Kapitel 23

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Es waren zwei Tage vergangen. Seit zwei Tagen dachte ich über die Sache in meinem Schlafzimmer nach. Die Sache, die eigentlich gar keine Sache gewesen war. Eigentlich war gar nicht viel passiert, und trotzdem war ich heillos verwirrt. Ständig hatte ich seine Augen in meinem Kopf. Seinen intensiven Blick. Seine Berührung.
Warum brachte mich diese Kleinigkeit so durcheinander?
Seit zwei Tagen hatte ich meine Wohnung nur einmal zum Einkaufen verlassen und dabei darauf geachtet, dass mich keiner der Jungs erwischte. Ich hatte meine neuen Songtexte von hier aus geschickt und es schien niemanden zu stören. Und momentan hatte ich auch nicht vor, mich vor meiner Haustüre blicken zu lassen.
Kaffeeschlürfend saß ich auf meinem Sofa und starrte in den laufenden Fernseher.
Als ich ihm den Song vorgespielt hatte, hatte er mich nur beobachtet. Auch danach kam kein Wort mehr aus ihm. Er hatte nur genickt und war dann gegangen. Und ich war verwirrt zurück geblieben. Wahrscheinlich fand er den Song schrecklich, aber mir gefiel er.
Sehr sogar.
Ich hatte mich mittlerweile auch für einen Titel entschieden und wollte ihn heute Abend an den Boss weitersenden.
Langsam erhob ich mich vom Sofa und trottete in die Küche, um meine Tasse aufzuräumen. Mein Handy klingelte.
"Hallo John! Lange nichts mehr von dir gehört..." sagte ich vorwurfsvoll. "Tut mir leid Kleines, hier war die Hölle los. Ich habe schlechte Nachrichten. Mum liegt im Krankenhaus. Sie hatte einen Autounfall." Geschockt riss ich meine Augen auf. "W-was ist passiert?? Geht es ihr gut?! Soll ich zu euch kommen?" "Nein nein. Ihr gehts den Umständen entsprechend. Sie hat sich das linke Schienbein gebrochen und leichte Prellungen am Brustkorb vom Airbag und eine Gehirnerschütterung. Du brauchst deshalb nicht extra herkommen." Ich nickte abwesend. Okay.... sie war gut versorgt und John würde mir sowas nicht erzählen, wenn es nicht stimmte.
"Okay.... aber was ist mit den Kleinen? Wer passt auf sie auf?" "Na ich natürlich Ally! Deswegen sag ich ja hier is die Hölle los." Ohje der Arme. Ich wusste wie anstrengend die Jüngeren sein konnten. Das Alter von 11 bis 16 war nun mal schwierig. Ich musste ein wenig kichern bei dem Bild das sich vor meinen Augen von John und den Kids auftat. "Na hoffentlich überleben die bei deinen Kochkünsten." "Klar, weil es seit zwei Tagen nur noch Lieferservice gibt." Ich lachte. War ja klar. "Okay sag allen schöne Grüße von mir und schick mir die Nummer vom Krankenhaus damit ich Mum anrufen kann." "Mach ich Ally. Mach dir keine Sorgen. Ich weiß wie sehr du dir den Kopf über andere zerbrechen kannst." "Ich tue mein Bestes. Bis bald."
Ich legte auf und atmete tief durch. Alles war okay. Mum ging es gut. Nur ein paar kleine Verletzungen nichts Ernstes. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das mir John etwas verschwiegen hatte.... etwas wichtiges.

Gegen Abend setzte ich mich vor meinen Laptop und  ging nochmal den neuen Song durch. Ich war sehr zufrieden mit dem Ergebnis und bekam ihn selbst schon nicht mehr aus dem Kopf.
'Hallo Bang PD, im Anhang sende ich Ihnen den neuen Song mit Audioaufnahme der dazugehörigen Melodie. Titel: Butterfly
Mit freundliche Grüßen, Allison.'
Und senden. Stolz grinsend, klappte ich den Bildschirm runter und ging in die Küche. Ein Schlachtfeld. Also entschied ich mich, mal wieder reine zu machen und als erstes musste der Müll raus.
