big Hit ne Schnuckelschmiede? Naja eigentlich keine Überraschung bei einer Produktionsfirma… „Nein ich glaub es ist alles okay… Bin ja nur auf den Boden gefallen und bei meiner begrenzten Körpergröße auch nicht sehr tief.“ Der lange grinste und kleine Grübchen bildeten sich neben seinem Lächeln.  „Dann ist ja gut!“ Er reichte mir seine Hand und half mir auf die Beine.  Erst jetzt bemerkte ich, dass noch 5 andere Jungs vor mir standen. Zwei von Ihnen schauten etwas betroffen. Ein anderer, mit so perfekten Gesichtszügen, dass es schon schmerzhaft war, funkelte den Schwarzhaarigen an, wie eine Mutter, die ihr Kind durch ihre Augen schimpft. Der letzte stand etwas am Rand und beobachtete die Szene,  schien sich aber erstens nicht zu wundern und zweitens auch nicht wirklich zu interessieren. Der Schwarzhaarige fing an, mit einem der Jungs zu diskutieren „Hast du nicht gesehen das da jemand stand?“ “Wieso sollte ich. Pass du doch auf wo du hinläufst!“ „Ich hab aber keine Augen im Rücken und wenn du mich nicht geschubst hättest, wäre auch nichts passiert…!“ Der Idiot schmollte, sein Diskussionspartner auch und ich fand es langsam lustig. Der lange reichte mir meine Tasche und lächelte „Hier dein Zeug. Ist wirklich alles gut?“ „ Ja ja danke. Ich war einfach selbst gerade etwas abgelenkt, tut mir leid das ich im Weg stand.“ „ Muss dir nicht leid tun, meine Jungs sind manchmal einfach etwas wild. Ich bin übrigens Namjoon und der Kerl der dich zu Boden gebracht hat ist Jimin.“ Er schaute zu dem Schwarzhaarigen, der mittlerweile den anderen Schuldigen  im Schwitzkasten hielt und mit einem fast schon mädchenhaften Kichern auf den Bauch schlug. „Und der der gerade bestraft wird, ist Jungkook… wir sagen aber Kookie“ Ich musste schmunzeln da dieser Spitzname irgendwie perfekt zu dem Braunhaarigen passte, der jünger wirkte und trotzdem erwachsen zur selben Zeit.  „Hey ich bin Ally.  Und du musst nicht Englisch sprechen, ich verstehe koreanisch eigentlich ganz gut.“  Wir lachten beide kurz auf. Plötzlich stand ein breites Grinsen vor mir. Alle Zähne sichtbar und die Lippen auf eine lustige Art und Weise fast in Herzform „Ich bin Tae.“  „Hey Tae.“ Nun kam auch der „perfekte“ näher und verbeugte sich höflich. Ich hatte mich immer noch nicht wieder an die höflichen Umgangsformen meiner ehemaligen Heimat gewöhnt. „Mein Name ist Jin.  Nett dich kennen zu lernen.“ Danach fiel mein Blick auf ein weiteres freudestrahlendes Gesicht. Der Besitzer drehte  sich zu mir, verbeugte sich kurz und sagte „Hoebi, hi“  Jetzt fehlte nur noch der Kerl ganz am Rand. Langsam kam er zwei Schritte auf mich zu, nickte kurz in meine Richtung und sagte völlig unbeeindruckt „Min Yoongi.“ Ich winkte ihm leicht zum Hallo und ein kleines Lächeln zeichnete sich ab, jedoch so kurz, dass ich fast dachte, ich hätte es mir nur eingebildet. „ Was machst du eigentlich hier? Du scheinst ja nicht von hier zu sein?“ fragte mich Namjoon. Plötzlich wurden meine Augen groß, ich stand kerzengerade und merkte, dass  ich mir vielleicht doch ein, zwei leichte Prellungen an der rechten Seite geholt hatte. „Oh nein nein nein wie spät ist es?!“ Meine Verzweiflung war nicht zu unterdrücken und das flaue Gefühl im Magen war schlagartig zurück. „9.55 Uhr warum? Alles okay?“ „Oh gott nein nichts ist okay, ich muss los! Ich hab einen wichtigen Termin…. Tut mir leid, ich will nicht unhöflich sein aber…“ und während ich mich mit verbeugen und entschuldigen total lächerlich machte, stolperte ich rückwärts in Richtung Glastür, drehte mich zum Glück noch rechtzeitig um, um eine zusätzliche Kopfverletzungen zu vermeiden und eilte in das große helle Foyer zur Rezeption.  Als ich auf meinem Weg noch einmal über meine Schulter schaute sah ich, dass die Jungs mir mit sehr verwirrten Gesichtern hinterher schauten. Nur einer winkte freudestrahlend und wirkte dabei schon beinahe hyperaktiv. Hoebi.

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