In meinen besten Schlabberklamotten, nämlich Jogginghose und einem Uralten Nirvanapulli, spähte ich mit dem Müllbeutel in der Hand zur Türe raus. Alles ruhig, die Luft war rein. Hauptsache keiner von den Jungs sah oder hörte mich. Ich zog gerade meine Haustüre zu, da hörte ich hinter mir ein Räuspern.
Verdammt!
"Allison. Bist du von den Toten auferstanden?" Hoebi.... warum?
"Hey!" Ich hatte mich umgedreht und strahlte ihm unschuldig entgegen. "Sag mal warum meldest du dich denn gar nicht mehr? Wir haben uns alle schon langsam Sorgen gemacht." Betreten sah ich zu Boden "Tut mir leid, ich... mir gings nich so prächtig. Aber alles wieder okay... ich wollte euch keine Sorgen bereiten." Hoebi grinste wieder fröhlich und winkte mit einer Hand ab. "Ach nicht so tragisch. So is das halt bei Freunden. Man macht sich Sorgen. Was machst du denn heute Abend? Lust zu zocken? Wir müssen mal wieder die Jüngeren abziehen." Er zwinkerte mir verschwörerisch zu. Lust hatte ich schon, aber keine Ahnung wie ich Yoongi gegenüber treten sollte. Ich konnte mich aber auch nicht für immer in meiner Wohnung verstecken. Also....
"Ähm... klar... warum eigentlich nicht. Ich komm nachher einfach rüber okay?" Hoebi schenkte mir sein breitestes Lächeln und verschwand wieder in der Wohnung.
Na toll, das konnte ja nur im Chaos enden. Ich seufzte laut und fing an, die Treppen Richtung Ausgang zu nehmen. Völlig in Gedanken bekam ich gar nicht mit, wie mir von unten jemand entgegen kam und so rannte ich direkt in diese Person rein.
"Oh Entschuldigung. Ich hab nicht aufgepasst..." stammelte ich. "Schon okay ich auch nicht." Es war Yoongi. Ausgerechnet er. Ich schaute ihn an und merkte, das er mir nicht mal in die Augen sah.
"Also ich muss dann weiter." Und schon war er weg. Was war denn mit ihm los? Hatte ich irgendetwas falsches gesagt oder getan?
Ich brachte den Müll raus und räumte meine Küche weiter auf aber dieses komische Verhalten und diese Spannung zwischen uns, konnte ich einfach nicht vergessen.
Es klingelte, als ich gerade den letzten Teller verräumt hatte.
"Hey Ally, Hoebi hat mir aufgetragen dich abzuholen, falls du es dir anders überlegt haben solltest."
Kookie grinste mich breit an und ich grinste zurück. "Ihr seid manchmal echt nervig, wisst ihr das?" Noch breiter grinsend nickte er wild. "Komm rein, ich geh noch schnell ins Bad."
Ich spritzte mir etwas Wasser ins Gesicht und betrachtete mich im Spiegel. Allison, verhalte dich ganz normal. Als wäre nie etwas passiert. Einfach nur ein entspannter Abend mit Freunden.
Ich zog mir die schwarze Leggins und ein großen Wollpulli an, welche bereits im Bad gelegen hatten und ging wieder zu Kookie.
"Sag mal Ally, was haben du und Yoongi eigentlich Freitag noch gemacht? Er war Samstag morgen nicht in seinem Zimmer." Ich stockte. Warum musste ausgerechnet der Jüngste mich sowas Fragen? Und was sollte ich jetzt darauf antworten??
Ich lief sofort rot an und ging redend in die Küche, um mich nicht komplett lächerlich zu machen.
"Ach nichts besonderes. Über die Songs geredet und so und dann sind wir eingeschlafen. Also nichts besonderes..." Ich wiederholte mich. Lügen war nicht meine Stärke. "Aha... Yoongi war das ganze Wochenende so komisch. Ich dachte, vielleicht habt ihr euch gestritten oder so." Er war also nicht nur zu mir komisch... Ich sollte diesen Abend einfach schnell hinter mich bringen. "Na komm Kookie die anderen warten sicher schon."
Wir saßen alle auf dem Sofa und redeten. Bang PD hatte den neuen Song bereits an Joonie weitergeleitet und er wollte ihn mit mir besprechen.
"Ally der Song is der Hammer. Der Text und die Melodie passen perfekt zusammen. Wie bist du darauf gekommen?"
Ich dachte an den Moment unter der Dusche zurück. "Es war einfach da. Ich war grade duschen. Sowas passiert mir ständig." Ich lächelte ihn an und er nickte verständnisvoll. "Ja ich weiß was du meinst. Bei Yoongi is das auch manchmal so. Deswegen hat er immer sein iPad oder wenigstens sein Handy dabei." "Wo ist der eigentlich?"
Yoongi war nicht da gewesen, als ich gekommen war und auch bis jetzt nicht aufgetaucht.
"Yoongi ist im Studio. Er wollte gleich seinen Teil zum neuen Song beitragen."
Er beschäftigte sich also mit meinem Song, auf den er so komisch reagiert hatte.
Nach drei Stunden Zockerei, wollte ich wieder nach Hause.
"Tae und Kookie, hört auf zu cheaten. Ihr schafft es wohl nicht, ohne zu schummeln zu gewinnen hä?!" Jimin war genervt aufgesprungen und wedelte wild mit seinen kleinen Händen. "Ach komm, du bist nur ein schlechter Loser!" Kookie lachte bei Jimins Anblick. Auch ich musste schmunzeln. "Stimmt doch gar nicht! Wenn ich auf faire Weise geschlagen werde, kann ich auch verlieren! Aber du und Tae...!" "Jungs kommt mal runter is doch nur ein Spiel!" Jin verdrehte genervt seine Augen und versuchte Jimin zu beruhigen.
Ich stand kichernd auf "Jungs ich geh ins Bett. Bitte schlagt euch nicht die Köpfe ein." Ich legte meine Hand auf Jimins Schulter und lächelte ihn liebevoll an.
Zwei Minuten später stand ich im kalten Hausflur und überlegte. Sollte ich wie geplant nach Hause gehen oder nochmal nach Yoongi schauen?
Bevor ich mich selbst aufhalten konnte, war ich schon auf dem Weg nach unten und blieb an der angelehnten Tür zum Studio stehen.
Ich konnte durch den Spalt beobachten wie er in der Kabine vor dem Mikro stand und versuchte, eine Aufnahme zu beenden, jedoch jedesmal nach ein paar Sekunden unzufrieden abbrach und sich die Haare raufte oder vor sich hin schimpfte.
Ich öffnete die Tür ein kleines Stück weiter und blieb weiterhin im Türrahmen stehen. Ich beobachtete ihn gern dabei. Er war so völlig vertieft in seine Arbeit und bekam nichts um ihn mit.
Nachdem ich ihn ca 5 Minuten wie eine irre Stalkerin beobachtet hatte und seine Verzweiflung, da dieser Perfektionist einfach nicht weiterkam, nicht mehr ertragen konnte, ging ich auf den im Bürostuhl sitzenden Yoongi zu und räusperte mich. Er drehte sich erschrocken um "Was willst du hier?" "I-ich wollte nur mal nach dir sehen, weil du den ganzen Abend nicht oben warst..." Er drehte sich wieder von mir weg in Richtung Mischpult und Kabine. Okay, ich kann auch hartnäckig mein Freund!
Ich holte mir einen Stuhl und setzte mich zu ihm. "Was ist denn los Yoongi? Du bist schon vorhin so komisch gewesen." Ich schaute zu Boden. "Bin ich nicht. Und selbst wenn.... ich versuche hier zu arbeiten und du störst Allison!"
Seine Stimme war abweisend und er würdigte mich keines Blickes. Idiot!
"Dann halt nicht Yoongi! Du kannst echt ein richtiges Arschloch sein!" Ich wollte das eigentlich gar nicht sagen, aber meine Frustration über diese komische Stimmung zwischen uns, bahnte sich ihren eigenen Weg. Ich stand auf und machte einen Schritt auf die Türe zu, als er mich am Handgelenk festhielt, ohne auch nur seinen Kopf zu drehen.
"Warte..."

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